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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0248

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222

KLEINE MITTEILUNGEN.

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Thürbeschlag in der Thomaskirche in Leipzig.

Aufgenommen von Architekt H. Kkatz, daselbst.

dürfte man versuchen, im deutschen Unterricht mit den klei-
nen Jungen auf die Entwicklung der Sprache im allgemeinen
und dann unserer deutschen speciell aus Gotisch und Alt-
hochdeutsch etc. zurückzugehen, noch ehe sie ein Wort
richtig schreiben, einen Satz richtig sprechen können. „Jede
zeitraubende Seitenschwenkung, -wie z. B. das Bearbeiten
bedeutungsloser Vorlagen" etc. sei zu vermeiden. Weiß der
Herr Verfasser nicht, dass die neueren Wandtafelwerke fin-
den ersten Unterricht so gut wie durchweg ihre Formen dem
Flechtwerk, geknüpften Bändern, Blättern, Blumen und
Früchten etc. entlehnen! Wie könnte man, selbst beim
besten Willen, vom Leichten zum Schweren fortschreiten,
wenn man nach seiner Vorschrift mit dem Abzeichnen von
Steinwerkzeugen beginnen wollte, um dann die Erzeugnisse
der ältesten Flechterei, der Töpferei, der Metallarbeit vor-
zuführen. Ein ägyptischer Holzlöffel, dessen Griff eine mit
Lotospflanzung beschäftigte weibliche Figur bildet, ziert, in
geschmackvoller Federzeichnung ausgeführt, das Titelblatt.
Soll diese Zeichnung auch von den Schülern im ersten Jahre
des Zeichenunterrichts nachgebildet werden, oder was soll
sie dabei? Einfacher sind freilich die am Schluss angefügten
10 Tafeln, in deren Reihenfolge sich aber auch die völlige
Abkehr von allen Grundsätzen der Pädagogik deutlich kund-
giebt. Dann die feinen Verzierungen mykenischer Goldplätt-
chen mit Schmetterling etc. zwischen die primitivsten Formen
uralter Thongefäße gestellt und einige Tafeln weiter schon
mykenische reichverzierte Vasen mit Schattengebiing (!), das
heißt doch: alles auf den Kopf gestellt. Im übrigen ist das
51 Seiten zählende Schriftchen eine mit aller wissenschaft-
lichen Zurüstung ausgestattete Beschreibung der allerältesten
Kunstsachen, es hat offenbar zugleich den Beruf verfehlt.
War man nach dieser Probe versucht, in dem Verfasser
alles eher als einen wirklich thätigen Zeichenlehrer zu ver-
muten, so wird man eines andern belehrt, wenn man ein
anderes Werk desselben Verfassers (die einzige Abweichung:
„Ludwigs-" und „Luitpold"-Realschule beruht wohl auf einem
Druckfehler) zur Hand nimmt.

Geometrisches Ornament. Vierte Lieferung (einzeln
käuflich), Würzburg, Stuber 1884. Preis 1 M.

Aus zwei Zeilen auf dem Umschlag erfahren wir nur
vom Verleger, dass diese 10 Blätter ebenso wie diejenigen
der 3 ersten Lieferungen „sich nicht nur als Vorlagen beim
Zeichenunterricht eignen, sondern sich auch als Muster für
das Kunstgewerbe empfehlen". Durchweg mit gerader bezw.
Kreisschraffirung versehen und an einem Ende die Einzeln-
heiten der, übrigens höchst durchsichtigen Konstruktion auf-
weisend, sind sie offenbar nur für das Zirkelzeichnen be-
stimmt; ein Wort des Autors, nicht des Verlegers, über die

Art der Verwendung wäre wohl am Platze gewesen. Es
sind lediglich Wiedergaben von pompejanischen Mosaik,
ägyptischer Deckenmalerei (2 mal), Renaissance-Wand-
malerei (2 mal), indischer Interesia, Geison von griechischen
Tempeln (2 mal) etc. Wir sehen nicht ein, weshalb man
gerade die starrsten und •/.. Tb. geschmacklosesten alten
Sachen, deren Platz allenfalls in der Formenlehre ist, zum
Gegenstand des Zeichenunterrichts machen sollte. Wenn
man ferner Zirkelzeichnen lehren will, so thue man das los-
gelöst von aller Rücksicht auf die Kunstformen, lediglich
nach praktischen Gesichtspunkten; man wird so schneller
und sicherer zum Ziele kommen. Auch plage man auf
keinen Fall den Schüler mit dem Ziehen von endlos vielen
geraden parallelen Strichen und Kreisen; er muss ja die
Lust verlieren. Oder sind die Vorlagen für die Nachbildung
in Farbe gedacht, worauf einige Angaben hinweisen ? Tafel 2
ist übrigens weit verwickelter als Tafel 7, ebenso gehörte
Tafel ü mit an die erste Stelle. Mit dem Verfasser über den
Wert oder Unwert solcher rezeptartiger perspektivischer
Übertragungen, wie sie Tafel 10 giebt, zu reden, müssen wir
uns in Rücksicht auf den gemessenen Platz versagen.

Wahrhaft erquickend wirkt nach dieser trockenen Speise
das zur „Sammlung Göschen" gehörende Werkchen:

Zeichenschule von Karl Kimmich in Ulm. Stuttgart,
Göschen 1894. 2. Auflage. Preis SO Pf.
Es ist sehr leicht zu verstehen, wie dieses mit 17 Tafeln
in Ton-, Farben- und Golddruck und 100 Voll- und Text-
bildern ausgestattete, geschmackvoll und dauerhaft gebun-
dene Büchlein von 130 Seiten (klein 8), in kurzer Zeit seine
zweite Auflage erlebt hat. Dasselbe verbindet Frische der
Darstellung und eine unglaubliche Reichhaltigkeit des Stoffs
auf knappem Raum mit dem außerordentlich geringen Preis
von 80 Pf. Nach einer ziemlich langen, aber doch nicht ein-
wandfreien Litteraturangabe (so fehlen ganz die Stuhlmann'-
schen Zeichenwerke, die doch keinenfalls ohne Beachtung
bleiben dürften, ebenso manche anderen wie die Glinzer'-
schen Wandtafeln nach natürlichen Pflanzenblättern) werden
Hilfsmittel und Arbeitsweise des Zeichners kurz erörtert.
Das Kapitel „Flächengebilde" giebt eine kurze Erklärung
von Linie, Winkel, Kreis, Ellipse etc., und zusammen mit
einem späteren Abschnitt S. G5—74, der wohl besser hierher
gehörte, einen Kursus im Zirkelzeichnen, ebenso der Artikel
„Raumgebilde" auf 24 der kleinen Seiten eine Anleitung
zur perspektivischen Darstellung des Geschauten, aber auch
zum Zeichnen nach Gipsabgüssen, sowie nach natürlichen
Pflanzen. Die Farbe, der Entwurf des Ornaments, der
lebendige Körper, die Landschaft umspannen dann den
ganzen Kreis desjenigen, was im Zeichnen in der Regel


 
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