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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Hofmann, Albert: Die Berliner Gewerbeausstellung 1896, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0176
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DIE BERLINER GEWERBE-AUSSTELLUNG 1896.

an die Volkskunst an, versucht aber ihre Gebilde, wenn
gegenüber den großen Schönheiten der natürlichen Volks-
kunst der etwas anspruchsvolle Ausdruck erlaubt ist,
zu läutern, zu stilisiren und gelangt trotz dem vielfach
berechtigten Misstrauen, welches man in solche Versuche
gesetzt hat, zu ungemein ansprechenden Ergebnissen.
Vielleicht ist es späterhin möglich, charakteristische
Beispiele für diese drei Eichtungen im Bilde vorzuführen.
Alles in allem genommen, spiegelt die große Gruppe
dieser kleinen Bauwerke -infolge der Schnelligkeit und
Ursprünglichkeit ihrer Ent-
stehung mit ziemlicher Treue
die Bewegungen im Kleinen
wieder, welche die architek-
tonischen Bestrebungen der
Gegenwart im Großen durch-
ziehen und auch im Kunst-
gewerbe ihren Wiederschein
finden.

Zweier , Veranstaltungen
muss zum Schlüsse dieser all-
gemeinen Schilderung noch ge-
dacht werden, die zwar nicht
im engeren Zusammenhang
mit der offiziellen Ausstellung
stehen, da sie Privatunter-
nehmungen sind, die aber
nichts destoweniger mit dazu
beitragen, dem gesamten Aus-
stellungsbild Farbe und eine
gewisse Ergänzung zu geben.
Es sind das die Unterneh-
mungen Alt-Berlin und Kairo,
ersteres ein nach den Ent-
würfen Hoffacker's mit einer
köstlichen Fülle intimer Beize
ausgeführtes Bild des alten
Berlin aus der Zeit des Großen
Kurfürsten, letzteres ein nicht
ganz mit gleicher Einheitlich-
keit durchgeführtes, jedoch
gleichfalls nicht der Anzie-
hungskraft entbehrendes, nach
den Entwürfen des Architek-
ten Wohlgemath dargestelltes
lebendiges Stück orientalischen
Lebens. Auf einem Flächen-
raum, der nach meinem Ge-
fühle für die geschlossene und
echte Wirkung des Ganzen
und für die größere Treue
seines orientalischen Charak-
ters um etwa ein Drittel hätte
kleiner sein können, erhebt
sich das sogenannte Kairo

/

nach Zeichnung von Architekt H. Grisebach ^ausgeführt von
Hofkunstschlosser Paul Marcus, Berlin.

mit einer Anzahl von ägyptischen Tempel- und Haus-
typen, welche zum Teil treue Nachahmungen bestehen-
der Bauwerke sind, aber gegenüber früheren Veranstal-
tungen ähnlicher Art, wie der in Wien 1873 und der
in Paris 1889, den Eintags-Charakter und die Eigen-
schaft leichter Volksbelustigung doch allzusehr an der
Stirne tragen, um nach größerem künstlerischem Maß-
stabe gemessen zu werden. Angenehm wirkt es, zu
sehen, wie das Innere der kleinen Bauwerke zu
Läden, Bazaren, Schankstätten etc. eingerichtet ist, in

welchen der orientalische Cha-
rakter noch am echtesten zum
Ausdruck kommt. Freilich
dürfte der weitaus größte Teil
der Waren, die hier dem be-
gehrlichen Käufer mit orienta-
lischer Beredsamkeit und Leb-
haftigkeit als echte Waren
an- und aufgepriesen werden,
in Berlin selbst entstanden
sein.

Anspruch auf strengere
und zugleich künstlerische Be-
urteilung erhebt Alt-Berlin. Es
ist mit Bewusstsein und Folge-
richtigkeit einheitlich und mit
liebevoller Hingabe an die be-
scheidene und naive Baukunst
jener Tage, die uns noch so
sehr mangelt, entworfen und
ausgeführt. Das alte Bathaus
mit der Gerichtslaube, das
Georgenthor mit dem schönen
Turmbau, die Heiligegeist-
kirche, die zahlreichen kleinen
Häuser in den gewundenen
Straßen sind mit ungemeiner
Treue und Liebe wiederge-
geben. Der Fachwerksbau mit
seinen unendlichen Abwechse-
lungen und Gestaltungen, der
Backsteingiebel mit seinen ein-
fachen und doch so wirkungs-
vollen Formen, der geputzte
Giebel mit seiner lebhaft be-
wegten Silhouette, hier eine
Laube, dort eine Halle, ein
Erker bald mitten in der
Fassade, bald rücksichtslos
dem Bedürfnis entsprechend
auf die Seite gerückt, bald
wieder keck an einer Ecke
klebend, hier ein kleines Türm-
chen, dort ein zierlicher Dach-
reiter, alles das vereinigt sich

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