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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Die Berliner Gewerbeausstellung 1896, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0175
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DIE BERLINER GEWERBE-AUSSTELLUNG 1896.

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Gemalter Fries zwischen den Dachsparren der Nahrungsmittelhalle der Berliner Gewerbe-Ausstellung.

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plastischen Schmuck der Anlage bildet eine in großem
Maßstabe gehaltene Mittelgruppe der Berolina, welche
über einer Kaskadenanlage thront.

Hat die im Vorstehenden genannte Gebäudegruppe in
erster Linie repräsentativen Charakter, der für die
künstlerische Formgebung maßgebend war und dieser
die erste Bedeutung gab, so tritt bei den nun folgenden
Gebäuden mit einzelnen Ausnahmen die künstlerische Aus-
bildung erst in die zweite Linie, sie sind in erster Linie
Nutzbauten. An die Spitze dieser Gruppe von Bauten
gehört das sogenannte Chemiegebäude, welches außer der
chemischen Industrie die physikalische, optische, chirur-
gische Industrie und so weiter beherbergt. Es ist nach
den Entwürfen des Architekten Hans Grisebach erstellt
und zeigt eine basilikaartige, dreischiffige, langgestreckte
Halle mit Querschiff, dem ein halbrundes, amphitheatra-
lisches Auditorium vorgelagert ist. Die künstlerische Form-
gebung des Gebäudes bewegt sich in einer Art deutschen
Renaissance, welche in freier und feinfühliger Weise einer-
seits den großen Lichtbedürfnissen des Hauses, anderer-
seits dem Material, aus dem es erstellt ist — Draht-
putz auf Eisengerüst — angepasst ist.

Für eine Gruppe von drei eigenartigen Gebäuden
lieferte der Architekt Karl Hoffacker die Entwürfe,
welche die deutsche Formensprache, versetzt mit nor-
dischen Einflüssen, zu wirkungsvoller Darstellung
bringen. Es sind das Verwaltungsgebäude, zugleich
Haupteingang für die Ausstellung, als Drahtputzbau
mit reicher Malerei von M. Seliger in malerisch be-
wegter Silhouette erstellt, das Gebäude für die Schul-
ausstellung und die Ausstellung von Wohlfahrtseinrich-
tungen, ein stattlicher Holzbau mit architektonisch durch-
gebildeter Hauptfassade, und vor allem das Gebäude für
Fischerei und Sport, am Rande der Spree, eine reich
gruppirte Anlage mit starken Einflüssen des nordischen
Holzbaues, die hier unter der Mitwirkung des geschickten
Holzschnitzers G. Riegelmann eine charakteristische,
dem Zwecke glücklich entsprechende Ausbildung er-
fahren hat. Diese drei Gebäude, die durch ihre Größen-
verhältnisse der Gruppe der Hauptgebäude zuzuzählen
sind, schaffen in ihrem künstlerischen Ausdruck zu

den Schmitz'schen Hauptgebäuden einen bewussten und
angenehmen Gegensatz. Die geringen Mittel, die zu
ihrer Errichtung zur Verfügung standen, sind so haus-
hälterisch verwendet, dass die künstlerische Gestaltung
nicht unterdrückt wurde, und wenn nach Vorbildern ge-
sucht wird, Nutzbauten mit den schlichtesten und doch
zugleich ungemein wirkungsvollen Mitteln künstlerisch
zu gestalten, so können sie in den Bauten des Archi-
tekten Hoffacker gefunden werden Ein gutes Teil der
Wirkung kommt auf die Gruppirung der Baugruppen
des einzelnen Gebäudes, auf die größere Hervorhebung
oder Zurückdrängung einzelner Teile. Und hierin ins-
besondere zeigt sich das architektonische Können.

In ihrer künstlerischen Gestaltung ungemein reiz-
volle Bauwerke kleineren Umfanges sind das Alpen-
panorama von dem Architekten Hockgürtel in Gemein-
schaft mit dem Maler Rummelspacher, das Gebäude der
Tabakfirma Löser & Wolff, sowie das Automaten-
restaurant, beide von //. A. Krause, die Gebäude des Pil-
sener bürgerlichen Bräuhauses, des Münchener Bürger-
bräu, das Volksbrausebad von Solf <& Wichards, eine
Anzahl kleiner Pavillons des Architekten Bruno Möhring,
das Gebäude der Brauerei von Oswald Berliner von
Cremer <(; Wolffenslein, das Tucherbräu von Hoffackcr,
die zahlreichen, über den Park verstreuten antikisiren-
den Trinkhallen von Bruno Schmitz, sowie eine Legion
weiterer Pavillons etc., in welchen talentvolle Künstler
die ganze Fülle ihrer Phantasie und ihres Witzes zum
Ausdruck gebracht haben. In der künstlerischen Ge-
staltung dieser Bauten lassen sich drei ausgesprochene ■
Eichtungen verfolgen, von welchen jede geistvolle Ar-
beiten zeigt. Die eine Richtung benutzt die auf Lehr-
und Grundsätzen aufgebaute überlieferte Kunst und
sucht ihr bei möglichstem Freiheitsdrang so viele künstle-
rische Reize abzugewinnen, als der Bann der Überliefe-
rung es nur irgendwie zulässt. Die zweite Richtung
schließt an die Volkskunst an, greift sie aber an ihrer
natürlichsten Seite, dem Bauernhaus und dem von ihm
abgeleiteten Hause der abgelegenen Gegenden und Ge-
birgsthäler an und sucht diese mit möglichster Treue
nachzuahmen. Die dritte Richtung schließt gleichfalls

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