Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Die Königl. Industrieschule in Plauen i.V.
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0182
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
158

DIE KÖNIGL. INDUSTRIESCHULE IN PLAUEN I. V.

hat, sie, vielen Hindernissen und widrigen Umständen
zum Trotz, auf eine hohe Stufe hinauf zu führen.

Der Wirkungskreis der Königl. Industrieschule
erstreckt sich auf die Textilindustrie des Vogtlandes
und der anschließenden Landesteile, ihre Aufgahe besteht
in der Ausbildung tüchtiger Musterzeichner und weib-
licher Arbeitskräfte für die Industrie. Sie hat ferner
den Zeichenunterricht für andere Gewerbtreibende zu
pflegen und die Ausbildung von Zeichenlehrern für
gewerbliche und andere Lehranstalten zu übernehmen,
sowie jungen Fabrikanten eine ihrem Berufe ent-
sprechende Ausbildung im Zeichnen, "Weben und Sticken
zu vermitteln.

Demzufolge ist die Anstalt eingeteilt in eine
Musterzeichnerschule mit Web- und Maschinenstickab-
teilung, eine Frauenarheitsschnle und eine Fabrikanten-
schule. Außerdem sind mit der Königl. Industrieschule
umfängliche Sammlungen verbunden und zwar: Die
Bibliothek mit Vorbildersammlung und öffentlichem
Zeichensaal, ein Museum für Textilindustrie, eine Samm-
lung von Gipsmodellen und eine solche von Naturalien.

DieMusterzeichnerschulevollmHete zu Michaelis 1895
zum ersten Male nach der Neuorganisation den vorge-
schriebenen vier und einhalbjährigen Kursus. Aus der
vom 28. September bis 7. Oktober 1895 abgehaltenen
Ausstellung dieser Abteilung konnte daher der Erfolg
des Unterrichtes auf Grund des Lehrplanes genau geprüft
werden. Das Ergebnis war befriedigend, so dass der
Lehrplan der Anstalt mit Ausnahme einiger unwesent-
lichen Abänderungen und Ergänzungen zukünftig bei-
behalten werden kann.

Die Ausstellung hat aber auch außerdem gezeigt,
dass die Heranbildung von künstlerisch leistungsfähigen
Musterzeichnern im Sinne der Neuzeit nur in Schulen
vermittels eines vielseitigen, nach jeder Kichtung orga-
nisch entwickelten Lehrplanes und unter der Leitung
tüchtiger, strebsamer Lehrer geschehen kann.

Bei der Heranbildung von Zeichnern ist in der
Königlichen Industrieschule von jeher das Zeichnen und
Malen von Pflanzen und Tieren nach der Natur ganz
besonders berücksichtigt worden, wie auch die aus der
Natur gewonnenen Motive bei dem Entwerfen von
Mustern jederzeit Verwendung fanden.

Schon vor langen Jahren, als diese Erziehungsweise
nur von wenigen verstanden und geachtet wurde, sind
die Schüler der Anstalt auf die Verwendung von Natur-
motiven ohne Berücksichtigung irgend welcher geschicht-
lichen Stilart hingewiesen worden. Da die Richtig-
keit dieses Pflanzenstudiums, als dessen hauptsächlichster
Förderer und Pfleger an den sächsischen Lehranstalten
der frühere Lehrer an der Königlichen Kunstgewerbe-
schule zu Dresden Professor Karl Krumbhol» zu be-
zeichnen ist, gegenwärtig von denkenden Künstlern
wohl kaum mehr bezweifelt wird, die neuzeitliche Kunst

sich vielmehr ganz entschieden in dieser Bahn bewegt,
so hat es die Direktion für angezeigt erachtet, den
Unterricht in der Verwendung von Pflanzen für orna-
mentale Zwecke wesentlich zu erweitern und auf die
stilistische Anwendung von Naturformen bei dem Ent-
werfen von Mustern für Textilindustrie noch mehr Ge-
wicht zu legen, als es früher geschehen ist.

Zahlreiche Beispiele dieser Studien und Entwürfe
enthält die neueste Veröffentlichung von Schülerarbeiten
der Musterzeichner-Abteilung, welche mit Genehmigung
des Königlichen Ministeriums des Innern unter dem Titel
„Musterentwürfe für Textilindustrie" im Buchhandel1)
erschienen ist.

Die Unterrichtsfächer der Musterzeichnerschule zielen
auf eine allgemeine Vorbildung und auf Fachunterricht.
Die erstere umfasst: Zeichnen und Malen von Ornamenten,
von Pflanzen und Tieren nach der Natur, Entwerfen
von Pflanzenornamenten mit Benutzung der Natur,
Linearzeichnen, Projektionslehre, Schattenkonstruktion,
Perspektive, Deutsche Sprache, Rechnen und Buchführung.

Die Fachbildung besteht aus folgenden Disciplinen:
Praktisches Weben, Patroniren, praktisches Maschinen-
sticken, technisches Zeichnen von Mustern für Maschinen-
stickerei, Kopiren von Geweben, Spitzen, Stickereien
u. a. m., Entwerfen von Mustern für Handstickerei,
Maschinenstickerei und Spitzen, Entwerfen von Mustern
für Gardinen- und Stoffweberei.

Der Unterricht im Zeichnen und Malen von Orna-
menten u. s. w. wird nur im Winter, und der Unter-
richt im Zeichnen und Malen von Pflanzen und Tieren
nach der Natur nur im Sommer erteilt.

Die Frauenarbeitsschule hat in der Hauptsache
die Aufgabe, Frauen und Mädchen für die Weißwaren-
konfektion auszubilden, außerdem aber auch den Zweck,
in anderen Fächern der Frauenarbeit soweit zu unter-
richten, dass die 'entlassenen Schülerinnen zur Ausübung
gewerblicher Thätigkeit befähigt werden.

Dass auch diese Abteilung der Königl. Industrie-
schule bemüht ist, der ihr gestellten Aufgabe gerecht
zu werden, erhellt daraus, dass die meisten der nach
beendetem Kursus entlassenen Schülerinnen passende
Stellen als selbständige Directricen oder als Gehilfinnen
solcher erhalten.

Selbstverständlich gehört auch auf diesem Gebiete
längere Übung und Erfahrung dazu, um die Ansprüche,
welche an Leiterinnen der Konfektionsabteilungen in
Fabriken bezüglich des Geschmackes und der Gewandt-
heit in der Herstellung neuer Muster gestellt werden,
in vollem Maße befriedigen zu können.

Durch die in der Schule vermittelte gründliche Vor-
bildung wird aber eine schnelle Erfassung der in der
Praxis gestellten Aufgaben ermöglicht. Der Wechsel
der Mode darf deshalb von der Schule nicht außer Acht

1) Plauen, Chr. Stoll.
 
Annotationen