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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Die Königl. Industrieschule in Plauen i.V.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0184
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160

DIE KÖNIGL. INDUSTRIESCHULE IN PLAUEN I. V.

Plauen verstickt man jetzt sogar echt gefärbte Baum-
wollgarne aller Farbentöne; bei guter Seide und Wolle
steht die Haltbarkeit der Farben überhaupt außer Zweifel.
Dazu kommt noch, dass die für die Sammlungen an-
gekauften modernen Musterstücke nicht einer solchen
Abnutzung ausgesetzt sind, wie es die alten Stoffe waren,
von denen oft nur noch Fragmente übrig sind.

Dass die Vertreter der älteren Richtungen nicht
nur auf diesem Gebiete, sondern überall, wo neue
Strömungen sich Bahn brechen wollen, mit allen Mitteln
zu dämmen suchen und nur allmählich mit dem Strome
steuern, ist eine oft gemachte Beobachtung.

Von den Vorzügen einer Sammlung von Vorbildern
der neuesten Zeit sei nur noch der angeführt, dass die-
selben wegen des Musterschutzgesetzes nicht kopirt
werden dürfen, während dieses bei älteren Vorbildern
unbeanstandet geschehen darf. Es kann daher ange-
nommen werden, dass die Sammlungen älterer Vorbilder
mit zu dem vielgerügten „eklektischen Schematismus"
beigetragen haben, der das Kunstgewerbe, jede neuere
Richtung hemmend, beherrschte, jetzt aber mehr und
mehr einer selbständigeren Kunst weichen muss.

Die Natur ist wieder in ihre Rechte getreten, und
das ist wertvoller, als das Bestreben, immer „stilrein"
im Sinne der geschichtlichen Stilarten zu sein. Die
Kunstgeschichte lehrt, dass die Rückkehr zur Natur
jederzeit ein Zeichen der Gesundung und des Wieder-
aufblühens der Kunst aus schematischer Versumpfung
war, und so dürfen auch wir hoffen, dass uns die un-
befangene Verwendung von Naturformen weit eher zu
dem langersehnten Stile unserer Zeit verhelfen wird, als
das fortwährende Kopiren alter Vorbilder.

Um die Sammlungen der Königlichen Industrieschule
der Bevölkerung der Industriestädte des Vogtlandes und
Erzgebirges zugänglich zu machen, sind durch Ver-
mittelung des Vogtl.-Erzgeb. Industrievereines zu Plauen
alljährlich Wanderausstellungen veranstaltet worden.
Auch in den verflossenen zwei Jahren wurden 12 solcher
Ausstellungen abgehalten. Außerdem fand in Chemnitz
vom 20. Mai bis mit 16. Juni 1894 auf Veranlassung
des dortigen Musterzeichnervereins eine Ausstellung der
Stoffsammlung statt.

Seit dem Jahre 1888 sind nunmehr 40 solcher
Wanderausstellungen veranstaltet worden, wozu 1075
Werke und 15984 Textilgegenstände verwendet wurden.

Der mit diesen Ausstellungen erzielte Erfolg lässt
sich leider nicht statistisch nachweisen, vielleicht erhellt
er aber daraus, dass 326 Fabrikanten und Muster-
zeichner durch ihren Beitritt zum Industrievereine zu
erkenneu gegeben haben, welche Wichtigkeit für die
Industrie sie der Nutzbarmachung der hiesigen Samm-
lungen beimessen.

Freilich hat sich gezeigt, dass Wanderausstellungen
dem Zwecke nur vorübergehend genügen; es ist als not-
wendig hingestellt worden, derartige Vorbilder dauernd
zur Verfügung zu haben. Diesem Bedürfnisse ist durch
Errichtung von ständigen Vorbildersammlungen zunächst
in Eibenstock und Annaberg vor 2 und 3 Jahren ent-
sprochen worden, während im verflossenen Jahre sich die
Städte Falkenstein, Frankenberg, Glauchau, Meerane und
Auerbach darum beworben haben.

Mit der Verwirklichung dieser Unternehmungen
dürfte die regelmäßige Abhaltung von Wanderaus-
stellungen abgeschlossen sein und an ihre Stelle eine
jährlich vier- bis sechsmalige Auswechslung von Gegen-
ständen aus den Sammlungen der Königlichen Industrie-
schule treten. Die Bibliothek einer jeden ständigen
Vorbildersammlung ist Eigentum der betreffenden Stadt.
Zur Beschaffung von kunstgewerblichen Werken für
diese Sammlungen hat das Königliche Ministerium des
Innern bisher Unterstützungen gewährt und zwar für
Eibenstock und Annaberg je 1000 M. jährlich. Die
Leitung dieser Vorbildersammlnngen besorgt der Direktor
der Industrieschule als Geschäftsführer des Vogtl.-Erzgeb.
Industrievereines.

Eine schwierige Aufgabe für die Leiter von kunst-
gewerblichen Fachschulen liegt darin, die Thätigkeit der-
selben in intime Beziehungen zu den Gewerben und der
Industrie zu bringen.

Namentlich wird diese Schwierigkeit für Kunst-
gewerbeschulen in solchen Städten recht unangenehm
fühlbar, wo bestimmte Kunstindustriezweige nicht sess-
haft sind. Die Königliche Industrieschule zu Plauen ist
in der glücklichen Lage, dass ihr durch die hochent-
wickelte Textilindustrie des westlichen Sachsens der
Weg genau vorgeschrieben ist, den sie zu verfolgen hat.
Bildet die Anstalt einerseits eine Centralstelle, welche
die vorwärtsstrebende Industrie durch Heranbildung
tüchtiger Hilfskräfte und reiche Vorbildersammlungen
unterstützt, so werden der Schule andererseits durch die
fortschreitende Industrie immer wieder neue Aufgaben
gestellt. Zudem ermöglicht die weitverzweigte und
mannigfach gegliederte Textilindustrie des Vogtlandes
und Erzgebirges, den Wirkungskreis der Anstalt auch
auf andere Städte auszudehnen. Durch das Zusammen-
wirken glücklicher Umstände ist es daher der König-
lichen Industrieschule vergönnt gewesen, sich wie kaum
eine andere Anstalt in den unmittelbaren Dienst der In-
dustrie zu stellen und kräftig an der Entfaltung derselben
mitzuwirken, gemäß der ihr von der Regierung ge-
stellten Aufgabe.
 
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