Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Liebetanz, F.: Eine moderne Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0216
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
188

EINE MODERNE KUNST.

Teil eines Stuekfi

der Fassade des Chemiegebäudes (Architekt II. Grisebach)

auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896, modellirt von Bildhauer üiesecke, Berlin.

man die mühsame Arbeit des Formens und Gießens,
ferner die nur von kunstgeübten Leuten auszuführenden
Kupfertreibarbeiten, ihre umständliche Zusammenfügung
und hierdurch erhöhte Kostspieligkeit bedenkt, so muss es
wirklich wunderlich erscheinen, dass man sich nicht mehr
und ausgiebiger der Galvanoplastik bedient. Die größten
und komplizirtesten Partieen kann man zusammenhängend
darstellen und diese ganze Nachbildung macht sich so-
zusagen von selbst. Das ganze Werk wird immer viel
geschmakvoller, gefälliger, lebenswahrer ausfallen wie
die gegossenen Arbeiten. Eins hat die getriebene Arbeit
allerdings voraus, das ist die genaue Nachahmung ge-
wisser Teile einer Figur, die sich in Thon, also auch
galvanoplastisch nicht so präcise ausführen lassen Hier-
her gehört z. B. ein vorspringender Rockzipfel, ein lose
gehaltenes Buch, das man durch Einsetzen der einzelnen
Blätter täuschend nachbilden kann, oder Blumen, Feder-
büsche u. s. w., doch, — und das ist typisch — unsere
modernen Treibkünstler pressen ihre freie Phantasie in
den Rahmen der Bildhauerkunst und geben hierdurch einen
ihrer bedeutendsten Vorteile, vielleicht unwissentlich, auf.
Arbeiten sie jedoch genau nach den Bildhauermodellen,
so haben sie wohl den Ruhm größerer Kunstfertigkeit
für sich, aber in individueller Nachbildung des Modells
ist ihnen die Galvanoplastik unbedingt voraus. Wie
großen Ansprüchen die Galvanoplastik zu genügen im-
stande ist, zeigen die formschönen Nachbildungen der
Geislinger Kunstanstalt, und zahlreiche größere Denk-
mäler, Brunnenbeleuchtungs- und Gartenfiguren sowie
Ornamente sprechen eine beredte Sprache.

Die Dichtigkeitsversuche haben ergeben, dass gal-
vanisch niedergeschlagene Bleche von 5 qcm Fläche und
nur 0,15 mm Dicke einem Wasserdruck von 20 Atmo-

sphären Widerstand geleistet haben.
Proben hiervon, die unmittelbar und
ohne Bearbeitung oder Glühen dem
Bade entnommen waren, wurden der
kgl. chemisch-technischen Versuchs-
anstalt in Charlottenburg zur Prü-
fung übergeben, welche mit diesen
Proben folgende Ergebnisse erzielte:
Das Kupfer ist chemisch rein; das
specifische Gewicht ist 8,93; die
Zugfestigkeit ist 26,9—27 kg gegen
18—26 kg des gewalzten Kupfers.
Ist somit die Wichtigkeit des elek-
trolytischen Kupfers dargelegt, so
ist es mehr Sache der Technik, auf
diese Punkte einzugehen; hinsicht-
lich der Kunst kommt nur die Mög-
lichkeit einer vollendeten Ausführung
in Betracht, welche wohl keinem
Zweifel mehr unterliegen dürfte. Die
Galvanoplastik setzt uns in den
Stand, unser Heim, sowie Gebäude,
Plätze, Anlagen, Friedhöfe mit wahren Kunstwerken
ausgiebig zu schmücken; denn der Preis für ein solches
ist mäßig und die Modellkosten sind um so geringer, je
mehr Kopien angefertigt werden. Dass aus diesem Grunde
die Galvanoplastik profanirt wurde und die beliebig
vielfache Vervielfältigung vor kurzer Zeit mit dem Maler
und Photographen verglichen wurde, beruht zum Minde-
sten auf einem leichtfertigen Urteil. Derjenige, der
ein galvanoplastisches Kunstwerk allein sein eigen nennen
will, braucht die Vervielfältigung des auf seine Kosten
hergestellten Modelies einfach nicht zu gestatten, da es
ja in diesem Falle sein Eigentum ist, demjenigen aber,
der nicht die hohen Kosten erschwingen kann, wird eine
Vervielfältigung für einen verhältnismäßig niedrigen
Preis geboten.

Hierdurch wird die Anwendung der galvanoplasti-
schen Kunstwerke weite Ausdehnung gewinnen, und dieser
Umstand wirkt veredelnd auf die ganze Nation. Die
Kunst ist das Herz und die Seele des Volkes, dadurch
wird es begeistert, erhoben und ideal gekräftigt. Deshalb
ist eine möglichst weite Verbreitung von guten Kunst-
werken ein dankenswertes, edles Werk des Friedens.
Die plastischen Kunstwerke, seien es soche, die in
Stein oder Marmor, in Erz oder Kupfer, gemeißelt, ge-
gossen, getrieben oder mit Hilfe der Elektrolyse erzeugt
worden sind, sind aber noch viel zu spärlich verbreitet,
die patriarchalischen Ansichten unserer Behörden herrschen
noch viel zu sehr vor, und der private Kunstsinn ist
viel zu selten, als dass man von einer Einwirkung der
plastischen Kunstwerke auf das Volk sprechen könnte.
Sehen wir hin nach den klassischen Reichen des Alter-
tumes! — Wandern wir im Geiste durch die säulen-
durchzogenen Straßen, die mit Bildhauerwerken überreich
 
Annotationen