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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Die Berliner Gewerbeausstellung 1896, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0220
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192

DIE BERLINER GEWERBEAUSSTELLUNG 1S96.

Teil eines Stuckfrieses an der Fassade des Chemiegebäudes

(Architekt H. Griseisach) auf der Berliner Gewerbeausstellung 1880,

modellirt von Bildhauer Giesecke, Berlin.

zusteigen. Nicht leicht eine andere Kunst wie die des
Möbels ist dem einen die hehre Göttin, dein andern
die melkende Kuh. Für die Berliner Möbelausstellung
von 1896 war sie mit wenigen Ausnahmen die melkende
Kuh. Und das ist um so betrübender, als alle tech-
nischen Voraussetzungen für eine solche und technisch
kunstgerechte Gestaltung des Innenraumes und seiner
Ausstattung vorhanden sind. Was im übrigen unter
verständnisvoller künstlerischer Leitung geschaffen
werden kann, dafür sind Beispiele die Innenräume von
Krieg & Görke, die Wilhelm Otto Marsch entworfen
hat, die aber zweifellos nicht in allen Teilen im Sinne
dieses feinfühligen Künstlers ausgefallen sind, das von
Prof. Alfr. Messel entworfene feine und stimmungsvolle
Ministersitzungszimmer für das neue Landtagsgebäude
mit seinen ausgezeichneten, ohne Feile behandelten
Schnitzereien, die unter der Leitung Taubert's am Kunst-
gewerbe-Museum gefertigt sind, und die ausgezeichneten
Entwürfe für Klaviere von Prof. Max Koch. In allen
diesen Sachen steckt eine feine und vertiefte künstlerische
Empfindung. Aber sie sind die wenigen Fettaugen auf
einer langen mageren Suppe.

Was im übrigen unter verständnisvoller Mitwirkung

der Architekten und durch langjährige Schulung an der
Architektur geleistet werden kann, das zeigen die Er-
zeugnisse der Schmiedekunst. Gewiss giebt es auch
hier Unmöglichkeiten, Fälle, in denen eine ausgelassene
Phantasie unumschränkt walten konnte, aber der nötigen
Schulung und technischen Fertigkeit entbehrte. Aber sie
sind hier ebenso spärlich, wie auf dem vorhin be-
sprochenen Gebiete die guten künstlerischen Leistungen.
Es hieße Wasser in die Spree tragen, wollte man die
Arbeiten der Finnen E. Puls, Hiüerscheid & Kasbaum,
Markus, Schulz & Holdcflciß, Krüger und Miksits in
ihren Arbeiten eingehender behandeln. Sie sind so be-
kannt und so oft bewährt, dass es mit der Feststellung
der Thatsache genügen mag, dass sie der Ausstellung
nicht fern geblieben sind. Was hier geschmiedet und
getrieben wurde, zeigt bei technischer Vollendung eine
kraft- und verständnisvolle Behandlung des Eisens unter
Beobachtung der weitgesteckten Grenzen, die diesem
ausgezeichneten Material zugewiesen sind. Die Ver-
bindung desselben mit anderen Metallen findet sich vor-
wiegend nur an besonderen Zierstücken, polychrome
Behandlung stellenweise, Gusseisen fehlt ganz, obwohl
ich mir denken könnte, dass man auch ihm bei ent-
sprechender künstlerischer Verwertung neue Seiten ab-
zugewinnen vermöchte, die freilich wesentlich verschieden
sein müssten von der Gusseisenbehandlung der seligen
ersten 70 Jahre unseres Jahrhunderts. Kein Material,
das brauchbare technische Eigenschaften besitzt, ist so
schlecht, dass es nicht nach bestimmten Kichtungen hin
unter Umständen auch eine bescheidene künstlerische
Verwertung finden könnte.

An die Erwähnung der Eisenschmiedekunst sei
gleich die Kunst der Edelmetalle gefügt, in welcher
die Berliner Erzeugnisse einen achtunggebietenden
Rang einnehmen. Namentlich die Kunst des Silberge-
rätes ist seit Jahren durch große Aufträge gefördert
worden. Die Firmen D. Vollgold & Sohn, Sy & Wagner,
Gebr. Friedländer, J. IL Werner haben ausgezeichnete
Stücke zur Ausstellung beigetragen. In Adolf Hcgden,
Otto Lessing, Rohloff, Graf Harrach besitzen sie eine
Eeihe künstlerischer Mitarbeiter ersten Ranges. Und
doch fehlt das verblüffend Neue, das unbedingt Frische,
welches in der allerletzten Zeit die Kunst des Zinnes
sich zu verschaffen gewusst hat. Das Rokoko überwiegt,
und wo die menschliche Figur, sei es als selbständiges
Motiv oder in ornamentaler Binsicht verwendet ist,
da zeigt sich in ihrer Auffassung kein neuer Zug, son-
dern die genügend bekannte Behandlung der Formen.
Und das Silber ist doch so geschmeidig und nachgiebig!
Große Freude hat uns die frische Auffassung und treff-
liche Modellirung und Ciselirung des Vollgold'schen
Services gemacht. Vorzügliche Stücke in einer von
historischen Reminiscenzen glücklich befreiten Formen-
gebung hat J. H. Werner ausgestellt. Amerika und
Japan haben ihm die Vorbilder geliehen. In Schmuck-
 
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