Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

DOI Artikel:
Hellwag, Fritz: Die grossherzogliche Kunstgewerbeschule in Weimar: Direktion: Henry van de Velde [zugehörige Abbildungen siehe auch auf den folgenden Seiten]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0230

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GROSSHERZOOL. KUNSTGEWERBESCHULE IN WEIMAR

223

n Wer wohl mag dem Großherzog von Weimar ge-
raten haben, gerade in jenen Zeiten der Verfolgung
durch eine ungerechte Kritik den verkannten Künstler
Van de Velde nach Weimar zu berufen, mit der Auf-
gabe, den Hof künstlerisch zu beraten? Wir wissen
es nicht, doch sei ihm und dem Großherzog, der
mutig der öffentlichen Meinung trotzte (wie schwer
ist’s doch gerade in künstlerischen Dingen!), der Dank
aller, denen die Entwicklung der Kunst am Herzen
liegt, ausgesprochen. Van de Velde kam und hat zahl-
reiche Aufgaben mit reichem Können gelöst. Mit sich
brachte er auch das Pfund, mit dem zu wirtschaften
ihm sein Genius befohlen hatte. Er, der von der
breiten Öffentlichkeit so schmählich mißverstanden
worden war, schaffte sich in aller Stille einen intimen
kleinen Schülerkreis. Sein fürstlicher Mäzen inter-
essierte sich für solches Streben, und es gelang mit
seiner Hilfe, aus dem Privat-Lehratelier eine öffent-
liche Kunstgewerbeschule zu entwickeln. Sie besteht
nun schon drei Jahre und ist einzig von Van de Velde-
schem Geiste erfüllt. Dies allein würde ihre Existenz-
berechtigung schon beweisen, denn Van de Velde ist
ein so eigenartiger Künstler, daß ihm ausgiebigste
Mittel zur Durchbildung und Verwirklichung seiner
Ideen gegeben werden dürfen. Was er schafft und
lehrt, muß unter allen Umständen wert sein, gepflegt
und erhalten zu werden. Aber nicht nur abstrakter,
sondern recht konkreter Nutzen reift hier seiner Ernte
entgegen. Nicht nur, daß zahlreiche Schüler für ge-
wisse Praxis ausgebildet oder ihr künstlerisch gehoben
zurückgegeben werden, nein, Van de Velde selbst ist
mit der Lehrtätigkeit auch in seiner eigenen Kunst
erheblich fortgeschritten. Will er jetzt den friedlichen
Ausgleich, so ist wohl bald die Zeit gekommen, in
der dem grollenden Kunstphilosophen aus Weimar
der ehemals mißglückter Einfluß auf unser künst-
lerisches Leben in ausgedehntem Maße möglich
werden könnte. Aber, ein »Ausgleich« muß voll-
zogen werden; ich werde erklären, in welcher Be-
ziehung. Es scheint so, daß Van de Velde selbst
ihn schon vorbereitet hat und mit dieser Schüler-
ausstellung seine Bereitwilligkeit zu ihrem Vollzüge
andeuten wollte. n
n Als ihm der »Jugendstil« so grausam die öffent-
liche Resonanz verdorben hatte, und als festgestellt
war, daß die Zeit noch nicht reif war, Form und
Ornament gleichzeitig zu schaffen oder in Einklang
zu bringen, begann Van de Velde, das Ornament ganz
selbständig zu behandeln und zunächst sein Wesen
und seine Gesetzmäßigkeit für sich allein zu ergründen.
Seine Versuche gingen von der Linie aus und bald
beherrschte er die ornamentale Belebung der Fläche
vollkommen. Das Leben der Fläche drängte dann in
die dritte Dimension und ein plastisches Ornament
wurde geboren. In der letzten Entwicklungsstufe er-
strebten ornamentale Fläche und Plastik gemeinsam
die Gestaltung und Umschließung des Raumes, auch
wurden jetzt von ihnen, und zwar aus sich selbst
heraus, architektonische Ziele verfolgt. Und hier nun
stellten ernste Schwierigkeiten sich ein: das Orna-
ment kann niemals Architektur werden, denn diese


Ornament-Entwurf von Wolfgang Brand


Ornament-Entwurf von Kurt Schindler


Ornament-Entwurf von Margarete Otto

34
 
Annotationen