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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Kunstgwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0145

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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I Jo

hauptsächlich dadurch, daß er versucht, aus der Technik,
den sachlichsten Grundlagen mit ihren Bedingtheiten und
Bedingungen die Art jeder Gattung der Kunst zu ziehen.
□ So entstand ein Buch, das just auch für den Laien ge-
schrieben ist, der seinem Kunstgefühl klarere Richtung zu
geben versucht, und sich nach einem leitenden, nicht wägen-
den Geist, nach tatsächlichem, nicht subjektivischem Be-
trachten nach persönlich bedingten Vorstellungen umsieht.
Der Wunsch des unsicheren Laien, zu wissen, was Kunst
denn »eigentlich« und »wirklich« sei, wird in außerordent-
lich glücklicher Weise befriedigt, ohne daß Trockenheiten
entstehen. Die Komprimierung der Analysen (die unsere
modernsten Anschauungen berücksichtigen) in die Dispo-
sition macht freilich die Lektüre nicht leicht. Aber, das
zu umgehen, konnte nicht die Aufgabe Waetzoldts sein. □
□ Ein reicher Bilderband als Illustration ist beigefügt. Auf
den ersten Blick freilich scheint alles sehr unübersichtlich
und unordentlich zusammengestellt. Aber bald überzeugt
man sich, daß die Reihenfolge durchaus mit dem, was
Waetzoldt will, ihre notwendige Bedingung trägt. — □
o Alles in allem ist Waetzoldts Buch eine Arbeit, deren
Bedeutung für den Autor, für das Verständnis des Laien
in Kunstdingen und besonders für die lebendige Entwick-
lung der Kunstwissenschaft nicht leicht zu überschätzen ist.
Herbert Mlie.
Walter Tröltsch, Volkswirtschaftliche Betrachtungen über die
Mode. Marburger akademische Reden 1912, Nr. 27.
Marburg, N. G. Elwertsche Verlagsbuchhandlung, 1912.
□ Diese Rede bildet eine willkommene Ergänzung des
höchst sachlichen Nationalökonomen zu den Betrachtungen,
die von seiten reiner Psychologen (Vischer), Soziologen
(Simmel) und Sozialtheoretiker (Sombart) über das Problem
der Mode angestellt worden sind. In der vollkommenen
Objektivität der Schilderung wirtschaftlicher Beziehungen,
ökonomisch relevanter Verknüpfungen zwischen Mode und
Volkswirtschaft liegt die wirkliche Bedeutung dieser Schrift.
Sehr dankenswert ist die Klarheit der Problemstellung in
einer Zeit harmlosen Ächzens und groben Scheltens auf
und über das »Modische« im gesamten Gesellschaftsleben.
Die Gründe eines gesellschaftlichen Gebildes zu er-
kennen, sie in ihrem Ablauf deutlich zu verfolgen, letzten
Endes ihren Bestand somit ruhig zu begreifen, ist die Auf-
gabe aller Wirtschafts- und Sozialforschung. Damit hilft
sie dem befangenen Ethiker, dem einseitig verurteilenden
Ästhetiker, wie dem nüchtern berechnenden Wirtschafts-
menschen auf die theoretisch gesunden Beine. Mit der
klaren Perspektive ihrer Ergebnisse vermögen die Bilder
und Eindrücke des jeweiligen Beurteilers sich hinterher
zweckmäßig zu verschieben. Je nach den geistigen Kom-
plexen, in denen er befangen erscheint. Dies wird Sache
der Weltanschauung, des individuellen Urteils- oder Ab-
urteilungsvermögens sein. Die konkreten Unterlagen der
tatsächlichen Ursachen aber werden immer die gesunde
Brücke bleiben, auf denen dieser Einzelne in seinen eigenen
Wertehimmel hinüberschreitet. □
o Um so bedenklicher muß es erscheinen, wenn zu ein-
zelnen Teilen einer ökonomisshen Betrachtung die gesonderte
menschliche Position des Mitteilenden in Verbindung ge-
bracht wird, wie dieses auch bei Tröltsch leider zu mehreren
Malen der Fall ist. — □
□ Den einzelnen Gedankengängen eindringlich nachzu-
spüren, ist im Rahmen dieser Kritik nicht angezeigt. Es
muß genügen, auf die dispositiven Folgen hinzuweisen und
das Wichtige zu unterstreichen. n
□ Im Verlaufe seiner richtigen Deduktion vom Entstehungs-
prozeß der Mode, die er im modernen Kapitalismus ver-
ankert sieht und seinen Teilfunktionen: Massennachfrage,
Massenerzeugung, Wettbewerb, Großbetrieb bestimmend

zuweist, behandelt Tröltsch die Frage nach der Bedeutung des
Konsumenten in diesem Prozesse von einem psychologisch
wie ökonomisch anfechtbaren Standpunkte aus. Produzent
und Händler sind ■— nach ihm — die Faktoren, aus deren
Zusammenklang die Tonwelle der Mode entspringt und
verläuft. Ich glaube das nicht. Ich glaube nicht, daß »die
Frage nach der Entstehung neuer Moden sich, wenn man
die letzten Konsumenten der Regel nach, ausschalten kann
darauf konzentriert, ob der Produzent oder der Händler
die Mode machen«. Vielmehr glaube ich, daß die Mode
wenn sie es auch treibt »wie ein unartiges Kind, das keine
Ruhe gibt, es nicht anders tut als zupfen, rücken, umschieben,
strecken, stürzen, einstrupfen, nesteln, krabbeln, zausen,
strudeln, blähen, quirlen, schwänzeln, wedeln, kräuseln, auf-
bauschen, kurz ganz des Teufels, jeder Zoll ein Affe ist«
(Vischer, Mode und Zynismus), es trotzdem nicht allzu
äffisch treiben darf, um Menschen zu gefallen. Es hat sich
weder der Humpelrock, noch der obszön geschlitzte Pariser
Kokottenrock eingewöhnen können. Van de Veldes kalte
Verstandesarbeiten sind, trotz eifriger Inszenierung von Pro-
duzenten und Händlern, ohne nachdrücklichen Widerhall
geblieben. Ohne Mühe ließen sich diese Beispiele ver-
mehren. — Nicht das Angebot schafft die Mode — und
auch nicht die Nachfrage. Aus dem Zusammenwirken beider
Kräfte, die wiederum in sich selbst teils psychisch durch
die Bedürfnisse und deren Relationen bestimmt, teils öko-
nomisch von Geldmarkt-, politischen und anderen Trieb-
kräften beeinflußt werden, entsteht die einzig maßgebende
Resultante: die Konjunktur, der Markt. Daß hierbei der
Händler- und Produzententätigkeit eine überragende Rolle
in der Bildung der Mode zuzusprechen ist, soll nicht ge-
leugnet werden. Einzig bestimmend aber ist sie nicht. —
Im Verlaufe seiner Abhandlung weist Tröltsch selbst (freilich
ohne es zu wollen) darauf hin. Mit feiner Einsicht betont
er dort das Aufregende einer Ausmusterung, schildert er,
daß oft »im letzten Moment die erste Musterkollektion zu-
rückgezogen und in fliegender Hast nachgemustert werden
muß, ,weil die Mode Überraschungen gebracht hat1«. Nicht
doch! Weil das närrischste Gigerl bestimmten Effekten der
Mode gegenüber seinen gesunden Verstand behält! Deshalb!
□ Des weiteren spricht Tröltsch von der Bedeutung des
Zwischenhandels in modischen Waren. Die selbständige
Vertriebsorganisation als Adlatus des Großbetriebs gilt ihm
für »ganz unentbehrlich«. Auch dies kann nicht uneinge-
schränkt zugegeben werden. Es gibt gewiß Modewaren,
namentlich für den weiblichen Verbrauch, die ohne Rück-
sicht auf irgend einen Qualitätswert, lediglich der Gefall-
sucht, des Neides auf die Nachbarin oder der wechselnden
Laune zuliebe, gehandelt werden. Und zweifellos sind diese
Gegenstände auf dem Modemarkt heute noch in der Über-
zahl. Für sie trifft das von Tröltsch angeführte in vollem
Umfange zu. Weit weniger schon gilt seine Bemerkung,
wo es sich um den Absatz bestimmter Modeartikel handelt,
die ihre Herkunftsstelle aufweisen, den Namen ihres Ver-
fertigers tragen sollen. Für diese gilt, da sie meist den
Titel »Qualitätswaren« führen, das an anderer Stelle in
diesem Blatt bezüglich gesagte: Über die Ausschaltung des
Zwischenhandels in qualitätsbestimmten Industrien. Ganz
und gar unrichtig aber wird seine Beobachtung, wo es sich
um den Absatz kunstgewerblicher Waren handelt, die als
»Bruno Paul, Richard Riemerschmid, Peter Behrens usw.«
gehandelt werden wie ehemals Achenbach, Spitzweg und
Schwind. Hier tritt an die Stelle des Kaufs unpersönlicher
Waren das höchst subjektive Verhältnis, das unter Ver-
drängung aller Mittelspersonen vom letzten Konsumenten
zum ersten Produzenten vordringt. □
□ Da wir uns hier um Qualitätsarbeit bekümmern, so darf
auch die Stellungnahme Tröltschs zur Frage der Einwirkung
 
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