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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Kunstgwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0146

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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der Mode auf die Qualität der Erzeugnisse nicht unbeachtet
und ungerügt bleiben. Er meint: »Auch den Vorkämpfern
für Qualitätsarbeit ist die Qualitätsschleuderei ärgerlich.
Aber man darf dabei nicht übertreiben; man wird ihnen
namentlich entgegenhalten können, daß andererseits unter
dem Einfluß dieser Surrogierungstendenz die Technik viel-
fältige Anregungen empfangen hat und große Industrien
dieser Demokratisierung des Modebedarfs ihr Dasein ver-
danken, wie die Herstellung von Double-, Neusilber-, Zellu-
loidwaren und von Kunstseide (sic!) . . Im übrigen ergibt
sich, daß der Modewechsel trotz der in jeder Saison ,neu
auftretenden Qualitätsversch/echterung‘ einen hervorragenden
erzieherischen Einfluß ausübt (!!!), da er die Produktion vor
immer neue Aufgaben stellt.« Das klingt beinahe wie ein
Aufruf an die Unternehmer aller Industrien und Handwerke
zum Lustig - Drauflos - Produzieren, sei dem wie es auch
wolle. Wirtschaftskrisen als Folgen der Überproduktion,
Materialfälschung, Preisunterbietungen, wütender Kon-
kurrenzkampf, der in Ethik und Sozialpolitik seine bittersten
Feinde sieht, aller Unsinn einer zwecklosen Neubelebung
und Umbildung der Wirtschaftskörper nur um ihrer selbst
willen, scheinen zu unwichtigen Nebenerscheinungen hin-
abgerückt, die Produktion als Selbstzweck formuliert zu sein.
Denn — so lesen wir — der Modewechsel übt »einen her-
vorragend erzieherischen Einfluß aus, da er die Produktion
vor immer neue Aufgaben stellt«. — Ist denn die Erkenntnis
von der Notwendigkeit einer Neuregelung der Produktion
wirklich noch nicht den gelehrten Köpfen vertraut ge-
worden? Sollen wir glauben, daß selbst in den Höhen
objektiver Wissenschaften die alte manchesterliche Lehre
noch nicht erstorben ist, die zwischen Produzieren (Form-
veränderungen vornehmen in Stoff und Kraft) und Werte-
schaffen das Gleichheitszeichen setzte? Sollen wir ernsthaft
daran festhalten, die Wirtschaftswissenschaft als die Lehre
zu begreifen, aus deren Schoß die letzte Erkenntnis auf-
wächst: mit den kleinsten Mitteln das größte Ziel zu er-
reichen?— Wir können es nicht. Wir sehen am Horizont
den Glauben an die deutsche Qualitätsarbeit immer festere,
eng umrissene Grenzen erhalten, sehen auf wirtschaftlicher
Unterlage die Ethik der Produktion (für Produkt und Pro-
duzenten) stärker und stärker werden und sehen einer Zeit
entgegen, in der unser Volk die geistigen und technischen
Waffen kraftvoll um eine Idee versammeln wird, die in der
»Durchgeistigung der deutschen Arbeit« ihren besten Titel
bekommen hat. Das sei unser Credo. Dr. Bruno Rauecker.
PREISAUSSCHREIBEN
□ Berlin. Neubau des Kgl. Opernhauses zu Berlin. Der
Bund Deutscher Architekten sandte an den Herrn Minister
der öffentlichen Arbeiten und die Mitglieder des Hauses
der Abgeordneten folgendes Schreiben: »Durch den vor-
läufigen Beschluß des hohen Hauses der Abgeordneten
vom 13. Februar dieses Jahres ist die Frage des Neubaues
des Königlichen Opernhauses von neuem in den. Mittel-
punkt des öffentlichen Interesses getreten. Es muß aner-
kannt werden, daß dieser Beschluß in der Absicht gefaßt
wurde, den Wünschen weiterer kunstliebender Kreise hin-
sichtlich der Gewährleistung einer künstlerisch befriedigenden
Planung des Neubaues Rechnung zu tragen; insofern als
zunächst die Planverbesserungen, die durch das Ergebnis
des vorigjährigen Ausschreibens sich als möglich erwiesen,
berücksichtigt werden sollen und ferner die Heranziehung
eines freien Künstlers zur Mitarbeit empfohlen wurde. Im
ersten Teile dieses Beschlusses liegt die Anerkennung, daß
auf dem Wege der Beteiligung einer größeren Zahl von
Künstlern an der Bauaufgabe wesentliche Verbesserungen
der früheren Projekte erzielt worden sind, obwohl nach

dem Urteile der Akademie des Bauwesens noch keine voll-
kommene Lösung gefunden worden ist und nach dem bis-
herigen Bauprogramm auch kaum gefunden werden konnte.
Es muß nun besonders hervorgehoben werden, daß dies
auch gar nicht der Zweck und deshalb auch nicht der Er-
folg des letzten Skizzen-Ausschreibens sein konnte; sollte
doch durch dasselbe nur versucht werden, den Beweis zu
erbringen, daß auf dem Wege einer allgemeineren Be-
teiligung der Künstlerschaft überhaupt noch Verbesserungen
gegenüber den bisherigen Entwürfen zu erzielen seien, um
damit das Vorurteil gegen einen öffentlichen Wettbewerb
zu beseitigen. Nachdem nun dieser erste auf dem Boden
eines noch unsicheren Programms getane Schritt schon die
anerkannten Erfolge gezeitigt hatte, hegte man in den
Kreisen der Architektenschaft die sichere FIoffnung, daß das
Erreichte die maßgebenden Instanzen dazu bewegen würde,
dem ersten noch schwankenden Schritte auf diesem Wege
den weiteren in ein richtig vorbereitetes Arbeitsfeld folgen
zu lassen, um von diesem dann eine durch die bisherigen
Erfahrungen gereifte Frucht höchsten künstlerischen Strebens
zu ernten. Statt dessen ergibt sich aus den gepflogenen
Beratungen der Budgetkommission und des Plenums
wiederum, daß die Abneigung gegen einen allgemeinen
Wettbewerb trotzdem noch nicht geschwunden ist, und man
glaubt eine bessere Gewährleistung für die künstlerische
Förderung des Bauvorhabens darin zu finden, daß man
der Staatsregierung empfiehlt, einen freien Künstler zur
Mitarbeit heranzuziehen, der gemeinsam mit den Beamten
des Arbeitsministeriums die Aufgabe lösen soll. Damit
wurde die Verantwortung für das Gelingen des größten
Monumentalwerkes, das die deutsche Baukunst wohl in
diesem Jahrhundert schaffen wird, zunächst wieder allein
auf die Schultern des in Frage kommenden Ministeriums
gelegt, dem bezüglich der Wahl eines Mitarbeiters freie
Hand gelassen wurde. Im Gegensatz dazu hätte in diesem
Stadium der Entwicklung die deutsche Künstlerschaft er-
warten dürfen, daß gerade für die Wahl dieses Mannes
der besondere Befähigungsnachweis gefordert werden würde;
ein Nachweis, der auf Grund der bisherigen Entwurfs-
leistungen noch nicht erbracht wurde und der nur zu er-
halten ist auf Grund eines nochmaligen allgemeinen Wett-
kampfes, der dann aber auch endlich einmal unter den-
jenigen gerechten Bedingungen geführt werden müßte, die
für die Wettbewerbe auf dem Gebiete der Kunst anerkannt
und maßgebend sind. Das die bisherigen engeren Wettbe-
werbe und die unbestimmt gehaltene Skizzen-Ausschreibung
noch keinen durchschlagenden Erfolg aufweisen konnten,
ist kein Grund, einem richtig vorbereiteten und entsprechend
dotierten Preisausschreiben mit Mißtrauen zu begegnen.
Auch der Einwand, daß bereits die besten Kräfte sich an
der Aufgabe bemüht hätten, ist nicht stichhaltig. Gerade
die wiederholten Bemühungen vieler und nicht eines ein-
zelnen haben zur Klärung und Förderung des Bauvor-
habens beigetragen, und deshalb wäre es ungerecht, die
Ergebnisse all dieser Anstrengungen ohne triftigen Grund
jetzt nur einem Einzelnen zur weiteren Fruchtentwicklung
in den Schoß zu legen. Man bedenke doch auch, daß
Garnier, der Schöpfer des hervorragendsten Theaterbaues,
der Pariser Oper, nicht etwa von einer Behörde unter den
französischen Architekten ausgesucht wurde, sondern daß er,
der nie vorher ein Theater gebaut hatte, auch erst nach
zweimaligem Wettbewerbe als Sieger auf den Schild ge-
hoben wurde. Noch ist es nicht zu spät, auch bei uns
diesen offen und gerade auf das ersehnte Ziel führenden
Weg zu beschreiten. In letzter Stunde hält es deshalb die
Vertretung des Bundes Deutscher Architekten für ihre
Pflicht, an das hohe Haus der Abgeordneten die dringende
Bitte zu richten, den Beschluß vom 13. Februar ds. Js. in
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