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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Hellwag, Fritz: Der Wettbewerb um die zweite Rheinbrücke bei Köln: der Entwurf "Kunst und Technik" von Peter Behrens
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0165

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ENTWURF EINER RHEINBRÜCKE BEI KÖLN

1 KQ
1 Do

Entwurf »Freie Bahn« nicht auf »Neuzeit, Variante« habe
zurückgehen können, weil dieser nicht die Merkmale ent-
halten hätte, die das geistige Eigentum von »Kunst und
Technik« darstellen sollen. Und weil der Entwurf »Neu-
zeit, Variante« in allen Fachkreisen unbekannt und Ab-
bildungen danach nicht aufzutreiben waren, so mußte die
Dortmunder Union eine von der Gegnerin erwirkte einst-
weilige Verfügung über sich ergehen lassen, die ihr für
drei Wochen die Wiederholung der Plagiatbehauptungen
untersagte. Wie man hört, wird es nun doch wohl zwischen
den beiden Firmen zu einem Urheberrechtsprozeß kommen,
auf dessen Ausgang man nicht nur deshalb gespannt sein
darf, weil hier ein Künstler wie Peter Behrens als Kläger
auftritt, sondern weil es sich bei seinem Entwurf um eine
ganz neue und in die Zukunft deutende ästhetische Formu-
lierung einer Aufgabe, die bisher einseitig entweder vom In-
genieur oder vom Architekten oder durch eine geistlose
Addierung der beiden gelöst worden war, handelt! □
□ Aus der Begründung des Entwurfs »Kunst und Technik«
durch deren Verfasser: Dortmunder Union und Peter
Behrens, heben wir folgende Stellen hervor: »Bei dem
Vorhaben der Stadt Köln sollte es sich nur um ein Bau-
werk handeln, das nicht wie bisher rechnerische Konstruktion
des Ingenieurs und schulmäßige Architektur nebeneinander
stellt, sondern vielmehr sollte der moderne Geist eines
innigen Zusammenhanges der konstruktiven und ästhe-
tischen Prinzipien als künstlerisch geläutertes Ingenieurbau werk
zur Geltung kommen. . . . Für die Verfasser war ferner
der Gedanke maßgebend, daß die Konstruktion einer Brücke
nicht die Aufgabe einer Körpergestaltung, auch nicht eines Bau-
werkes sein soll, das als abschließendes Moment sich zwischen
die Ufer legt, sondern daß im Gegensatz hierzu die Verbin-
dung zweier Punkte durch ein lineares Prinzip geschehen
muß. Aus diesem Grunde halten sie es für falsch, sowohl
starke Massenwirkungen oberhalb der Fahrbahn als auch
die Brückenabschlüsse betonende Steinportale, Pylonen oder
dergleichen stark wirkende Architekturteile aufzuführen.«
(Man denke hier an die Schwechtensche Brücke!!) □
□ Um den linearen Eindruck, die gute Silhouettenwirkung,
zu erreichen, hielten die Verfasser einzig eine Kettenbrücke
für geeignet, obwohl deren Konstruktion bei den ge-
gebenen Bedingungen (der Spannweite usw.) als eine äußerst
schwierige, wenn nicht gar als eine unmögliche angesehen
wurde. »Das Resultat einer Reihe von Entwürfen war
schließlich eine durch einen vollwandigen Träger versteifte
Kettenbrücke, deren Träger durch seine Geschlossenheit das
lineare Moment der die Ufer verbindenden Straßenführung
künstlerisch in Erscheinung treten läßt, während die kon-
struktiv dazu gehörigen Ketten und Hängestangen durch
ihre geringe Querschnittsausdehnung als Konstruktions-
elemente kaum mehr in die Erscheinung treten.« Wie diese
Lösung technisch durchzuführen sei, das war nun die Sache
der Ingenieure der Dortmunder Union. Die Kette wurde
an den Widerlagern mit den Versteifungsträgern verbunden,
so daß im Widerlager eine Verankerung durch Rückhalt-
ketten entbehrlich wurde. Die Kraft der Kette, die sich in
eine wagerechte Seitenkraft und in eine lotrechte Auflager-
kraft zerlegte, wurde auf eigenartige Weise in sich aus-
geglichen. Weiter auf die Technik einzugehen, wäre hier
nicht der Ort, doch sei betont, daß auch die Ingenieurarbeit
von bedeutendsten Fachleuten als hervorragend anerkannt
wurde und mit dem künstlerischen Gedanken vollkommen
eins geworden ist, also die erstrebte Läuterung empfangen
und ihr auch statisch standgehalten hat. Hier machte
Bernhard in der »Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure« allerdings noch im September vorigen Jahres
die Bemerkung, »die Kunst habe die Technik zu sehr
beherrscht, statt ihr zu dienen». Aber wie war das Resultat?

Die Stadt Köln hat nicht nur in den Vorschriften zum
zweiten engeren Wettbewerb die Bedingungen erheblich
technisch leichter (geringere Spannweiten, die eine Ein-
schränkung der Durchbiegung zuließen usw.) gestaltet, so
daß die von Behrens-Dortmunder Union erstrebte Lösung
dem Ingenieur noch einfacher gemacht wurde, sondern das
Preisgericht hat nun auch einen Entwurf preisgekrönt und
zur Ausführung bestimmt, der noch zahlreiche andere,
auch (oder allein?) von Behrens vorgeschlagene und aus
seinen Gedanken logisch entwickelte ästhetische und jetzt
als mustergültig anerkannte Eigenschaften enthält, z. B.
»freie Bahn, Verlegung der Fahrbahn von den Eisenmassen
fort, Anordnung der Gehwege innerhalb der Hauptträger,
eine bündige Baufluchtlinie der Brücke mit den in den
Achsen liegenden Straßen, niedrige Brüstung und freier
Ausblick, Verkleinerung des Maßstabes der ganzen Brücke,
klare Gliederung der gesamten Konstruktionsmasse, voll-
wandiger Versteifungsträger, schlanke Pylonen usw. usw.«
Ob diese Eigenschaften tatsächlich auch dem am ersten
Wettbewerb beteiligt gewesenen Entwurf Neuzeit, Variante«
zugesprochen werden dürfen, so daß die Maschinenfabrik
Augsburg-München auf diesen ihren eigenen Entwurf
zurückgreifen konnte, ohne das Urheberrecht von Behrens
anzutasten, mögen die Gerichte entscheiden. □
o Der Behrenssche Entwurf »Kunst und Technik« ist jeden-
falls eine geniale und durchaus im Geiste unserer Zeit
empfundene Leistung und es ist lediglich den, von Anfang
eine solche Lösung nicht vorahnenden Bedingungen des
ersten Wettbewerbs zuzuschreiben, daß die Dortmunder
Union«, um den Gedanken des Künstlers in die Tat Um-
setzen zu können, eine an sich unwesentliche aber ihr
doch zum Verhängnis gewordene Überschreitung des Bau-
programmes begehen mußte. Bernhard schreibt in der
»Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure« darüber:
»Die Verfasser haben vorgeschlagen, statt des durch die
Wettbewerbsbedingungen vorgeschriebenen Kiesbetons
Bimsbeton für die Fahrbahnabdeckung zu verwenden. (Um
bei der großen Durchbiegung und der in sich selbst ver-
steiften Tragkraft eine Gewichtserleichterung zu erzielen.
Hellwag.) Bei vielen größeren Bauwerken dieser Art hat
man der Gewichtsersparnis halber Bimsbeton gewählt,
was nach meinen Erfahrungen kein Fehler ist. Wie es in
der Beurteilungsschrift des Preisgerichtes ausdrücklich heißt,
ist der Entwurf dieser Programmwidrigkeit wegen zurück-
gestellt worden, obwohl ihm sonst eine gute Wirkung
nachgesagt wird. Dieses Urteil wird vom Ingenieurstand-
punkt nicht geteilt werden können.« (Und wahrlich, vom
künstlerischen Standpunkt wäre diese »ProgrammWidrigkeit«
absolut gleichgültig gewesen!!) a
□ Man muß es sehr bedauern, daß einem Künstler wie
Peter Behrens wegen einer nebensächlichen Lappalie eine
solche Aufgabe entgehen mußte und es ist schade, daß
sich die Dortmunder Union ganz umsonst fähig gezeigt
hat, den künstlerischen Ideen sich technisch vollkommen
einzuleben. Sollte man aber nicht vom Bauamt einer Stadt
wie Köln, die im nächsten Jahre den »Deutschen Werk-
bund« bei sich zu Gaste sehen wird, verlangen dürfen,
daß sie so ausgesprochen werkbiindlerische Gedanken, wie
sie in der Behrensschen Lösung gegeben wurden, hätte
voraus empfinden können, statt sie durch unnötig schwere
konstruktive Bedingungen beinahe unmöglich zu machen?
Und endlich: wie konnte es geschehen, daß das Preis-
gericht eine schöne und reife Lösung über die unter-
geordnete Kiesbetonfrage stolpern ließ, dasselbe Preis-
gericht, das nachher im zweiten Wettbewerb sich ausdrücklich
zu derselben Lösung, als der besten, bekennen mußte?
Das Flügelrauschen der neuen Zeit hätte von ihm nicht
überhört werden dürfen! fritz hellwag.
 
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