Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 8.1894-1895

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Carstanjen, Friedrich: Die neue Ästhetik, [2]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.11729#0155

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lxveites zfebruarbett tS9Z.



Ä


10. Dekt.

Lrscheint

Derausgeber:
Feuüinanü Avennmus.

Vestellxreis:

^ Merteljährlich 2^/s Nicirk.

S. Zakrg.

Die neue Ältbetik.

lSchluß.)


3. Allgemeines zur Atethode.

Zo lange man über das ästhetische Verhalten
Untersuchnngen anstellt, hat man sich ent-
weder an die änßeren Bedingungen (die doch
nur indirekte sind) gehalten nnd die be-
stimmten Eigenschaften festzustellen gesncht, welche jeder
Eegenstand haben müsse, um schön zn sein — oder
man hielt das ästhetische Verhalten sür einen Gehirn-
prozeß oder -Zustand, einen inneren angeborenen Sinn,
man nahm ein besonderes geistiges Vermögen an, die
ästhetische Urteilskrast. So wurde ja allgemein von
der Philosophie bisher anch das Denken für ein Pro-
dnkt oder einen Zustand des Gehirns, oder für eine
physiologische Fnnktion desselben gehalten. Davon ist
man jetzt abgekommen.*

Für die neue Ästhetik ist nun als Ausgangspunkt
zn betonen: Das ästhetische Verhalten ist kein
Gehirnprozeß, bernht ans keinem besonderen innern
Sinn oder Vermögen, ist anch keine physiologische
Fnnktion des Gehirns. Wir haben es vielmehr bei
demselben mit einer bestimmten, eigenartigen Beziehnng
zwischen Physiologischen Prozessen nnd den ausgesagten
Urteilen zu thun. Um die Art derselben sestzustellen,
wollen wir vorerst einmal sehen, was sür Beziehungen
wir überhaupt kennen.

Wir wissen, daß in der Welt jede Erscheinung zu
einer andern in einer gewissen Abhängigkeit steht,

*) Vgl. des Berfassers „Biomechamsche Grundlegung der
ueueu Allgemeineu Erkenntuistheorie". (München, Acker-
mann, tLYH.)

welche Abhängigkeit wir Beziehnng nennen. Dieser
Beziehungen sind uns mehrere bekannt. Es stehen z. B.
Vater und Sohn in einer Beziehnng, welche wir als
kaus al e bezeichnen, weil der Vater die Ursache (cuusu^
seines Soynes ist. Hinwiederum ist aber der Sohu
Ursache, daß der Vater eben „Vater" ist. Weil aber
in diesem Falle der Sohn selbst (als Handelnder) gar
nichts zu der Wirkung beiträgt, sondern weil einfach
sein Vorhandensein genügt, um seinen Erzenger „Vater"
zu nennen, so liegt hier, wo das Hauptgewicht aus
der Benennnng rnht, nnr eine logische Kausal-
beziehnng vor.

Es können aber noch ans andere Weise zwei Dinge
enge und unzertrennlich mit einander verknüpft sein,
nämlich ohne daß wir behanpten könnten, sie hingen
so von einander ab, daß immer das eine die Ursache
des andern ist.

Wenn wir bei Regen am Himmel einen Regen-
bogen erblicken, so wissen wir: Ursache desselben ist die
Sonne; diese steht also zum Regenbogen in kausaler
Beziehnng. Es ist nns aber auch bekannt, daß wir
mit jedem Wechsel nnseres Standpnnktes einen andern
Regenbogen schauen, insofern als mit nnserer Fort-
bewegung immer andere Tropfen in diejenige Lage zu
Sonne und Auge kommen, die zum Entstehen der
Wahrnehmung des Regenbogens nötig ist. Zwischen
Beobachter nnd Regenbogen haben wir hier eine Be-
ziehung eigentümlicher Art, welche wir nur dadurch in
Worte bringen können, daß wir sagen: Beide stehen

üöK M Kkßielk öe§ ZNönR
 
Annotationen