Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 8.1894-1895

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Sprechsaal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11729#0198

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
geschickte Adam, trotzig — verlegen in seiner hilftosen Stnrke
— ein Prachtterl, wie er da breitbeinig steht, voll verhaltener
Kraft, voll Schasfcnslust, ein Vater von Geschlechtern. Wer
dicse beiden Tvpen schaffen konnte, der ist kein Gewöhnlicher.
Sehr gut gefällt inir anch Slevogts ,,Fran Aventiure": ein
derber Rittersinann, der die nppige Frau Aventiure recht un-
geschlacht init der Eisenfaust festhält und beugt. Auch hierin
die fröhliche „Gradheit", wie in jenem „Iromo 8apten8", auch
hierin eine natstrliche Kraft, die sich ungeschmälert änßert.

Was aber sonst diesmal mit der „Freien Vereinigung"
ausgestellt hat, das ist ein gar fonderbares Volk. Es sotl anf
einem andern Blatte besprochen werden.

Albert Dresdner.

ittus Dresden wird uns geschrieben i

Vvn den Künstlern, die anf den letzten Dresdener Knnst-
ausstellungen vor dje Sffcntlichkeit getreten sind, fesselte mich am
meiften der Graf W oldema r Ü! eiche n bach , der, ans
der Weimarer Schule hervorgegangeu, fich nach längerem
Wanderleben in Wachwitz bei Dresden niedergelaffeu hat. Lichten-
bergs Salon zeigt gegenwärtig eine kleine Sammelausstellnng
von Bildern seiner Hand, die schon durch die Mannigfaltigkeit
der Gegenstände überraschen; eine erschosseue Nymphe, zwei
kreuzfidele Satt>ru, Ansichten aus Salzburg mit Fernblicken,
das Jnuere des Doms zu Chur, ein Jnterienr ans Moritz-
burg, eine „alte Treppe", eiue „Gruft", eine Gasfe von Getn-
haufen, ein Frauenbildnis, dekvrativ gemalte Vögel. Nimml
man das Wort „modern" im landläufigen Sinne, so ist Neichen-
bach kein moderner Künstler. Da ift viel eher Dunkel- als
Hellmalerei, da ist zwar niemals kleinliche, aber immer sehr
sanbere Dtirchführung bis ins Einzelne, da ist Komposition.
Aber nichts wäre falscher, als Reichenbach in d em Sinue cinen
„Alten" zu nennen, daß er unr ein Mitlänfer einer verlaufen-
den Kunstbewegung, daß er nur ein Anch - Maler nach

überlebten Überliefernngen, daß er ein Mann vhne eigene Kraft
fei. Jch verständ es nicht, ivie ein feinfühliger Kunftfreund
anch nach längerer Versenkung in diese Werke den feinen Hauch
der freilich nicht aufdriuglichen aber grundvoruehmen Eigenart
nicht spüren fvllte, die hier geschaffen hat. Hier ist ja alles
ehrlich und erlebt, unbefangeu und iunerlich, kernig und per
sönlich! Freilich deu erfteu Blicken ist es sehr oft auch spröde.
Die Nymphe „Coronis" gibt mit ihrem Sterben nur dcu Vvr-
waud, einen ganz jugendlichen nackten Mädchenleib keusch und
herb mit gntem Realismus zu maleu; das Publikum wird
von dem Bild umsomehr enttüuscht sein, als seine lineare
Komposition recht gewagt ist und als man nicht auf feine Kvsten
kommt, ivenn mau hier durch das Bild hindnrch eine Geschichte
sucht. Kann aber der Lileoos boimdari1io8 mit seinem wunder-
schönen Dudelsack seine Wirknng auf eiuen verfehleu, desfen
Herz lacheu kann, und der daneben Sinn hat für die Pvesie des
Waldes, die hier so zauberisch durch die Bäume rauscht? Und
mit wie liebevollem Malerauge ist nuf all diesen Bilderu jeder
einzelnen Form, jedeni Farbtone uachgefühlt worden, ehe sie
ein außerordentlich hohes technisches Können lviedergnb! Ob
fichs um Wald, Berg, Wiese vder Blumengarten, um alte
Gasfen uud Kirchenbilder, um das Jnnere von reichen Räumen
oder nin dürftige Wiukel handelt, denen nllein das Licht ihre
Schönheit schenkt, Reichenbachs Bilder sind immer Zeugnisfe
einer für mich geradezu entzückenden künstlerischen Jntimität.
Es sollte sich keiuer dadurch ftören lassen, daß dieses Künstlers
Eigenart da und dort, zumal im Figürlichen, ein wenig an
Eigensinn erinnert, es sind „cketaut8 cks 8S8 vsrtne^", die hier
zu tage treten. Wäre besondets von den Jnterieurs dieses vder
jenes vom Alter ein wenig mehr „geselcht" uud tauchte nun
irgendwo aus dem Verborgenen auf, man tvürde daraus auf
cinen großen Meister fchließen. Er ist eiu ganz und gar echter
und dabei dnrch nnd durch germanischer Künstler, dieser Maler-
! graf-

Lprecksrtal.

In S a ch e n der ne u en „Ä st h e t i k"

sind uns Zustimmungen und Entgegnungen zu F r. Carsta n-
j eu s Aufsätzen mit der Bitte um Aufnahme im „Sprechsaal" zuge-
gangen. Wir müsfen ihren Abdrnck ausnahmslvs ablehnen, denn
es entspräche ganz uud gar uicht der Aufgabe unserer Zeitschrift,
die Probleme der neuen Ästhetik nun an dieser Stelle ausfechteu
zu laffen. Unsere Leser hatten ein Recht darauf, daß ihuen Vvn
sachkundiger Hand das Gebiet der Fragen gezeigt werde, um die
sichs hier handelt, die uähere Beschäftigung mit diesen Fragen jedoch
ist durchans Sache der betreffenden Sonderlitteratur. Eine Art
von sachlicher Berichtiguug bringt von den Einseudungen nur
die des Herrn vr. Maximilian Klein, die wir deshalb
erwähnen. Herr vr. Klein wünfcht betont zu sehen, daß er
keineswegs, wie man aus Carstanjens Aufsatz schließen könne,
Anhänger einer absoluten Asthetik sei, feine von diesem zitierte
Arbeit trete mit vollfter Entschiedenheit für die relative
Ästhetik eiu. Wir genügen hierdurch diesem Wuusche und können
das thun, ohne daß wir zu untersucheu hätten, wie Iveit fich
diese relalive Ästhetik mit der von I)r. Carstanjen vertretenen
ueuen Äfthetik decke.

Herrn I)r. Carstanien aber geben ivir noch einmal das
Wort, da er, was bei der Schwierigkeit des Gegenstandes ja
wahrlich nicht Wunder nimmt, da und dort mißverstanden zu
sein scheint. Er schreibt uns:

Abgesehen von den durch die verschiedenen philvsophischen
Systeme hervorgerufenen Spielarten kann man im großen und
ganzen zwei verschiedene Richtungen in der Ästhetik nnterscheideu,
die objektive und die snbjektiv e. Die objektive be-
trachtet vorzugsweise das Schöne an den G e g e n st ä n d e n ,
insofern fie es für eine Eigenschaft derselben hält (Baumgarten
und Nachfolger, auch z. T- Schiller). Die fubjektive berücksichtigt
mehr die Wirkungeu des Schönen auf den Menschen
(Mendelssohn, Sulzer n. s. w.) Jn diesem Gegensatz bewegen sich
die ästhetischen Untersnchungen wührend des z8. Jahrhunderts,
bis Kant beide Richtnngen verfchmilzt. Jm ^y. Jahrhundert
tritt dann eine analoge Spaltung ein unter der Bezeichnung
Gehalts- und F v rm ä sth e ti k. Erstere geht aus vom Be-
griffsvermögen und sieht das Schöne im Gehalt eines Werkes,
in der sich in ihm verkörpernden Jdee: sie ist also idealistisch
 
Annotationen