sechü Stücke anhängt, die der Titel als Lair^oni per sonar
bezeichnet, die aber einzeln die Überschrift 8oaata tragen, dse
letzte, Soli nnd Tutti unterscheidende, was eine Erfindnng Ber
nardis zu sein scheint (vergleiche dic Sonate iin s. Buch seiner
Madrigalien von (62qh, init dein Zusatz »ia 8iirioniar. Der
ersten Sonate von t62q. giebt er gar die Überschrist: »8or>ata
prima Lair^oirr. Um die Verwirrung voll zu machen, weise
ich noch darauf hin, daß wir eine vierstimmige llantasia von
Oratio Vecchi vom Jahre iüOO besitzen (in Oari^oootti a q.
vooi), die ein echtes Ricercar ist, sofern sie dasselbe Thema
durchweg festhält, es sogar in der achtfachen Verlängerung kvn-
trapunktiert und im Mittelteil im Tripeltakt bringt; iväre das
Stück Kanzone oder Sonate überschrieben, so würde anch da-
gegen niemand etwas einwenden können.
Der auffallendste Unterschied zwischen den Jtalienern und
Deutschen dieser Zeit ist nun aber, wenn wir vvn Einzelfällen
absehen und den Gesamteindruck gelten lassen, das Streben der
Jtaliener, Sätze verschiedener Taktart und verschiedenen Cha
raklers mit einander derart zu verbinden, daß dieselben in ein-
ander übergehen und bnnt mit einander wechseln, während die
Dentschen solchem Flickwerk vffenbar abhold ivaren und es vor-
zogen, geschlossene Stiicke wie Pavane und Galliarde einander
gegeniiberzustellen. Daß wir den Jtalienern für senes Streben
nach größeren Formen dankbar sein müssen, branche ich wohl
nicht zu bctonen; aber das ablehnende Verhalten der Deutschen
ist ebenso gut begreiflich, solange die Resultate nicht alle Be-
denken siegreich aus dem Felde zu schlagen geeignet wareir
Die Durchführung durch die beteiligten Stimmen, Motiven, wie
ivir sie vom imitierenden Vokalsatz in den Jnstruinentalsatz
übergehen sahen (Ricerrar), entwickelte sich osfenbar nach zwei
gcgensätzlichen Seiten, einerseits zur Festhaltung desselben Themas
durch das ganze Stück lwvrauf die Vokalmusik als solche nicht
führen konnte), andererseits aber zur Verschärfung der tinter-
schicde der eiuzelnen Teile durch Wechsel der Taktart und (bald
genug) auch des Tempos. Schon früh (bei Andrea Gabrieli,
vergleiche sein achtstimmiges Ricerear in den Lonoerri von
(587) fand man dabei den Urtypus aller rein mu-
sikali s ch e n F o r m, das ür-ti-ür , d. h. das Zuriick-
kommen auf den Anfang." ....
Darauf weist der Verfasfer nach, wie die den Jtalienern
ebenbürtigen deutschen Meister vorlüufig bei ihren selbständig
geschlvssenen Sätzen stehen geblieben feien, ohne doch die italie-
nischen Fvrtschritte in der Kompvsitionstechnik zu ignorieren.
So fand u. a. die fugenweife Einführung der Stimmen bald
Eingang in die deutjche Pavanen-Komposition. Jm Jahre
(6(( schrieb z. B. Nalerius Otto eine Pavane, die ein wahres
Meisterstück der Verbindung des Pavantypus mit der Setz-
manier des Ricercar oder der fugierten Kanzone ist. Auch Jv-
hann Staden, der Komponift des Singspieles »Seelewig«, dessen
Motto war »Jtaliener nicht alles wisfen, Deutsche auch etwas
können«, zeigt in seinen Pavanen von (6(8 deutlich das Um-
fichgreifen des imitatorischen Satzes, der in den frühern der-
artigen Werken nur im dritten oder allenfalls zweiten Teile
der Pavane sich regte .... Thomas Simpson, der von
Michael Prätorius (6(c( mit einem lateinischen Lobgedicht als
üAusicrm eximius geseierte Englünder, beginnt eine fiinfstimmige
Pavane noch strenger imitierend aber mit siützendem Baß. Am
stärksten steht aber der Hallenser Erasinus Widmann, Kantor
zu Rotenburg an der Tauber, unter dem Einfluß der Jtaliener;
denn er schreibt wie diese nicht mehr Pavanen, sondern nnr
Kanzvnen. Aber unter seinen Kanzvnen befinden sich einige
echte richtige Pavanen .... Und wenn auch eine der Kan-
zonen sogar den italienischen Taktwechsel enthält und mit ihren
fünf Stimmen ganz Gabrielische Zweichörigkeit zuwege bringt
lder Alt muß bei beiden dreiftimmigen Chören mitthnn), so ist
dvch sonst seine Faktur so urdeutsch, daß man berechtigt ist zu
sagen, er zeigte den Jtalienern, warum die Deutschen auf ihren
eigenen Füßen ftehen wollten. Seine »Kantzon auf den ;
Schüfferstanz« mit ihrem kecken Hauptthema, das kurz nacheiu
ander alle fünf Stimmen bringen (beilüufig der Alt mit tonaler
Beantwortungsform) und feinem entzückenden ziveiten Haupt-
motiv (2. Teil), dürfte kaum in der Jnstrumentalmusik der
Jtaliener dieser Zeit ein Gegenstiick finden.
Fasfen wir das Ergebnis unserer flüchtigen Skizzierung
des Standes der Jnstrumentalkomposition in Deutschland zu
Anfang des (7. Jahrhunderts kurz zusammen, so müsfen wir
sagen, daß vor der Berbreitung der die Mittelstimmen all-
mählich ganz außer Funktion setzenden Generalbnßtiteratur in
Deutschland eine solide Ku n st d e s vier - bis se ch s -
stimmigen Satzes für Jnstrumente, ja sogar
speziell für Streichinft r n m ente im Schwange war,
welche wir durchaus nls eine vorzügliche Hausmusik
bezeichnen miisscn. Jn erster Linie ist die Pavane eine Pflegestütte
durchgebildetster Technik des vollstimmigen Satzes mit Leben in
allen Stimmen, so daß die heutige Schreibweise der üblichen
Tünze ihr gegenüber dürftig und handiverksmäßig aussieht. Die
von Jtalien heriiberkommende mehrgliederige Kanzvne, welche
ihrerseits kaum als etwas anderes angesehen werden kann, denn ^
als Versuch engerer Verquickung der in den einzelnen Tänzen
vorher ansgebildeten Charaktertypen, ivirkte wahrscheinlich für
die deutschen Meister mitbestimmend fiir die Ausbildung der
Suitenform, welchc in ähnlicher Weise die Typen nach-
einander vorsührt, abcr als einzelne geschlosfene Stücke, zu-
sammengehalten dnrch das Band gemeinsamer Tvnart und
gemeinsnmen thematischen Gehnltes. Zunüchst erwies sich die
deutfche Form der italienischen überlegen, da sie gestnttete,
in den einzelnen Teilen die Gedanken griindlicher durch-
zuarbeiten und sich ausleben zu lasfen. Bald aber drang die
Sonntenform der Jtnliener mit ihrem Z n r ü ck k o m m en a u f
d i e A n fnng s ft i m m u n g siegreich durch , zumal als man
die Dimensionen dcr Teile mehr erweiterte. Eine unlengbare
Schwüche der Suite ist das Abnehmen der Sütze an Tiefe und
Gehalt gegen das Ende hiu — ein Fehler, den freilich die
Sonate, wie sie sich gegen das (8. Jahrhundert hin mehrsützig
festsetzte, ebenfalls nicht ganz verleugnet. Ein Acoment fehlt der
deutschen Suite zu Anfang des (?. Jahrhuuderts ganz, aber
auch die italienische Kanzone und Sonate kennt es noch nicht,
nümlich die eigentliche Gesangsmelodie, die Adagio-Kantilene.
Es scheint, daß der Meister, dem wir die Aufnahme dieses
natiirlich ans der italienischen Oper herausgewachsenen Elements
verdanken, kein anderer als Girolamo Frescobaldi ist, dessen
aus dem Rahmen der von uns hier allein berückfichtigten
Literatur der a u s g e a r b e i t e t e n Bielftimmig -
keit heraustretende Kanzonen vom Jahre (628 (meist fiir ein !
bis zivei Melodie-Jnstrumente mit Generalbaß) solche getragene
Stellen enthalten, welche in der Reprvduktion eines großen
Teiles derselben Kanzonen in der Ausgabe von (6zq. in der
That mit Adagio bezeichnet sind. Jn wie iveit Frescobaldi
selbst diese Aeuerung aufgcbracht, kann ich freilich zur Stunde
nicht entscheiden- Denn uni dieselbe Zeit oder etwas friiher
(Biagio Marini (6(7, Farina (626) vollzieht sich jener merk-
würdigc Umschwung im Personalbestande des Komponisten-
berufs, welcher die vvrdem iiber die Achsel angesehenen Spieler
der Streichinstrnmente Plötzlich in den Vordergrund drüngt und
neben die Kapellmeister und Organisten stellt. Die Ausbeutung
der technischen Fähigkeiten der Jnstrnmente — für die künftige
Entwickelung der Jnftrumentalmusik natürlich von allerhöchstcr
Wichtigkeit — brachte freilich für das rein künstlerische Element
bezeichnet, die aber einzeln die Überschrift 8oaata tragen, dse
letzte, Soli nnd Tutti unterscheidende, was eine Erfindnng Ber
nardis zu sein scheint (vergleiche dic Sonate iin s. Buch seiner
Madrigalien von (62qh, init dein Zusatz »ia 8iirioniar. Der
ersten Sonate von t62q. giebt er gar die Überschrist: »8or>ata
prima Lair^oirr. Um die Verwirrung voll zu machen, weise
ich noch darauf hin, daß wir eine vierstimmige llantasia von
Oratio Vecchi vom Jahre iüOO besitzen (in Oari^oootti a q.
vooi), die ein echtes Ricercar ist, sofern sie dasselbe Thema
durchweg festhält, es sogar in der achtfachen Verlängerung kvn-
trapunktiert und im Mittelteil im Tripeltakt bringt; iväre das
Stück Kanzone oder Sonate überschrieben, so würde anch da-
gegen niemand etwas einwenden können.
Der auffallendste Unterschied zwischen den Jtalienern und
Deutschen dieser Zeit ist nun aber, wenn wir vvn Einzelfällen
absehen und den Gesamteindruck gelten lassen, das Streben der
Jtaliener, Sätze verschiedener Taktart und verschiedenen Cha
raklers mit einander derart zu verbinden, daß dieselben in ein-
ander übergehen und bnnt mit einander wechseln, während die
Dentschen solchem Flickwerk vffenbar abhold ivaren und es vor-
zogen, geschlossene Stiicke wie Pavane und Galliarde einander
gegeniiberzustellen. Daß wir den Jtalienern für senes Streben
nach größeren Formen dankbar sein müssen, branche ich wohl
nicht zu bctonen; aber das ablehnende Verhalten der Deutschen
ist ebenso gut begreiflich, solange die Resultate nicht alle Be-
denken siegreich aus dem Felde zu schlagen geeignet wareir
Die Durchführung durch die beteiligten Stimmen, Motiven, wie
ivir sie vom imitierenden Vokalsatz in den Jnstruinentalsatz
übergehen sahen (Ricerrar), entwickelte sich osfenbar nach zwei
gcgensätzlichen Seiten, einerseits zur Festhaltung desselben Themas
durch das ganze Stück lwvrauf die Vokalmusik als solche nicht
führen konnte), andererseits aber zur Verschärfung der tinter-
schicde der eiuzelnen Teile durch Wechsel der Taktart und (bald
genug) auch des Tempos. Schon früh (bei Andrea Gabrieli,
vergleiche sein achtstimmiges Ricerear in den Lonoerri von
(587) fand man dabei den Urtypus aller rein mu-
sikali s ch e n F o r m, das ür-ti-ür , d. h. das Zuriick-
kommen auf den Anfang." ....
Darauf weist der Verfasfer nach, wie die den Jtalienern
ebenbürtigen deutschen Meister vorlüufig bei ihren selbständig
geschlvssenen Sätzen stehen geblieben feien, ohne doch die italie-
nischen Fvrtschritte in der Kompvsitionstechnik zu ignorieren.
So fand u. a. die fugenweife Einführung der Stimmen bald
Eingang in die deutjche Pavanen-Komposition. Jm Jahre
(6(( schrieb z. B. Nalerius Otto eine Pavane, die ein wahres
Meisterstück der Verbindung des Pavantypus mit der Setz-
manier des Ricercar oder der fugierten Kanzone ist. Auch Jv-
hann Staden, der Komponift des Singspieles »Seelewig«, dessen
Motto war »Jtaliener nicht alles wisfen, Deutsche auch etwas
können«, zeigt in seinen Pavanen von (6(8 deutlich das Um-
fichgreifen des imitatorischen Satzes, der in den frühern der-
artigen Werken nur im dritten oder allenfalls zweiten Teile
der Pavane sich regte .... Thomas Simpson, der von
Michael Prätorius (6(c( mit einem lateinischen Lobgedicht als
üAusicrm eximius geseierte Englünder, beginnt eine fiinfstimmige
Pavane noch strenger imitierend aber mit siützendem Baß. Am
stärksten steht aber der Hallenser Erasinus Widmann, Kantor
zu Rotenburg an der Tauber, unter dem Einfluß der Jtaliener;
denn er schreibt wie diese nicht mehr Pavanen, sondern nnr
Kanzvnen. Aber unter seinen Kanzvnen befinden sich einige
echte richtige Pavanen .... Und wenn auch eine der Kan-
zonen sogar den italienischen Taktwechsel enthält und mit ihren
fünf Stimmen ganz Gabrielische Zweichörigkeit zuwege bringt
lder Alt muß bei beiden dreiftimmigen Chören mitthnn), so ist
dvch sonst seine Faktur so urdeutsch, daß man berechtigt ist zu
sagen, er zeigte den Jtalienern, warum die Deutschen auf ihren
eigenen Füßen ftehen wollten. Seine »Kantzon auf den ;
Schüfferstanz« mit ihrem kecken Hauptthema, das kurz nacheiu
ander alle fünf Stimmen bringen (beilüufig der Alt mit tonaler
Beantwortungsform) und feinem entzückenden ziveiten Haupt-
motiv (2. Teil), dürfte kaum in der Jnstrumentalmusik der
Jtaliener dieser Zeit ein Gegenstiick finden.
Fasfen wir das Ergebnis unserer flüchtigen Skizzierung
des Standes der Jnstrumentalkomposition in Deutschland zu
Anfang des (7. Jahrhunderts kurz zusammen, so müsfen wir
sagen, daß vor der Berbreitung der die Mittelstimmen all-
mählich ganz außer Funktion setzenden Generalbnßtiteratur in
Deutschland eine solide Ku n st d e s vier - bis se ch s -
stimmigen Satzes für Jnstrumente, ja sogar
speziell für Streichinft r n m ente im Schwange war,
welche wir durchaus nls eine vorzügliche Hausmusik
bezeichnen miisscn. Jn erster Linie ist die Pavane eine Pflegestütte
durchgebildetster Technik des vollstimmigen Satzes mit Leben in
allen Stimmen, so daß die heutige Schreibweise der üblichen
Tünze ihr gegenüber dürftig und handiverksmäßig aussieht. Die
von Jtalien heriiberkommende mehrgliederige Kanzvne, welche
ihrerseits kaum als etwas anderes angesehen werden kann, denn ^
als Versuch engerer Verquickung der in den einzelnen Tänzen
vorher ansgebildeten Charaktertypen, ivirkte wahrscheinlich für
die deutschen Meister mitbestimmend fiir die Ausbildung der
Suitenform, welchc in ähnlicher Weise die Typen nach-
einander vorsührt, abcr als einzelne geschlosfene Stücke, zu-
sammengehalten dnrch das Band gemeinsamer Tvnart und
gemeinsnmen thematischen Gehnltes. Zunüchst erwies sich die
deutfche Form der italienischen überlegen, da sie gestnttete,
in den einzelnen Teilen die Gedanken griindlicher durch-
zuarbeiten und sich ausleben zu lasfen. Bald aber drang die
Sonntenform der Jtnliener mit ihrem Z n r ü ck k o m m en a u f
d i e A n fnng s ft i m m u n g siegreich durch , zumal als man
die Dimensionen dcr Teile mehr erweiterte. Eine unlengbare
Schwüche der Suite ist das Abnehmen der Sütze an Tiefe und
Gehalt gegen das Ende hiu — ein Fehler, den freilich die
Sonate, wie sie sich gegen das (8. Jahrhundert hin mehrsützig
festsetzte, ebenfalls nicht ganz verleugnet. Ein Acoment fehlt der
deutschen Suite zu Anfang des (?. Jahrhuuderts ganz, aber
auch die italienische Kanzone und Sonate kennt es noch nicht,
nümlich die eigentliche Gesangsmelodie, die Adagio-Kantilene.
Es scheint, daß der Meister, dem wir die Aufnahme dieses
natiirlich ans der italienischen Oper herausgewachsenen Elements
verdanken, kein anderer als Girolamo Frescobaldi ist, dessen
aus dem Rahmen der von uns hier allein berückfichtigten
Literatur der a u s g e a r b e i t e t e n Bielftimmig -
keit heraustretende Kanzonen vom Jahre (628 (meist fiir ein !
bis zivei Melodie-Jnstrumente mit Generalbaß) solche getragene
Stellen enthalten, welche in der Reprvduktion eines großen
Teiles derselben Kanzonen in der Ausgabe von (6zq. in der
That mit Adagio bezeichnet sind. Jn wie iveit Frescobaldi
selbst diese Aeuerung aufgcbracht, kann ich freilich zur Stunde
nicht entscheiden- Denn uni dieselbe Zeit oder etwas friiher
(Biagio Marini (6(7, Farina (626) vollzieht sich jener merk-
würdigc Umschwung im Personalbestande des Komponisten-
berufs, welcher die vvrdem iiber die Achsel angesehenen Spieler
der Streichinstrnmente Plötzlich in den Vordergrund drüngt und
neben die Kapellmeister und Organisten stellt. Die Ausbeutung
der technischen Fähigkeiten der Jnstrnmente — für die künftige
Entwickelung der Jnftrumentalmusik natürlich von allerhöchstcr
Wichtigkeit — brachte freilich für das rein künstlerische Element