erstenmale entschlossen, seine Sammlungen von Einzel-
blättern und Holzschnittbüchern öffcntlich auszustellcn und
zu einem Teile durch die Ernst Arnoldsche Hofkunsthand-
lung in Dresden zum Verkaus auszubieten. Es ist be-
greislich, datz diese Ausstellung die Kunstsammler, ins-
besondere die Japanomanen einigermatzen in Aufregung
versetzt, zumal da in Japan selbst insolge der grnndlichen
Sammelarbeit Bings u. a. von diesen alten Kunstwerken
nichts mehr zu holen ist.
Der japanische Holzschnitt ist in mehrsacher Beziehung
eigenartig und von dem europäischen abrveichend. Er
dient nicht als Mittel der Vervielsültigung für Gemülde
und sonstiges, sondern jeder Holzschnitt ist ein selbständiges
Kunstwerk sür sich. Auch kommt nicht der meist im Dun-
kel bleibende Holzschneider, sondern nur der die Zeich-
nung gebende Künstler als Schöpfer des Holzschnitts in
Betracht. Die Vorlage bildet nicht eine Stift-, sondern
eine Pinselzeichnung. Der Künstler zeichnet aus durch-
sichtiges Papier. Dieses wird mit derBildfläche auf das
Holz geklebt. So ist es unnötig, die Zeichnung wie bei
uns umgekehrt zu machen, damit sie dann beim umkehren-
den Drucke richtig komme. Der Holzschneider kann somit
unmittelbar nach dem Original des Künstlers schneiden.
Die Zeichnung geht zwar verloren, aber der Abdruck ge-
winnt den vollen Wert eines selbstündigen Kunstwerkes.
Die Entwickelung des Holzschnittes vom trockenen
Umritzbilde zu einer malerisch wirksamen Darstellung ergab
sich aus der eben erwühnten Thatsache, daß der Zapaner
mit dem Pinsel zeichnet. Er kam nicht wie der europäische
Zeichner durch den Stift zu Schrasfirungen oder gekreuzten
Strichlagen, diese wendet er nur an, wo sie aus der
Natur des Gegenstandes hervorgehen, also z. B. bei einem
Tigersell, einer Pserdemähne, einem Psauenschweif. Aus
der Pinselzeichnung ergab sich vielmehr die Wirkung mit
Farbslächen. Zunächst wischte man die Schwürze an ein-
zelnen Stellen der Druckplatte mehr oder minder ab,
oder man trug sie gleich in verschiedenen Abstufungen
auf. Weiterhin bemalte man die Platte mit verschiedenen
Farben, und schließlich verwandte man zu einem Bilde
mehrere Platten mit verschiedenen Farben. Keine dieser
Manieren hat indetz zu irgend einer Zeit ausschlietzlich
geherrscht. Es liegt auf der Hand, datz bei einem solchen
Verfahren die Güte des Abdrucks von dem Geschnmck des
Druckers abhüngt und datz Drucke, die der Künstler selbst
hergestellt oder bei der Herstellung überwacht hat, einen
ganz besonderen Wert haben müssen. Es liegt also hier
eine ganz entsprechende Erscheinung vor, wie bei den
europäischen Radierungen.
Weitere Feinheiten brachte man üann in den Holz-
schnitt durch Anwendung einer besonderen Platte, die
einen grauen Ton über den Abdruck der ersten setzte, und
serner durch Blindplatten, die in dem Papier nur farb-
lose Eindrücke hinterlassen. Mit diesen werden nur seine
Strichelungen, ornamentale Musterungen u. a. eingedruckt.
Das letzte Hilssmittel des japanischen Holzschnittes sind
dann goldene, silberne und andere Metalltöne, die bald
slach aufgesetzt, bald tief eingeprägt werden. Mit allen
diesen Hilfsmitteln nun hat der Japaner sarbige Holz-
schnitte hervorgebracht, die sich ganz wesentlich von un-
seren Farbdrucken unterscheiden.
Jn bezug aus die gesch ichtliche Entwickelung ist zu
bemerkcn, datz die Japaner den Holzschnitt ebenso wie
den Schriftdruck von den Chinesen übernommen haben
und zwar wahrscheinlich durch die Koreaner. Schon im
achten Jahrhundert sollen buddhistische Heiligenbilder durch
den Holzschnitt verbreitet worden sein. Bekanntlich sinden
wir auch in Europa den ältesten Holzschnitt im Dienste
der Kirche. Das ülteste, uns bekannte, japanische Holz-
schnittbuch, stammt aus dem Jahre 1608 oder i6io: eine
neue Ausgabe des im zehnten Jahrhundert verfatzten
186 lckonoALtai-i, d. h. Erzählungen aus der Landschaft
Jse, welche die Reisen, Liebschaften und Abenteuer eines
ungenanntcn Helden schildern, in dem der berühmte Dichter
Narihira vermutet wird. Von diesem Buche an entwickelt
sich langsam die Ausstattnng der Bücher mit Holzschnitten.
Der Holzschnitt geht gleichen Schritt mit der einheimischen
Malerschule, die unter dem Namen OUio/e i-w, d. h.
etwa volkstümliche Schule, bekannt ist. Um isoo führte
Hishigawa Moronobu dem japanischen Holzschnitt neue
Aufgaben zu. An Stelle der eintönigen Heldengeschichten
aus serner Zeit zog er das gesamte, ihn umgebende, täg-
liche Leben aller Klassen der Bevölkerung Japans in den
Bereich der darstellenden Kunst. Dieser Realismus gab in
der neuen Richtung der japanischen Kunst den Grundton
an. Daneben nehmen darin auch die Darstellungen aus
Geschichte, Sage und Mpthe sowie die Abbildungen von
Theaterszenen und beim Volke beliebten Schauspielen eine
wichtige Stellung ein, und unerschöpslich sind die japanischen
Künstler in den Darstellungen aus dein Leben der Frau.
Nicht zu vergessen ist auch, daß es jedem Künstler eine
Pslicht war, wenigstens einmal in seinem Leben die alten
Anthologien von den 36 oder den ioo Dichtern zu
illustrieren.
Jnnerhalb dieses weiten Stoffgebietes bewegt sich der
japanische Holzschnitt seit Moronobu. Die Entwickelung
vollzieht sich zunächst in der Anwendung der Farben.
Torii Kiponobu (um i?oo) lätzt die Holzstücke nach seinen
Zeichnungen in mehreren Farben abdrucken. Sehr reich
ist die Palette dieses Künstlers und seiner Schule aller-
dings noch nicht. Sie begnügen sich mit einem lichten
Grün, einem blassen Rot und etwa noch einem trüben
Gelb oder Violett, und diese Farben sind ohne Abschat-
tungen, nur in slachen Tönen auf die Zeichnungsplatte
gedruckt. Die Farbenzusammenstellungen von mildem
Reize geben im übrigen, wie S. Bing sagt, eine gute Vor-
stellung von dem damaligen Geschmack und künstlerischen
Empsinden des Volkes, da statt der sonst allein auf die
Massen wirkenden, auf starken Effekt berechneten Markt-
ware Werke von solcher Feinheit verlangte. Durch Nishi-
mura Shigenaga (zwischen 1716—1?48 thätig) und Suzuki
Harunobu sum i?6^—8p) kommt der japanischeFarben-
holzschnitt auf seine Höhe, und er sördert sortan zahlreiche
Meisterwerke von bleibendem, nationalem Werte zutage.
Noch ist auch jetzt, wie Brinckmann den Holzschnitt jener
Tage richtig kennzeichnet, die Palette beschränkt; die in
flachen Tönen gedruckten Farben sind aber von bemerkens-
werter Leuchtkraft: das Feuerrot, das stumpfe Grün, das
kupserige Gelb dieser Drucke, alle diese Farben sind von
einer Feinheit, welche die vorgeschrittenere spätere Technik
nicht mehr zu erreichen vermocht hat. Als bedeutendster
Ateister dieser Zeit gilt Katsugewa Schunscho (ff 1792),
der zahlreiche Farbendruckfolgen, darunter die berühmteste
der Schauspielerbildnisse veröffentlicht hat. Sein be-
deutendster Schüler ist Shunso, der unter dem Pinsel-
namenHokusai (176O-—18-19) weltberühmt geworden ist.
Weiter sind noch zu nennen Utakawa Topokuni (i?76—^828).
Kitagawa Utamaro und Jtshiriusai Hiroshige (i83o).
Letzterer hat sich besonders als Landschaftsmaler hervor-
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