Lrsres Auaustbekt IS95.
21. Dekt.
Derausgeber:
zferdinand Nveilarius.
Oiertel/äbrlich 2>/s Mark. b.
Lrziebuilg zur Freude.
Hcblussauksatz.
^ as Kind rvill, in seiner Art, arbeiten, unter-
suchen, seine Kräfte erproben; gebt ihm
dazu Raum, regt seine Phantasie, namerrt-
lich die Jllusionssahigkeit an, indem Jhr ihm Spiel-
zeug gebt, mit welchem es etwas anstellen, aus dem
es etwas Neues machen, das ihm etwas vorstellen
kann, mehr als es ist, und es wird Freude empsin-
den lernen am Schafsen, am Wirken der Phantasie
und an der Beobachtung.
Außerordentliches hat in Anregungen nach dicser
Richtung Fröbel gegeben. Eine gute Kindergärt-
nerin leistet der Menschheit zehnmal mehr, als der
gelehrteste Horazsorscher. Vorzüglich, und nur dadurch
zu erklären, daß Fröbels Kindergemüt eben die wahr-
hast dichterische Fähigkeit besaß, mit dem Kinde inner-
lich zu leben, ist ganz besonders seine Bevorzugung
des gemeinsamen Spieles. Hier sind die Grund-
züge sür eine gesunde Erziehung zur Disziplin
gegeben, zu einer Disciplin der Freiheit, heroorge-
gangen aus gemeinsamen Jnteressen. Das Sichein-
reihenwollen zu freudiger Mitarbeit an einer größe-
ren Ausgabe ist unvergleichlich viel mehr wert, als
der Drill. Diesen aber, glaube ich, wird man trotz-
dem nicht mit republikanischer Verachtung durchweg
beiseite zu thun haben. Jch habe den Segen unserer
militärischen Erziehung zu lebhast empsunden, um
eine ganz straffe körperliche Schulung sür einen be-
schränkten, einen srühen Lebensabschnitt, zur
Herausbildung der Selbstzucht und des Ertragen-
könnens sür entbehrlich zu halten.
Eine lebendige, sreudige Bethätigung ist aber
auch hier immer nur dann zu erwarten, wenn ein im
G e si ch ts k r e i s e des Handelnden liegen-
der Zweck verfolgt wird. Dies sollte als erster,
wichtigster Erfahrungssatz bei jeder Erziehungs- und
Lehrmethode beherzigt werden; oon diesem Gesichts-
punkte aus sollte man z. B. endlich einmal ernstlich
untersuchen, ob es zweckmäßig ist, den Sprachunter-
richt, der ja nach Schulmeisteransicht das einzige Mittel
zum logischen Denken ist, obwohl die vielbewunder-
ten Griechen ihre Kinder aus ganz andere Weise
und zwar wirklich durch etwas wie eine Erziehung
zur Freude zu Vollmenschen heranbildeten! — ob
es zweckmäßig ist, den Sprachunterricht in einem
Alter beginnen zu lassen, wo die Kinder sür die Er-
lernung von Vokabeln und Grammatikregeln noch
gar keinen anderen Zweck einsehen können, als
den, des Lehrers Willen zu ersüllen, Strase zu ver-
meiden oder Belohnung zu ernten.
Das aber bedeutet Ertötung des Triebes zur
Selbstbestimmung und erzieht eben gerade unsere
Bücherwürmer und unsere Streber. Für eine Per-
son aus innerer Liebenswürdigkeit, Menschenliebe,
Mitleid etwas zu thun, kann auf solche Weise nicht
gelehrt werden, denn der Lehrer wird dabei Ein-
pauker und Gegenstand der Abneigung; aus anderen
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21. Dekt.
Derausgeber:
zferdinand Nveilarius.
Oiertel/äbrlich 2>/s Mark. b.
Lrziebuilg zur Freude.
Hcblussauksatz.
^ as Kind rvill, in seiner Art, arbeiten, unter-
suchen, seine Kräfte erproben; gebt ihm
dazu Raum, regt seine Phantasie, namerrt-
lich die Jllusionssahigkeit an, indem Jhr ihm Spiel-
zeug gebt, mit welchem es etwas anstellen, aus dem
es etwas Neues machen, das ihm etwas vorstellen
kann, mehr als es ist, und es wird Freude empsin-
den lernen am Schafsen, am Wirken der Phantasie
und an der Beobachtung.
Außerordentliches hat in Anregungen nach dicser
Richtung Fröbel gegeben. Eine gute Kindergärt-
nerin leistet der Menschheit zehnmal mehr, als der
gelehrteste Horazsorscher. Vorzüglich, und nur dadurch
zu erklären, daß Fröbels Kindergemüt eben die wahr-
hast dichterische Fähigkeit besaß, mit dem Kinde inner-
lich zu leben, ist ganz besonders seine Bevorzugung
des gemeinsamen Spieles. Hier sind die Grund-
züge sür eine gesunde Erziehung zur Disziplin
gegeben, zu einer Disciplin der Freiheit, heroorge-
gangen aus gemeinsamen Jnteressen. Das Sichein-
reihenwollen zu freudiger Mitarbeit an einer größe-
ren Ausgabe ist unvergleichlich viel mehr wert, als
der Drill. Diesen aber, glaube ich, wird man trotz-
dem nicht mit republikanischer Verachtung durchweg
beiseite zu thun haben. Jch habe den Segen unserer
militärischen Erziehung zu lebhast empsunden, um
eine ganz straffe körperliche Schulung sür einen be-
schränkten, einen srühen Lebensabschnitt, zur
Herausbildung der Selbstzucht und des Ertragen-
könnens sür entbehrlich zu halten.
Eine lebendige, sreudige Bethätigung ist aber
auch hier immer nur dann zu erwarten, wenn ein im
G e si ch ts k r e i s e des Handelnden liegen-
der Zweck verfolgt wird. Dies sollte als erster,
wichtigster Erfahrungssatz bei jeder Erziehungs- und
Lehrmethode beherzigt werden; oon diesem Gesichts-
punkte aus sollte man z. B. endlich einmal ernstlich
untersuchen, ob es zweckmäßig ist, den Sprachunter-
richt, der ja nach Schulmeisteransicht das einzige Mittel
zum logischen Denken ist, obwohl die vielbewunder-
ten Griechen ihre Kinder aus ganz andere Weise
und zwar wirklich durch etwas wie eine Erziehung
zur Freude zu Vollmenschen heranbildeten! — ob
es zweckmäßig ist, den Sprachunterricht in einem
Alter beginnen zu lassen, wo die Kinder sür die Er-
lernung von Vokabeln und Grammatikregeln noch
gar keinen anderen Zweck einsehen können, als
den, des Lehrers Willen zu ersüllen, Strase zu ver-
meiden oder Belohnung zu ernten.
Das aber bedeutet Ertötung des Triebes zur
Selbstbestimmung und erzieht eben gerade unsere
Bücherwürmer und unsere Streber. Für eine Per-
son aus innerer Liebenswürdigkeit, Menschenliebe,
Mitleid etwas zu thun, kann auf solche Weise nicht
gelehrt werden, denn der Lehrer wird dabei Ein-
pauker und Gegenstand der Abneigung; aus anderen
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