Wer sind „wir" ?
»E U dem feinsmnigen Aufsatz von Spranger über die „Treue gegen
Mahrheiten" (im ersten Märzhefte) möchte ich einiges bemerken.
^FMan sagt so oft: „unser Volk" oder „Deutschland", „die Deutschen"
oder schlechtweg „wir", wir haben erst das, dann das getan. So sagen
auch unsre Feinde. Ist das ganz richtig? Sind die Täter beidemal
dieselben Deutschen, dieselben „wir" ?
Nicht daß wir uns weigern wollten, das Schicksal unsres Volkes mitzu--
leiden. Oder dem schwachen Trost frönen: wir andern „wir", wir hätten
es „gleich gesagt". Das haben wir nicht. Wir hatten wohl trübe Ahnungen,
die sich noch mehr auf Äußerungen des tzochinuts bezogen, als auf Berech-
nungen der Äbermacht. Wir litten oft darunter, suchten auch unsern Mut
und über eigenen Glauben hinaus den Mut der andern zu stärken. Mir
scheint noch heute, wir taten recht daran. Der Krieg ist von unsrer Seite
zum mindesten keine größere Schuld gewesen, als von der Gegenseite. Mit
Recht fordert Spranger, daß wir uns dazu weiter bekennen, wie vormals.
Mindestens dazu, daß wir unter dieser Voraussetzung fochten. Nnd tnit
Recht weist er darauf hin, daß die Weltgeschichte nicht in ihrem äußeren
Verlauf das Weltgericht ist. Mit großer Innigkeit glaube ich daran. Mit
großer Innigkeit glaube ich, daß sie sich durch diese Niederlage hindurch
für uns erklären kann. Es kommt auf uns an. Es kommt darauf an, wie
wir die Niederlage tragen, was wir aus ihr machen. Denn wenn ich mir
stets vorgestellt habe, daß den Völkern eine gemeinsame Schuld aufliegt,
so werden sie sich darin scheiden, wie sie sich zu dieser Schuld stellen. Die
Selbstgerechtigkeit, mit der unsre Feinde glauben, über uns zu Gericht
sitzen zu dürfen, spricht nicht dasür, daß sie auch nur tief genug sehen, um
die Frucht dieses schmerzhaften Geschehens ernten zu können. Aber dem
sei, wie ihm wolle; wir wollen sie ernten. Ls wäre gewiß am weitaus
Maiheft ,St9 (XXXIl. ,s>
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»E U dem feinsmnigen Aufsatz von Spranger über die „Treue gegen
Mahrheiten" (im ersten Märzhefte) möchte ich einiges bemerken.
^FMan sagt so oft: „unser Volk" oder „Deutschland", „die Deutschen"
oder schlechtweg „wir", wir haben erst das, dann das getan. So sagen
auch unsre Feinde. Ist das ganz richtig? Sind die Täter beidemal
dieselben Deutschen, dieselben „wir" ?
Nicht daß wir uns weigern wollten, das Schicksal unsres Volkes mitzu--
leiden. Oder dem schwachen Trost frönen: wir andern „wir", wir hätten
es „gleich gesagt". Das haben wir nicht. Wir hatten wohl trübe Ahnungen,
die sich noch mehr auf Äußerungen des tzochinuts bezogen, als auf Berech-
nungen der Äbermacht. Wir litten oft darunter, suchten auch unsern Mut
und über eigenen Glauben hinaus den Mut der andern zu stärken. Mir
scheint noch heute, wir taten recht daran. Der Krieg ist von unsrer Seite
zum mindesten keine größere Schuld gewesen, als von der Gegenseite. Mit
Recht fordert Spranger, daß wir uns dazu weiter bekennen, wie vormals.
Mindestens dazu, daß wir unter dieser Voraussetzung fochten. Nnd tnit
Recht weist er darauf hin, daß die Weltgeschichte nicht in ihrem äußeren
Verlauf das Weltgericht ist. Mit großer Innigkeit glaube ich daran. Mit
großer Innigkeit glaube ich, daß sie sich durch diese Niederlage hindurch
für uns erklären kann. Es kommt auf uns an. Es kommt darauf an, wie
wir die Niederlage tragen, was wir aus ihr machen. Denn wenn ich mir
stets vorgestellt habe, daß den Völkern eine gemeinsame Schuld aufliegt,
so werden sie sich darin scheiden, wie sie sich zu dieser Schuld stellen. Die
Selbstgerechtigkeit, mit der unsre Feinde glauben, über uns zu Gericht
sitzen zu dürfen, spricht nicht dasür, daß sie auch nur tief genug sehen, um
die Frucht dieses schmerzhaften Geschehens ernten zu können. Aber dem
sei, wie ihm wolle; wir wollen sie ernten. Ls wäre gewiß am weitaus
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