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Kunstwart und Kulturwart — 32,3.1919

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1919)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Ausland- und Grenzlanddeutschtum
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https://doi.org/10.11588/diglit.14423#0237

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Ausland- und GrenzlanddeuLschLunr

von uns „Auslanddeutschen" schon lange vor dem Kriege erhobene
^Vorwurf gegen die Deutschen im Reiche, daß sie sich mit der Pflege
einer straffen S taats gesinnung begnügten und die Pflege der
seelischen Einheit des Volkes vernachlässigten, zeigt sich jetzt leider über
alle Befürchtungen hinaus gerechtfertigt. Es hat nicht nur das „Ausland-
deutschtum" während des Krieges zum Teil aufs Schwerste versagt, auch das
Grenzlanddeutschtum stellt seit dem Zusammenbruche Aufgaben, die über-
haupt nie hätten in Frage kommen können, wenn wir ein einheitlich und
lebendig durchgebildetes Volk wären. Die Kräfte im Ausland-- und Grenz--
landdeutschtum, die zur gesunden, lebensvollen Einheit des ganzen Volkes
streben, die Persönlichkeiten, die an ihrem Beispiel gegenüber zahllosen
Gegenbeispielen erweisen: Charakter im eigentlichen Sinne kann nnr haben,
wer in der höchsten Not die Lebensgemeinschaft nicht verläßt, die ihm in
guten Zeiten fürderlich und willkommen war: diese Kräfte und Persönlich-
keiten haben einen schweren Stand gegen die Volksverräter aller Art. Volks--
verräter aus Fanatismus, Doktrin, hysterischem Haß, Dummheit, Ver--
bitterung, Ehrgeiz zu dämagogischen Zwecken, oder einfach auch für festen
Preis. Diese Thersitesnaturen oder Feilen sind durch das, was das alte
Reich Außenpolitik nannte, und durch dcn völligen Mangel an nationaler
einheitlicher Kulturpolitik an vielen Stellen gerade des Grenzland-- und
Auslanddeutschtums scheinbar geradezu gezüchtet worden. Der Wiener
Schmock, der gegen den Anschluß bezahlte Zeitungen schreibt, der Prager
Börsenjournalist, der den Selbstbehauptungswillen der vergewaltigten
deutschböhmischen Minderheit schwächt, der Deutsche in angelsächsischen Ko--
lonien, der sich von der Eithpresse „überzeugen" läßt — aber auch der
rheiuische und pfälzische Hochverräter, der oberschlesische „Staatsmann^, der
mit „Neutralisierungs"--Plänen spielt, der Elsässer, der aus Haß gegen
die „Preußen" sich von einer seit Iahrhunderten ihn nährenden Kultur--
gemeinschaft trennt — sie alle wären nicht möglich oder nicht einflußreich,
wenn das Deutschtum im Reich als der wohlgesicherte Kern des Volkes
seine ganze Kraft, nnabgelenkt von weltpolitischen Abenteuern, darauf hätte
sammeln können: alle Teile des deutschen Volkes kulturell an sich zu ketten.
Man kann den Verbitterungen und Anklagen, mit denen die Feinde des

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