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Zur Psychologie der Kulturzeitalter überhaupt.

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pedantisch wiederholte. Eine eingehendere Prüfung ergibt viel-
mehr, daß gelegentlich eine ganze Reihe von Übergangs-
erscheinungen wegfällt oder wenigstens minder betont sein kann.
Zudem: wenn wir nicht bloß die deutsche Geschichte zum Ver-
gleiche heranziehen, sondern außerdem auch die Übergänge bei
anderen Nationen des west- und mitteleuropäischen Völkerkreises
wie auch bei den Nationen anderer Völkerkreise, z. B. bei der
japanischen, ins Auge fassen, so ergeben sich gewisse Unterschiede,
die vornehmlich davon abhängen, inwiefern der eine nationale
Typus vom andern in intellektueller wie namentlich affektiver
Hinsicht verschieden ist. Indes hiervon abgesehen treten doch
immer wieder die gleichen Erscheinungen der psychischen Über-
gangsmechanik hervor.
Verfolgen wir das an der deutschen Geschichte noch genauer
mit zwei Worten.
Da ist zunächst die Zeit des Überganges von den indivi-
dualistischen Geschlechtern des 16. bis 18. Jahrhunderts zu
dem jungen Subjektivismus der Zeit nach 1750 überaus lehr-
reich. Auch in dieser Zeit bemerken wir eine außerordentliche
Steigerung der Reize und Assoziationsveranlassungen: das
Emporkommen vor allem einer neuen Bildung in den Menschen-
altern der Erholung von dem gänzlichen Zusammenstürze der
Kultur während des Dreißigjährigen Krieges, die Zunahme der
allgemeinen Zeitschriften seit 1725, das Auftreten einer höchst
ausgedehnten Literatur der Völkerkunde und der Reisen und
tausend andere, tieferliegende Vorgänge einer seelischen Stimu-
lation. Diese Vorgänge werden begleitet von frühen Ver-
suchen einer siegreichen und herrschermäßigen Verbindung von
alt und neu seitens hervorragender Geister: Leibniz, Händel,
Bach, von Haller — wie von fast noch zeitigeren Versuchen einer
geistigen Kultur der Mischgefühle: Pietismus, Empfindsamkeit.
Dann aber bricht das Neue explosiv hervor: Sturm und Drang:
Verlust aller Dominanten. Aber aus diesem Chaos retten sich
die hervorragendsten Geister durch starke Betonung ihrer Per-
sönlichkeit sowie teilweis durch fest entwickelten Anhalt an
die frühere Herrscherkultur des Hellenismus: Kant, Schiller,
 
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