Lessing, Gotthold Ephraim: Hamburgische Dramaturgie (Band 1) ([Bern], 1786)

X.
Den rten Iuny 1767.

Das Stück des fünften Abends (Dienstags den oZten
April) war/ das unvermuthete HLndermß/ oder das Hin-
dermß ohne Hindemiß, vom Destouches.
Wenn mir die Annales des französischen Theaters nach-
schlagen / so finden wir, daß die lustigsten Stücke dieses
Verfasser» gerade den allerwenigsten Beyfall gehabt haben>
Weder das gegenwärtige, noch der verborgene Schatz,
noch das Gespenst mit der Trommel/ noch der poetische
Dorfjunker / haben sich darauf erhalten; und find / selbst
in ihrer Neuheit / nur wenigemal aufgeführet worden.
Es beruhet sehr viel auf dem Tone, in welchem sich ein
Dichter ankündiget, oder in welchem er seine besten Werke
verfertiget. Man nimmt süllschweigend an, als ob er
eine Verbindung dadurch cingehe, sich von diesem Tone
niemals zu entfernen; und wenn er es thut/ dürstet man
sich berechtiget, darüber zu stutzen. Man sucht den Ver-
fasser in dem Verfasser, und glaubt, etwas schlechter» zu
finden, sobald man nicht das nehmliche finde». DeStou-,
ches hatte in seinem verheyratheten Philosophen , in sei-
nem Ruhmredigen, in seinem Verschwender, Muster ei-,
ms feinem, hohem Komischen gegeben, als man vorn
Moliere, selbst in seinen ernsthaftesten Stücken, cmwhnv
war. Sogleich machten die Kunstrrchter , die so gern
klaßifizieren, dieses zu seiner eigenthümlichen Sphäre;
was bey dem Poeten vielleicht nichts als zufällige Wahl
war, erklärten sie für vorzüglichen Hang und Fähigkeit;
was er einmal, zweymal nicht gewollt hatte, schien er
ihnen nicht zu können: und als er es nunmehr wollte,