Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Levinstein, Siegfried; Lamprecht, Karl
Kinderzeichnungen bis zum 14. Lebensjahr: mit Parallelen aus der Urgeschichte, Kulturgeschichte und Völkerkunde — Leipzig: R. Voigtländer Verlag, 1905

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68897#0031
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
II.

Tiere und Pflanzen.
Rinder finden stets das größte Interesse an dem was lebendig ist und so
kehren denn in ihren Zeichnungen neben dem Menschen am häufigsten die
Tiere wieder. Die Entwicklung der Tiergestalt ist anfangs der des Menschen
analog. Zuerst ein wirres Kritzeln und nach und nach ein Umriß. Oie ersten
Tierumrisse sehen sich alle sehr ähnlich, doch differenzieren sich die Bilder der
verschiedenen Tiergattungen sehr bald, da jedes Tier durch eine oder mehrere
Eigenheiten kenntlich gemacht wird. Bus viele Jahre hinaus beschäftigt das
Rind sich nur mit den ihm bekanntesten Tieren. Hund, Pferd, Ratze, Schwein,
Fisch und Vogel bilden eigentlich das ganze Programm. Löwe, Ruh, Elefant
und als Vogeldifferenzierung Schwalbe, Huhn und Gans treten wohl noch aus,
aber andere Tiere erscheinen erst durch besondere Veranlassung. Man darf be-
haupten: „Zuerst differenzieren sich nur Säugetiere, Vögel und Fische." Diese
lassen sich sehr bald voneinander unterscheiden. Die Entwicklung der Tier-
zeichnungen ist wirklich der natürlichen Entwicklung so analog, daß, wenn man
zum Beispiel Bilder von den ersten versuchen von Säugetieren, Vögeln und
Fischen untereinander mischt, es ebenso unmöglich sein würde sie wieder zu
sortieren, als es dem Knatomen unmöglich ist, ganz junge Embryonen, welche
versehentlich vermischt wurden, auseinander zu halten. Ebenso wenn man nichts
weiter weiß, als daß eine vermischte Gruppe von Zeichnungen Säugetiere,
vielleicht auch Menschen darstellt, so steht man ratlos da, wie der Zoologe,
der entsetzt bemerkt, daß er vor den Ferien die Flaschen mit Embryonen von
Mensch und Wildschwein ohne Rennzeichen in den Schrank gestellt hat. Fig. l9
zeigt Säugetiere, Vögel und Fische, die ohne Bezeichnung unerkennbar sind und
Fig. 20 zeigt an und für sich unbestimmbare Säugetiere, man kann wohl sagen
aus dem „höheren Embryonalstadium". Ruf Fig. 21 erblickt man deutlich
erkennbare Säugetiere, wenn man diese mit Hund, Hirsch, Pferd, Schwein
und Ruh in Fig. 20 vergleicht, so erinnert man sich unwillkürlich an die
Lmbryonentafeln in Häckels „Schöpfungsgeschichte". Der Hund hat zwei Ohren,
der Hirsch sein Geweih, das Pferd Mähne und Hufe und deutlichen hals, das
Schwein steht wohlgemästet auf seinen kurzen Beinen und hat einen richtigen
Schweinerüssel und die Ruh hat Hörner und sogar Euter.
Lev in st ein, Rinderzeichnungen
2 17
 
Annotationen