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Levinstein, Siegfried; Lamprecht, Karl
Kinderzeichnungen bis zum 14. Lebensjahr: mit Parallelen aus der Urgeschichte, Kulturgeschichte und Völkerkunde — Leipzig: R. Voigtländer Verlag, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.68897#0075
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VI.

Ruiturhistorische und ethnologische parallelen.
Bis vor ganz kurzer Zeit begannen die Darstellungen der Kunstgeschichte
mit dem orientalischen Altertum, ja heute noch geht eine ganze Zahl von Ge-
lehrten nicht weiter zurück. Erst seitdem die moderne Ethnologie und die Prä-
historie sich entwickelt haben, hat man erkannt, daß man die Anfänge der
Kunst viel weiter zurücklegen müsse. Die Meinung, daß die sogenannten „Milden"
keine Kunst hätten, auch keine bildende Kunst, ist, man darf dies wohl heute
mit Sicherheit aussprechen, zu Grabe getragen worden. Die Zeiträume, welche
der modernen Prähistorie durch die Geologie und die Paläontologie angewiesen
worden sind, bedeuten weit mehr als die paar tausend Jahre, mit denen man
früher rechnete. Menn man nun bedenkt, daß prähistorische Zeichnungen ent-
deckt worden sind, welche aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens in das früheste
Diluvium zu verlegen sind und wenn man bedenkt, daß diese Zeichnungen so
ausgezeichnet sind, daß unsere Biologen mit Sicherheit die Spezies der dar-
gestellten Tiere zu bestimmen wagen, so muß man daraus schließen, daß im
Diluvium der Mensch schon ganz bedeutende Kunstfertigkeit besessen haben muß.
Ja, klaatschI behauptet, es gäbe spät-tertiäre Steinwerkzeuge. Menn dem
so ist, so muß der Mensch schon in einer früheren Zeit als das Spät-Tertiär
gelebt haben und hier stehen wir vor Jahreszahlen, von denen wir uns über-
haupt keinen Begriff machen können. Die ältesten Bilder, welche wir haben,
stammen von unseren vorfahren aus der Steinzeit, und zwar sind dies nicht
nur in Knochen geritzte Bilder, sondern auch bunte Gemälde an höhlenwänden.
Menn man diejenigen heutigen Völker studiert, welche auf der niedrigsten Kultur-
stufe stehen, so findet man ebenfalls bildliche Darstellungen. Nur bei einigen
ganz wenigen Völkern scheint eine bildliche Darstellung überhaupt nicht zu
existieren, wie z. V. bei den pescherähs, aber es ist hier die Frage, ob diese
Leute nicht von einer höheren Kulturstufe herabgesunken sind, auf welcher sie
sich künstlerisch betätigten.

r) Rlaatsch. Siehe Weltall und Menschheit. Vd. II.

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