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WITTENBERG UND SEIN NEUER HOFMALER

Wittenberg heißt eigentlich Weißenberg, ist die Stadt auf dem weißen Berge
und wurde deshalb gerne von den Humanisten mit dem wohlklingenden
griechischen Namen „Leukorea“ genannt. Die gleichen Humanisten, die meist
aus dem blühenderen Oberdeutschland stammten und an glänzendenBildungs-
zentren wie Basel und Augsburg, Nürnberg und Erfurt wirkten, sahen um 1500 und auch
noch später mit einigem Spott auf das Städtlein an der Elbe und mochten, wie der Nürn-
V berger Scheurl, von dem bald noch mehr zu reden sein wird, über seine Lage an den
„Grenzen der Zivilität“ witzeln.

Mit der großen schwäbischen Handelsstadt Augsburg freilich, wo die fürstlichen Kauf-
mannsgeschlechter der Fugger und Welser herrschten und im Haus eines Peutinger die
erlesenste Renaissancebildung heimisch war, oder mit dem ehrwürdigen Nürnberg, wo sich
die vornehmsten Männer der Kunst und Wissenschaft um den geselligen Willibald Pirk-
heimer scharten, war das arme, entlegene Wittenberg nicht in einem Atem zu nennen.
Seit über zweihundert Jahren war es die Residenz der askanischen Sachsenfürsten. Im
Osten und Süden durch den Elbstrom, im Norden durch weite Sümpfe geschützt, lag es
— mehr ein Dorf als eine Stadt — in der Hut seiner alten Askanierburg. Als 1423, nach
dem Tode Albrechts des Armen, die Wettiner an die Stelle der Askanier traten, fiel das
stattliche Gebiet der späteren Provinz Sachsen und Thüringens an die ernestinische Linie
des sächsischen Hauses. Seit 1486 war Friedrich III., in der Geschichte als Friedrich
der Weise bekannt, seinem Vater Ernst in der Kurwürde gefolgt. Er erst sollte berufen
sein, die bescheidene Elbresidenz zu Glanz und Ehren zu bringen.

Ein neues geistiges und künstlerisches Leben hielt mit Friedrich in Wittenberg seinen
Einzug. Der dreiundzwanzigjährige Fürst wurde im Lauf zweier Jahrzehnte durch seine
kluge Einsicht und seine unter den Regenten der Zeit ungewöhnliche Redlichkeit ein
politischer Machtfaktor unter den deutschen Reichsfürsten. Darüber hinaus machten ihn
echte Frömmigkeit und gründliche Bildung zum weitblickenden Förderer der Künste und
Wissenschaften, wiesen ihm im Aufbruch der Renaissance und Reformation in Deutschland
eine entscheidende Rolle zu.

Im Jahre 1502 gründete der Kurfürst die Wittenberger Universität, die durch die Be-
rufung hervorragender Lehrer rasch in Aufschwung kam und bald genug zu ungeahnter
Weltbedeutung gelangen sollte. Während im Westen der Stadt, an der Stätte der früheren
Askanierburg, Schloß und Schloßkirche neu erstanden, wurde das Fridericianum als Haupt-
 
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