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sein. Schon 1524 wurde, noch in aller Heimlichkeit, auf dem Freiberger Schloß deutsche

Messe abgehalten. Wieviel Meister Lukas auch bei der Herzogin galt, geht aus der Widmung

der schon erwähnten Federzeichnung vom Sündenfall und der Erlösung hervor. Im Jahre

1537, also 23 Jahre nach dem hochzeitlichen Staatsbildnis, hat Cranach den Herzog Heinrich Abbildung 81

noch einmal gemalt — diesmal den schon alternden Mann mit breitem, angegrautem Bart.

Es ist reizvoll, diese denkmalhafte Kriegergestalt im braungelben Koller, das mächtige

Schlachtschwert in den eisengeschienten Händen, mit dem jungen, festlich aufgeschmückten

Mann im Nelkenkranz zu vergleichen und festzustellen, zu welchem Ausdruck die Gesichts-

züge des Freiberger Herzogs von der Zeit gesteigert und von der Künstlerhand zusammen-

gerafft wurden. Vermutlich hat Cranach die ganze Familie des Fürstenpaares gemalt. Ein

reichlich übermaltes Dresdner Bild mit drei sächsischen Prinzessinnen in Halbfigur kann

auf die drei Töchter gedeutet werden. Verbürgt sind die Bildnisse der zwei Söhne in Darm-

stadt. In dem des Prinzen M o r i t z, des nachmaligen berühmten Kurfürsten gleichen Namens, Abbildung 80

der in der Geschichte des Protestantismus eine verhängnisvolle Rolle spielen sollte, besitzen

wir eine der schönsten Porträtschöpfungen des Meisters und zudem eines der wenigen von

ihm erhaltenen Kinderbildnisse.

Eine ganz andere Erscheinung als der lebensfrohe, in Geschäften saumselige Freiberger
Herzog und in allen Stücken sein aufgelegter Widerpart war sein älterer Bruder, der über
die Mark Meißen mit Dresden und Leipzig gebot: Herzog Georg der Bärtige. Dieser
Albertiner war im Gegensatz zuHeinrich demFrommen einMann von ungestümemTätigkeits-
drang, in Geschäften genau und ein durch und durch pflichtgetreuer Regent. Mit Strenge
hing er am alten, katholischen Glauben und war -bekanntlich einer der hartnäckigsten und
unversöhnlichsten Gegner Luthers — zornmütig, heftig und schimpfgewaltig wie der Re-
formator selbst, freilich ohne dessen weiten BHck und großes Herz. Vergebens versuchte
Friedrich der Weise des einen und des anderen Temperament ausgleichend zu mäßigen;
er hatte Mühe genug, für seine Person mit dem jähblütigen Vetter in erträglichem Zustand
zu leben. Luther ließ keine Gelegenheit ungenutzt, um sich an dem „Tyrannen" und
„wütenden Herzog“ zu reiben. „Ich wollte in sein Leipzig hineinreiten“, ließ er sich ver-
nehmen, „wenn’s gleich neunTage eitel Herzog George regnete, und ein jeder wäre neunfach
wütender als dieser ist." Fast im gleichen Atem gesteht er allerdings, daß er „für Herzog
Georg nicht einmal, sondern gar oft gebeten und geweint habe, daß ihn Gott erleuchten
wolle“ . . . Der Leipziger seinerseits war zu gerecht und zu gescheit, um seinem so verhaßten
Glaubensfeind nicht wenigstens das Verdienst der deutschen Bibelübersetzung zu lassen,
faßte aber Lob und Grimm in den kräftigen Ausruf zusammen: „Wenn doch der Mönch die
Bibel voll deutschete und ginge darnach, wo er hin sollte!“

Die hitzige Gegnerschaft gegen Luther und die neue Lehre hinderte den Herzog nicht,
sich mit dem Wittenberger Hofmaler besser zu vertragen als mit dessen Freund und den
geschätzten Künstler mit Aufträgen zu bedenken, die ihn nach Dresden und Meißen führten.

Daß darüber unser Meister Lukas den Reformator und dessen Sache nicht verleugnete,

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