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Keim und Kern dieser umfassenden bürgerlichen Tätigkeit, seiner geistigen Interessen
und seiner gesellschaftlichen Stellung war und blieb durch die langen Jahrzehnte seines
Lebens sein Künstlerberuf, seine weitberiihmte Werkstatt. Cranach war kein Mann des
Ateliers im modernen Sinn. Er lebte und webte im überlieferten Weckstattbetrieb, und
seine Kunst blieb — beileibe nicht nur zu seinem wirtschaftlichen Vorteil, sondern' auch
zu dem der ihm eigenen, schulebildenden Kraft — ohne Wanken und Schwanken dem
Handwerk verbunden.

Wie friiher schon erwähnt wurde, ist unsagbar viel gedacht und geschrieben worden, um
aus dem Wesen der Werkstatt unseres Meisters Lukas eindeutige und überzeugende Ordnung
in sein Gesamtwerk zu bringen, echt und unecht zu scheiden, des Malers eigenhändige Leistung
von der der Schüler und Mitarbeiter, voran der Söhne, ein für allemal zu trennen und die
zeitliche Reihenfolge der einzelnen Werke zu sichern. Aus den spärlichen urkundlichen
Nachrichten zu Cranachs und der Seinigen Leben, aus stilkritischen Merkmalen, besonders
aus dem Wandel des Signums (Künstlerzeichens) sind kühne, zum Teil bestechende Theorien
entstanden und wieder verblaßt, um neuen Platz zu machen. Man darf iieute sagen: jede
solche Theorie — ob sie zum Pseudo-Grünewald führte, ob zum Meister der Gregorsmesse
oder zur einseitigen und übertriebenen Herausstellung der Söhne Hans und Lukas des
Jüngeren — hat das Problem eher noch verwickelter gemacht statt geklärt oder gar ein
Problem aufgeworfen, das eigentlich nicht vorhanden war.

In dem berührten Wappenbrief, den Friedrich der Weise schon im Jahre 1508 seinem
Hofmaler verliehen hat, war als Hauptstück des bis ins kleinste beschriebenen Wappens die
schwarze Schlange mit Fledermausflügeln bezeichnet — auf dem Haupt eine Krone und im
Maul „ein gülden Ringlein“. Die geflügelte und gekrönte Schlange ist von da ab als das
übliche Künstlerzeichen des Meisters auf seinen Gemälden und graphischen Blättern
nachzuweisen, während vorher als Signum die Anfangsbuchstaben des Namens L. C. auf-
treten. Wir müssen darauf verzichten, zu ergründen, wie Cranach zu dem Schlangensinnbild
kam, d. h. in welcher Beziehung gerade dies Zeichen zu ihm stand. Es ist, wie schon früher
angedeutet, nicht ganz unwahrscheinlich, daß es auf den Familiennamen „Sünder“ hinweist.
Ohne weiteres leuchtet ein, wie wichtig das Schlangenzeichen für die Feststellung der zeit-
lichen Entstehung solcher Arbeiten ist, die überhaupt keine Jahreszahl tragen oder aber
die Schlange in Verbindung mit einer Jahreszahl zeigen, die zeitlich vor 1508 liegt, so daß
auf einen Irrtum in der Datierung geschlossen werden kann. Nun hat aber das Cranachsche
Schlangensignum im Lauf der Jahre eine auffallende Veränderung erfahren. Seit 1537 er-
scheinen die Fledermausflügel liegend statt aufgerichtet. Es gibt dafür eine einfache und
glaubhafte Erklärung. Ende des Jahres 1536 erreichte Wittenberg die Nachricht vom Tode
des Hans Cranach in Bologna, die die Eltern so tief erschütterte. Wenn von 1537 ab die
Schlange als allbekanntes Wappentier und Kiinstlerzeichen des Malers Lukas die Flügel
senkte, liegt es nahe genug, diese Änderung mit dem traurigen Familienereignis in Ver-
bindung zu bringen. Cranach hätte damit seinem Schmerz einen schlichten und doch weithin

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