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Deutschland <Deutsches Reich> / Reichs-Limeskommission [Hrsg.]
Limesblatt: Mitteilungen der Streckenkommissare bei der Reichslimeskommission — 1.1892-1893

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Nr. 2 (31. Dezember 1892)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8929#0022
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— 35 —

Limesblatt.

— 36 —

2,45 m (j). praetöria) und 2,66 m (p. decu-
mana). Statt der sonst üblichen Thor-
thürme zeigten sieb liier jedoch nur zwei
rechtwinklig nach hinten zurückspringende
Mauerstümpfe von 2,60 m Länge. An
ihnen machte sich die flüchtige Unordent-
lichkeit der Mauerung besonders bemerk-
lich, und es ergab sich überdies, dass das
einstige Bohlenthor (dessen Sparen sich in
der p. praetöria vorfanden) ohne Schwelle
und Anschlagpfeiler in primitivster Weise
an rechts und links eingerammten Balken
befestigt gewesen sein musste.

Gegen Erwarten ergab auch eindring-
liches Suchen keinen das Kastell um-
gebenden Wallgraben, und eine noch
bemerkenswertere Abweichung von der
Regel wurde durch die Thatsacbo konsta-
tiert, dass ein Wall hinter der Umfassungs-
mauer, als Standpunkt der Verteidiger, liier
gänzlich fehlte, und dass auch keinerlei
Spuren einer diesen Wall etwa ersetzenden
Einrichtung, wie z. B. ein hölzerner Wehr-
gang, aufzufinden war. Die dicht hinter
der Mauer, und nur da, im schwärzlichen
Grunde einer 35—40 cm dicken Kultur-
schichte aufgefundenen (ungemein zahlrei-
chen) Tierknochen, Gefässscherben, Werk-
zeuge und Gebrauchsgegenstände verschie-
dener Art bewiesen vielmehr, dass die
Besatzung ihren Lager- und Kochplatz in
einem 4—5 m breiten Gürtel unmittelbar
hinter der Mauer gehabt haben musste.
Weiter nach dem Kastcllinncrn zu hörte
diese Kulturschichte gänzlich auf. Die
schwierige Frage, wie bei diesem Befunde,
also beim Mangel eines vorliegenden Gra-
bens und eines Wallganges, die Verteidigung
des Kastelles eingerichtet und bzw. ermög-
licht war, ist bis jetzt ungelöst.

Zahlreiche Versuchsgräben kreuz und
quer durch den ganzen Lagerraum setzten
es ausser Zweifel, dass im Innern des
Kastells feste gemauerte Gebäude und der-
gleichen Anlagen sich nicht befunden haben
können. Nur an wenigen regellos zer-
streuten Stellen schienen meist wenig tief
unter der Oberfläche befindliche, ungefähr
gestückartige Steinlagen darauf hinzudeu-
ten, dass hier einstmals wohl Baraken
oder Hütten mit Lehmfachwänden gestan-
den und ihren Untergang durch Feuer ge-

funden haben mochten, da jene mehr oder
weniger mit Brocken rotgebrannten Ge-
fachlehms bedeckt waren. Der ganze Be-
fund schien übrigens darauf hinzudeuten,
dass in weit zurückliegender Zeit eine
durchgreifende Umarbeitung des Lagorbo-
dens, wohl zu Ackerbauzwecken, stattge-
funden haben mochte.

Ungelöst blieb bis jetzt auch die Frage
der einstigen Versorgung des Kastells mit
Wasser, da eine Brunsen- oder Cisternen-
Anlage nicht aufzufinden war, und in
weitem Umkreise jede Quelle oder sonstiger
Wasserlauf mangelt. Von einer bürger-
lichen Niederlassung bei dem Kastell, die
K. Christ a. a. 0. erwähnt, ergab sich, wie
zu vermuten war, keine Spur.

Die Ausbeute an erheblicheren Fund-
stücken war trotz der umfangreichen Aus-
grabung gering. Hervorzuheben wären etwa
4 Denare, je einer von Caracalla, Alexan-
der Severus, Maximinus und Gordianus III,
die dem Zeitraum zwischen 218 und 241
angehören, eiu schöner Bronzehenkel mit
weiblichem Kopf, ein rundes Schälchen
von Bronze, verschiedene eiserne Werk-
zeugstücke, darunter namentlich ein sg.
Dechsel, verschiedenartige Meissel, einige
feinere, wie es scheint Modellier- oder
chirurgische Instrumente, mehrere Messer-
klingen, einige Schreibgriffel, die 4kantige
Spitze eines Wurfspiesses mit Tülle, das
ausgeschliffene Stück einer wuchtigen
Schwertklinge und ein rundgebogenes Be-
schlägstück, das vielleicht von einem Schild-
rand herrühren könnte. Alle diese Gegen-
stände zeigten sich in dem trockenen Boden
auffällig gut erhalten.

Unter den zahlreichen aber wenig man-
nigfaltigen Gefässcherben (auch solchen
von terra sigillata) überwogen weitaus die
Überreste eines gewöhnlichen Gelasses,
dessen Randform und oft grobe, schon
steingutartige Masse jedenfalls einer späten
Zeit angehören, wie denn überhaupt fast
die sämtlichen Erscheinungen und Ergeb-
nisse der Ausgrabung das Gepräge späte-
rer, nicht wohl vor das 3. Jahrhundert zu-
rückreichender Zeit an sich tragen.

Irgendwelche bestimmtere Anhalts-
punkte für die Zeit der Erbauung des
Kastells und die Bestimmung seiner Be-
 
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