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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart (Band 1) — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.26745#0023
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Erftes Kapitel. Aegyptifche Baukunft.

5

Kafteneintheilung, welche alle
Erblichkeit jener Lehren und

glyphe

der Geometrie und Aftronomie, und durch die
Einrichtungen des Lebens durchdrang, war die
Kenntniffe gefichert.

Die Religion des Volkes war zwar eine vielgÖtterige, aber in den Hauptgott- Religion
heiten Ifis und Ofiris waren zunächfl nur die natürlichen Erfcheinungen der Nil-
anfchwellung fymbolifch ausgedrückt. Im Uebrigen gefeilte lieh ein Thiercultus
von ziemlich rohfmnlichem Gepräge hinzu, wie denn auch felbft den Göttern
Thierköpfe gegeben wurden. Neben diefer allgemein verbreiteten Lehre wird
jedoch auch eine mehr philofophifche Aufladung behänden haben, die indeß eine
klare Ausprägung um fo weniger gewonnen zu haben fcheint, als die Geiftes-
richtung der Aegypter der philofophifchen Speculation keineswegs günftig war.

Für den vorwiegenden Trieb nach gefchichtlichem Leben, fo wie für das Be-
dürfniß bildnerilcher Thätigkeit fpricht die merkwürdige Erfindung der Hiero-
glyphen, in welcher ungefügen Schrift bedeutende Thaten und Ereigniffe den
Mauern der Denkmäler eingegraben find. Diefe monumentale Schrift der Aegypter,
deren Entzifferung dem jüngeren Champollion zuerft gelang, ift ein gemifchtes
Syftem bildlicher Zeichen, welche nur zum kleineren Theile direkt den Gegen-
ftand, von welchem die Rede ifl, darftellen oder auch ihn fymbolifch andeuten,
größtentheils aber einen blos phonetifchen Charakter haben und eigentliche Buch-
ftabenfehrift find. Die Hieroglyphen bedecken in großer Ausdehnung, bald von
der Linken zur Rechten, bald umgekehrt, bald von oben nach unten in Reihen
geordnet, die Flächen der Monumente, und zwar nicht blos die Wände, fondern
felbft die Säulen, Pfeiler und Gefimle.

Aegyptens Gefchichte reicht bis in die grauefte Urzeit hinauf, bis zu Jahr- Gefchich
hunderten, aus denen von keinem anderen Volke der Erde eine Kunde zu uns
gedrungen ift. Den Regierungsantritt des erften Königs Mena (Menes bei den
Griechen) fetzt Mariette um 5000, Lepfius um 4000, Bunfen und andere Forfcher
um 3500 v. Chr. Es beginnt damit die Zeit des alten Reiches, .welches feinen
Hauptfitz in Unterägypten in Memphis hatte. Die erften zehn Manethonifchen
Dynaftien fallen in diefe Periode. Von da rückt der Schwerpunkt der Herrfchaft
allmählich nach Oberägypten, und Theben wird fortan der Mittelpunkt. Dies
ift die Zeit des mittleren Reiches; doch ift diefe Epoche fo kurz, daß man beffer
thut wie bisher fie dem alten Reiche zuzutheilen, deffen zweite Periode fie dann
bildet. Gegen Ende der 12. Dynaftie, um 2100 v. Chr. erlag Aegypten den Ein-
fällen eines fremden Nomadenvolkes, der Hykfos, welche das untere Land
befetzten und die Pharaonen nach Oberägypten zurückdrängten. Von da bis zur
Eroberung durch die Perfer rechnet man das neue Reich. Diefe lange Periode
zerfällt in zwei Zeitabfchnitte, das thebanilche Reich bis zur XX. Dynaftie, und
von da bis zur XXX. die fa'itifche Epoche, während welcher der Schwerpunkt
der Macht wieder nach Unterägypten, nach Sa’is und andren Deltaftädten rückte.

Vor mehr als 3000 Jahren v. Chr. errichtete man fchon die Koloffalbauten der
Pyramiden, die dem alten Reiche von Memphis in Unter-Aegypten angehören. Die
letzte Zeit, den Blüthenpunkt des alten Reiches, jetzt als «mittlere» bezeichnet, reprä-
fentiren die Fellengräber von Beni-Haffan in Mittel-Aegypten und wrahrfcheinlich
der als großer Wafferbehälter ausgegrabene MÖrisfee. Die Herrfchaft der Hykfos
wurde nach fünf hundertjährigem Beftehen von Aahmes (Thutmes) III. durch
einen glücklichen Krieg gebrochen. Von da beginnt der Auffchwung des neuen
 
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