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der Rückseiten, der Weimarer Altarflügel sei,
findet von diesem Selbstbildnis aus keine Be-
stätigung, weil die bildnishaften Typen der Jünger
in der Darstellung der Himmelfahrt auf der Rück-
seite des rechten Weimarer Flügels dieses Bildnis
nicht wiederholt zeigen. Vielleicht führt jedoch
dieser Hinweis einmal dazu, das Bildnis auf an-
deren Werkstattarbeiten wiederzufinden und so
einen der Gehilfen der Cranachwerkstatt an meh-
reren Werken nachzuweisen. Auf die Verwandt-
schaft des Bildnisses Cranachs des Älteren in dem
Hofmann-Epitaph mit dem Bildnisse des Wei-
marer Altares hat ebenfalls Zimmermann hinge-
wiesen, als er das Florentiner Bildnis überzeugend
dem jüngeren Cranach zuschrieb.*

Als Ergebnis der Untersuchung läßt sich abschlie-
ßend feststellen, daß drei wirkliche Selbstdarstel-
lungen des älteren Cranach erhalten sind: im Holz-
schnitt von 1509, in der „Heiligen Sippe“ von
ca. 1510 und in der „Enthauptung Johannes des
Täufers“ von 1515. Urkundlich ist noch eine
weitere belegt, die bei dem Augsburger Aufent-
halte zwischen Herbst 1550 und Frühjahr 1551
entstanden ist. Es wird in einer eigenhändigen Rechnung „Item was ich seit der nächsten Rechenschaft
gemalt hab zu Augsburg“ mit „5 Floren vor mein Conterfet mit einem Weibe“ angeführt (Landeshaupt-
archiv Weimar, Reg. Aa. 2975, fol. 18-21). Wenn wir beachten, daß dieses Bild für den Fürsten Johann
Friedrich von Sachsen gemalt worden und von ihm bezahlt worden ist, dann dürfen wir wohl vermuten,
daß es sich auch hier um ein Bildnis „in der Assistenz“ gehandelt hat, denn daß sich Cranach im Selbst-
bildnisse mit einer bestimmten Frau hätte malen müssen, ist doch recht unwahrscheinlich.

Nach der gegenwärtigen Kenntnis des Materials gibt es also keine anderen Selbstbildnisse als solche in
der Assistenz von Cranach dem Älteren. Eine Selbstdeutung seines Wesens glaubten wir in dem melan-
cholisch-resignierenden Blick erkennen zu dürfen. Cranach der Jüngere malte seinen Vater in dem
wundervollen Bildnis in den Uffizien, er stellte ihn zwischen den Täufer und Luther im Weimarer Altar-
bilde und ehrte ihn als Haupt der Schule und Werkstatt mit dem Porträt im Dresdener „Elias-Opfer“.
Von Werkstattgehilfen sind die Darstellungen in Gotha und im Leipziger Epitaph des Balthasar Hof-
mann, wo sich der Gehilfe wahrscheinlich selbst neben Cranach dem Älteren und dem Jüngeren ab-
gebildet hat. Ohne Beziehung zu Cranachs Werkstatt sind nur zwei Bildnisse, die Meisterzeichnung Dürers
von 1524 und der schematische Wittenberger Holzschnitt von 1542.

Hat Cranach nun sein Bildnis „in der Assistenz“ gemalt, so sind deshalb noch nicht alle Assistenzbild-
nisse auch Selbstbildnisse. Vielmehr ist in Cranachs Werkstatt die Anonymität des Meisters, des Sohnes
und der selbständigen Gesellen so weit getrieben, daß „Selbstbildnisse von fremder Hand“ Vorkommen
können, daß die Bildnisse von Vater und Sohn Cranach Werkstattrequisiten geworden sind, die als
Figuranten in Bildnisgruppen in Gemälden jederzeit und von jeder Hand der Werkstatt gemalt werden
konnten.

Die Untersuchung von Cranachs Bildnissen und Selbstbildnissen kann somit vorzüglich die Vorstellungen
ergänzen, die man sich von der Arbeit in dieser riesigen Werkstatt gemacht hat. Sie erhärtet die Mei-
nung, daß es sich hier um einen der ersten der künstlerischen Großbetriebe gehandelt hat, mit denen
die mittelalterlichen Zunftbeschränkungen gesprengt wurden und in denen sich die höfischen Ateliers
und Akademien der Zeit des Absolutismus ankündigten.

* Zs. f. Kunstwissenschaft I. 1947. S. 51 ff.

738. Ausschnitt aus dem gegenüb er stehenden Bild
 
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