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litterarum praestantiam necnon laudem ecclesiae collegiatae Vittenburgensis“3 seine Lobschrift auf Cra-
nach.4 Selbst wenn man berücksichtigt, daß Scheurl zu diesem Zeitpunkt Universitätslehrer in Witten-
berg war und also mit Cranach in persönlicher Berührung stand, muß doch verwundern, daß dessen
erst kurze Tätigkeit am Wittenberger Hofe Scheurl schon zu dem Ausspruch bewegen konnte, Cranach
nehme nach Dürer den ersten Platz in der Malerei ein (bei Wimpfeling wird Dürer allein erwähnt); erst
durch sie beide sei diese nach dem Verfall im Mittelalter wieder ins Leben gerufen worden. Sicherlich
wußte Scheurl von dem Ruhm, den sich der dreißigjährige Cranach im Wiener Humanistenkreis er-
worben hatte. Bei der Beurteilung von Cranachs Werken bedient sich Scheurl ganz der aus der italieni-
schen Geisteswelt stammenden Wertmaßstäbe, wobei die treue Naturnachahmung mit dem Ziel einer
illusionistischen Wirkung an Hand kaum glaublicher Beispiele besonders hervorgehoben wird. So sollen
die Lochauer Bürger demütiglich gegrüßt haben, wenn sie durchs Fenster des Schlosses das von Cranach
gemalte Bild ihres Fürsten sahen und ihn leibhaftig zu erblicken glaubten. Der beliebte Vergleich mit
Zeuxis und Apelles darf natürlich ebenfalls nicht fehlen.

Die nächste zeitgenössische Erwähnung Cranachs stammt bemerkenswerterweise aus Frankreich und
befindet sich in einer der 3. Ausgabe von Jean Pelerins Perspektivtraktat (,,De artificiali perspectiva“5,
Toul 1521) voranstehenden Widmung an die berühmtesten französischen, deutschen und italienischen
Maler; hier erscheinen nebeneinander die Namen Lucas und Luc, und die darauf folgende Nennung
Dürers (Albert) läßt mit ziemlicher Sicherheit die Annahme zu, daß damit Lucas van Leyden und Cra-
nach gemeint sind. Eine besondere Charakterisierung Cranachs sowie der anderen genannten Künstler
erfolgt hier nicht, und auch Beatus Rhenanus, zeitlich der nächste Gewährsmann, begnügt sich mit
einer bloßen Aufzählung von Künstlernamen. Immerhin ist es wichtig genug, daß dieser Humanist,
der sich hauptsächlich im Elsaß aufhielt, in seinen 1526 erschienenen Emendationen6 zu Plinius im An-
schluß an die Künstler der Antike auch vier deutsche Maler als die derzeit berühmtesten nennt und daß
hier Cranach neben Dürer, Baidung und Holbein erscheint.7 Cranach selbst findet bei Beatus Rhenanus
noch einmal Erwähnung: in den ,,Rerum Germanicarum libri tres“8 (1531), dem ersten deutschen Ge-
schichtswerk von Bedeutung, beschreibt der Gelehrte die Kunstsammlungen der Fugger in Augsburg,
deren Bildnisse von der Hand eines Lucas Cronburgius (identisch mit Cranach) ihn neben italienischen
Gemälden und Antiken besonders beeindruckt haben.9

Alles dies ergibt, daß Cranach schon zu seinen Lebzeiten unter die ersten Maler Deutschlands gerechnet
wurde und weit über seinen sächsischen Wirkungskreis hinaus bekannt war. So konnte auch Melanchthon
nur unter der Voraussetzung einer allgemeinen Kenntnis der Werke Cranachs dessen Gemälde neben
denen Dürers und eines Matthias, der wahrscheinlich mit Grünewald identisch ist, zur Verdeutlichung
der drei rhetorischen Stilgattungen, des Genus grande, humile und mediocre10, in seinen „Elementorum

3 Rede, betreffend den Vorrang der Wissenschaften wie auch das Lob der Stiftskirche Allerheiligen zu Wittenberg.

4 Früher noch ist Cranach in einer Schrift des seit 1505 in Wittenberg lebenden Humanisten Georgius Sibutus Daripinus (Carmen
in tribus horis editum de musca Chilianea) erwähnt, die 1507 in Leipzig herauskam. Im Repertorium für Kunstwissenschaft XVII
S.433 wird daraus folgende Stelle zitiert: „Aut alii multi, quos secula nostra probatos pictores norunt, inter quos gloria prima hic
vivit Lucas nostro sub principe Möller“ (... oder viele andere, die unser Jahrhundert als treffliche Maler kennt, darunter Lucas Möller
der hier unter unserem Fürsten in höchstem Ruhme lebt). Über den Zusammenhang ließ sich nichts Näheres ermitteln, da die Schrift
nicht im Original eingesehen werden konnte.

5 Über die kunstgerechte Perspektive.

6 Verbesserungen, Nachträge.

7 „Quales apud priscos multi extitere, apud Germanos hodie sunt inter primos clari, Albertus Durerius apud Norimbergam, Argentorati
Joannes Baldugnus, in Saxonibus Lucas Cronachius, apud Rauricos Joannes Holbeinus“ (Wie unter den Alten viele hervorgeragt haben,
so glänzen bei den Deutschen heute an erster Stelle Albrecht Dürer in Nürnberg, Johannes Baidung in Straßburg, Lucas Cranach
in Sachsen, Johannes Holbein in der Schweiz).

8 Drei Bücher über deutsche Geschichte.

9 „Hic passim vidimus exquisitissimas picturas ex Italia advectas, multas etiam iconicas tabulas manu Lucae Cronburgij feliciter
absolutas“ (Hier sahen wir mehrere ausgezeichnete Gemälde aus Italien und auch viele von der Hand Lucas Cronburgs glücklich
ausgeführte Bildnisse).

10 Genus grande, humile und mediocre: erhabene, mittlere und niedere Stilart. - Zwei Bücher über die Anfangsgründe der Redekunst. -
In der Malerei sind diese Unterschiede leicht erkennbar. Dürer malt alles recht bedeutend und abwechslungsreich durch dichte Linien-
führung. Lucas’ Bilder sind schlicht, und wenn sie auch gefällig sind, so zeigt doch ein Vergleich ihren Abstand von Dürers Werken.
Matthias ging gewissermaßen einen Mittelweg.

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