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Mannheimer Abendzeitung. Landtags-Bericht — 1848

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Nr. 21 - Nr. 28
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https://doi.org/10.11588/diglit.47792#0040
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40

Zustand der Gesittung und der politischen Bildung an
eine Gesetzgebung macht. Wollte man uns Badner sür
eine allgemeine Gesetzgebung gewinnen, so müßte man
alle die großen Vorzüge des Code Napoleon aner-
kennen, seine Feßler vermeiden und zu den großen jetzi-
gen Vorzügen neue hinzufügen. Es müßten (um nur
einige Punkte hervorzuheben) die Beurkundungen des
bürgerlichen Standes über Geburten, Heirathen, Todes-
fälle, in die Hände der Gemeinden gelegt werden. Die
Ehe wäre als ein bürgerlicher Vertrag anzuerkennen,
freilich als ein besonders geheiligter; jedoch ganz unab-
hängig von einer kirchlichen Einweihung. Das Recht
der Familie müßte ebenso in vollem Umfang anerkannt
sein; — Familienrath: nur gehörigem Aufsichtsrecht
des Staates. Das Eigenthnm wäre zu sanktioniren mit
möglichster Befreiung des Grund und Bodens von allen
Lasten. Die Güterauhäufung in todter Hand wäre zu
untersagen, wie auch eine Güteranhäufung in einzelner
Hand zu beschränken ist. Der letzte Willen, alle Ver-
träge müssen möglichst klare Formen haben. Das Un-
terpfandwesen soll so eingerichtet sein, daß der Kredit
der Gemeinden dadurch gehoben wird. Diese und viele
andere Bestimmungen werden, zumal zur Befriedigung
Derer dienen, welche jetzt den Code Napoleon haben!
Der „Code" enthält fast Nichts, als ewige Wahrheiten,
natürliches Recht und germanisches Recht.
(Stimmen: Sehr wahr! sehr gut!)
Je weniger wir uns von den Vorzügen des Kode
Napoleon entfernen, desto besser wird diese allgemeine
bürgerliche Gesetzgebung ausfallen.
Jung Han ns bedankt sich bei seinem geehrte» Freund
für die Motionsbegründung. Die allgemeine Gesetzge-
bung wird ein wesentliches Mittel zur Beförderung deut-
scher Nationalität und gegenseitigen Verkehrs werden.
Die Hindernisse sind nicht zu verkennen: die Anzahl der
bestehenden Gesetzbücher und die Verschiedenheit deutscher
Volksstämme sind die Haupthindernisse. Gegen das erste
haben wir ein Heilmittel in der Größe des Uebels selbst.
Das zweite Hinderniß ist nicht so hoch anzuschlagen.
Durch die deutschen Gesetzgebungen geht immerhin ein
gemeinsamer Faden. Ich erkenne an, daß selbst im
Kode Napoleon viel Germanisches liegt. — Ist auch
nicht zu erwarten, daß gleich beim ersten Mal ein Er-
folg kömmt, so wird die Zeit doch endlich das Bedürf-
niß befriedigen. Haben sich doch schon in Sachsen, ha-
ben sich doch schon unter den Gesandten des Leipziger
Wechselkongresses die Stimmen fast allgemein im heuti-
gen Sinne ausgesprochen.
Hägelin hofft auf baldige Einführung des allge-
meinen Gesetzbuches. Das Wechselgesetz und das „gleich-
mäßige Kommando beim 8. Armeekorps" bestimmen
ihn zu dieser schönen Hoffnung. Vorerst will er Ge-
meinsamkeit wenigstens im Obligationenrecht.
Mez: Dem Patrioten, der es nie vergißt, daß
sein eigentliches Vaterland Deutschland ist, muß jeder
Augenblick wichtig sein, wo für die Vereinigung Deutsch-
lands neue Punkte gebildet werden sollen. Mich hat
die Ausführung deS Motionöstellers erfreut, mich haben
Hei der Wechselgesetzfrage die Worte deS Herrn Re-

gierungskommissärs erfreut; ebenso aber auch die Worte?
welche der Abg. Peter heute sprach. Das muß ein
edles Volk sein, wenn ein Mann, der lange als Rich-
ter unter ihm gelebt hat, solche herrliche Worte sprechen
kann.
Chrrst: Die Frage über ein gemeinsames deut-
sches Gesetzbuch beginnt aus einer wissenschaftlichen eine
praktische zu werden. Ich begrüße daher die Motion.
Immer von Neuem müssen wir aber unsere Wünsche
aussprechen, damit endlich die Befriedigung von Oben
kömmt. Die deutschen Fürsten müssen ihre Stellung
begreifen; denn das Leben drängt! Der geistige Zu-
sammenhang Deutschlands ist so herangewachsen, daß es
unmöglich ist, mit dieser chaotischen Masse, nicht von
38, sondern wenigstens von 138 Rechten, welche neben
einander bestehen, weiter zu regieren. Ist es ja doch
fast gar nicht denkbar, daß man mit irgend einer Si-
cherheit mit dem Bewohner andrer deutscher Länder ein
Rechtsgeschäft eingehe — selbst für den, dessen Aufgabe
das Nechtsstndium ist! Das ist eine Thatsache und ein
Unglück. Die deutschen Fürsten müssen dem ein Ende
machen. Aber große Schwierigkeiten sind zu überwin-
den! Ich will nicht von materiellen Schwierigkeiten
reden: — Die größte Schwierigkeit liegt vielmehr da-
rin, daß die zwei deutschen Hanptstaaten, von welchen
die Anregung ausging, bereits mit geschlossenen Gesetz-
büchern dastehen. Preußen wird vielleicht sein Landrecht,
Oesterreich sein vortreffliches bürgerliches Gesetzbuch nicht
aufgeben wollen. Doch ich hoffe, daß Preußen, dessen
Gesetzbuch zur Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung
nicht tauglich ist, seinen hohen Beruf erkennen und sich
an die Spitze der deutschen Intelligenz stellen wird.
(Stimmen bezweifeln dies stark.)
Oster: Ich unterstütze die Motion deS Abg. Zent-
ner. Sie ist eine der wichtigsten, die auf diesem Land-
tage gemacht worden sind und gemacht werden. Möge
Eine hohe Regierung die Mittel finden, alle Schwierig-
! leiten zu überwinden! Denn die Motion ist wichtiger,
als alle Anträge auf Censurfreiheit, GeschwornengerichL
! u. s. w.
(Stimmen: Oho!)
Bissing unterstützt die Motion „in der Richtung
Christ's." Von der deutschen Bundesversammlung er-
wartet er NichtS; denn er hat leider bemerken müssen,
daß der Bund hauptsächlich zu reaktionären Schritten die
Hand bietet. Nur von den Staaten deS Zollvereins in
Gemeinschaft mit der Germanistenversammlung, erwartet
Bissing Gutes.
Helbing: Besonders drückend werden die Miß-
stände gefühlt, welche auS den partikularen Rechten dem
Handel erwachsen. Eine allgemeine Gesetzgebung wird
viele Verluste verhindern.
Knapp bemerkt mit Vergnügen, daß das Nichter-
wartete endlich geschehen ist. Wir erhalten ein allge-
meines Wechselgesetz; hoffentlich bald auch ein allgemei-
nes „Preßgesetz." Was die Motion Zentner's anlangt,
so wünscht er, daß sie nicht das Schicksal jener Motion
 
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