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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0021
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Poitiers (1346 und 1356) vernichtender Art die Wirkung der Pfeile
von den ob ihrer Geschicklichkeit berühmten englischen bowmen vor
Augen geführt. Freilich lag die Befürchtung nahe, das ohnehin
schwerbelastete Reitpferd zu überbürden oder dessen Beweglichkeit
empfindlich zu schädigen, und mag dergleichen Erwägung wohl Ursache
sein, dass man anscheinend erst am Ende des 12. Jhdts. dazu schritt, das
Kriegsross mit einer Panzerdecke, ifercouertiure (coopertura), manchmal
schlechthin biu iferitt genannt, zu bekleiden, als die Pfeile, Bolzen und
Wurfspiesse der Sarazenen keine Wahl mehr Hessen, überdies die Feinde
selbst an ihren eleganten Pferdeausrüstungen den Weg wiesen, wie man
ein Pferd durch geschlagene kleine Metallplättchen oder durch Ring-
geflecht schützen könne, ohne dessen Beweglichkeit allzusehr zu beein-
trächtigen.

Das ors wurde demgemäss geiüäpent, tuol bebaut oder uerbecfet,
wir finden deshalb in Bündnissbriefen, Lehnbriefen und ähnlichen
Urkunden seit dem 13. Jhdt. die beinahe stehende Formel, mit so und
so viel gebauten orfen zur Hülfe oder zum Dienste bereit zu sein im
Kriegsfalle. Über eine dichte, aus Filz oder Rindsleder bestehende
Unterlage (parfcbe) ward die Panzerdecke in einer Ausdehnung gebreitet,
dass von dem ganzen Pferde nur die Beine abwärts vom Knie
bezw. vom Sprunggelenk, an dem Kopfe nur das Maul, die Augen
und Ohren unbedeckt blieben; indess müssen wir gleich vorgreifend
bemerken, dass bei Turnierrossen hin und wieder die Prachtdecke nur
bis an den Aufsatz des Halses reichte, also keine Kapuze vorhanden
war. Die ganze couertiure bestand aus zwei Hauptteilen, welche durch
den Sattel getrennt und an diesem befestigt waren, dergestalt jedoch,
dass unterhalb der Sattelklappen (gaginlebtr) ein freier, Gurt und Steig-
riemen unbedeckt lassender Raum blieb, um den Reiter nicht in
Schenkellage und Sporengebrauch zu stören. Der hinter dem Sattel
liegende Teil, geleger oder groptere, bedeckte sogar den Schweif bis
zu der wenig unterhalb des Deckensaums hervorschauenden Spitze.
Den vorderen Teil, bruftenier, hat man sich wie eine moderne Kapuz-
decke vorzustellen, in der Tat nannte man den das Pferdehaupt
deckenden Teil gügerel mit Bezugnahme auf die allgemeine Bezeich-
nung der Kapuze als gugele oder fogel; für letztere kommt allerdings
auch die dem Altfranzösischen entlehnte Bezeichnung testier vor. Erst
im 14. Jhdt. entwickelte sich zur weiteren Verstärkung des Hauptschutzes
die lederne Rossstirne (cbamfrein), welche im 15. Jhdt. aus geschmiedetem
Eisen, nach Technik und Ornamentik entsprechend der ganzen Harnisch-
garnitur des Ritters, hergestellt wurde. Höchst selten ist auf zeit-
genössischen Abbildungen die iferin oder eiserne Pferdausrüstung wahr-
zunehmen, deshalb nämlich, weil sie vollständig von einer darüber
liegenden und ihren Formen genau sich anschliessenden Prachtdecke
verhüllt wurde.Bei den zum turnet (btlburt, tjofte) ausgerüsteten
Pferden war die Eisendecke überhaupt nicht notwendig; hier galt es
ja als grober Verstoss, das jperrcs des Gegners zu verwunden oder
dasselbe überhaupt mit der Waffe zu treffen.

Hatte der Ritter, zunächst veranlasst durch die glühenden Strahlen
der syrischen Sonne im heiligen Lande, das Bedürfniss eines schützenden
Stoffüberkleides für sein Eisengewand erkannt, so machten sich folge-
recht dieselben Beweggründe geltend bei der Pferderüstung, das ors
wurde demgemäss üerlaufetttert, d. h. seine Flanken, aber auch Haupt
und Rücken, mit Stoff bedeckt und zugleich geschmückt. Die über-
geworfenen Prachtdecken entsprachen der Farbenfreude des Mittelalters
in so vollkommener Weise, dass sie geradezu charakteristisch für das
Rittertum geworden sind. Die schönsten damals bekannten, aus Sicilien
oder Byzanz und dem Orient bezogenen Seidenstoffe wurden dazu ver-
wendet und zwar stets in leuchtenden reinen Farben, indem bekannter-
massen das Mittelalter alles Verschwommene, Unklare hasste. Der

33) Parz. 36 23 211 0 261 10 450 11, Willeh. 360 w 395 9.

meist ungemusterten Stoffe bemächtigte sich die Pracht der heral-
dischen Ornamentik, insonderheit konnte die hoch entwickelte Kunst
der Nadelmalerei auf den grossen Flächen in um so ungebundener,
lediglich durch ästhetische Willkür bestimmter Weise sich ergehen, als
ja die Heraldik der Wirklichkeit, d. h. die Kunst des Waffenschmuckes
eine edle und freie ornamentale, Kunst war, keine von büreaukratischer
Spitzfindigkeit entstellte Scheinwissenschaft, wie in späterer Zeit. In
den meisten Fällen zwar wurden einfach die Motive des Schmuckes
auf Schild und Helm an den Decken wiederholt, oft ward die ganze
Decke mit kleinen Wappenschildchen übersäet, wir begegnen jedoch
nicht selten ganz besonderer Art der Ausstattung.84) Das Uberziehen
der ganzen Decke mit einem gitterartig stilisirten Netze von Gold-
oder Silberborten hiess man qeaetert, ein schönes Beispiel einer solchen
gegeterten Decke liefert das grosse Reiterdenkmal des Mastino della
Scala zu Verona (Tafel VIII Fig. 1). Unter gebotunen ist wohl das
Ausschneiden kleiner ornamentaler Metallblättehen, die als Beschläge
verwendet, zu verstehen, während ge^ecielt die Decken Messen, welche
man gleich den Auszaddelungen (gerett) am Oberkleid von Mann und
Frau mit Ausschnitten versehen hatte. Diese Ausschnitte, vom untern
Saum oft bis zur halben Höhe des Pferdes aufsteigend, bildeten lustig
flatternde Zagelen oder Schwänzchen. Wir verweisen auf die Beispiele
der Deckenausstattungen Tafel V Fig. 5, 6, 7; Tafel VI Fig. 1, 3, 5.

Unter der Einführung der völligen Plattenrüstung hatte natürlich
das Pferd am meisten zu leide/i, mittelbar und unmittelbar. Es ward
von oben bis unten mit farblosen, das Auge durch ununterbrochene
harte Reflexe schmerzhaft berührenden Eisenblechen bekleidet, das
arme Tier hatte jetzt am Eisen von Ross und Mann mehrere Meter-
centner zu tragen. Damit entschwand das Bild der leuchtenden
Farbenpracht des Mittelalters ebenso, wie die Beweglichkeit, des über-
bürdeten Tieres. Der Orientale, welcher die erste Anregung zu einer
ebenso eleganten, wie zweckmässigen Deckung des Pferdes gegeben,
hat sich niemals so weit verirrt, wie seine Nachahmer im Abendlande,
er wusste im höheren Masse den Wert einer gewandten und leichten
Reitertruppe zu schätzen.

Hinzuzufügen wäre noch, dass hie und da bei den Turnierrossen
eine besondere Kopfzier, rjOllbetftiuiX'I, vorkommt, eine Art von
Säule oder Büchse zwischen den Ohren oder auf der Stirne, welche
einen phantasievollen Schmuck trug, seit dem 14. Jhdt. häufig Federn
in den Wappenfarben. In späterer Zeit hat sich aus diesem, schon
im frühen Mittelalter in Buckelform üblichen Schmuck der Stirnstachel
an dem cfyamfmtl des völlig mit Platten gepanzerten Rosses entwickelt.
Im 15. Jhdt, weisen die Köpfe der Turnierrosse nicht selten eine Zier
zwischen den Ohren, die völlig der Helmzier auf dem Haupte des
Ritters entsprach. Schliesslich mag zu erwähnen sein, dass man unter
fatelflait jene lange, oft nahe bis zur Erde reichende, aber vergleichs-
weise schmale Decke aus Prachtstotten, reichgestickt und mit uafen
oder Franzen besetzt, verstand, welche über oder unter den Sattel
gelegt wurde, nicht bei Kampf- oder Turnierrossen, wohl aber als fest-
licher Schmuck und vorzugsweise bei Damenpferden; sie hat sich länger
in der Mode erhalten, als die grosse cooertiurc des Ritters und war
noch im 17. Jhdt. gebräuchlich. Bevor die grosse Decke eingeführt
wurde, also vor Anfang des 13. Jhdts., erscheint übrigens dieses fateb
flait in etwas kürzerer Form hie und da auch bei Kriegsrossen, wie
unsere Beispiele Tafel II Fig. 2, 3, 5 beweisen.

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