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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0034
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HELM UND SCHILD DES RITTERS.

Jer. 46 3, 4: Rüstet Schild und Tartschen und ziehet
in den Streit, spannet Rosse an und lasset Reuter
aufsitzen, setzet die Helme auf und schärfet die
Spiesse, ziehet Panzer an.

Der fyelm, fyelmfyuot.

V

on den Schriftstellern der römischen Kaiserzeit (Plutarch, Tacitus, Nahrung in Walhall gedient, der Gullinbörste, jener goldene Eber des

Freyr, geschwind wie die Flügel des Windes, eine Neigung der nor-
dischen Krieger für das wilde Kampfschwein (fyübisDin, rjtlbtcjöltr)
erklären, das noch in christlicher Zeit den Angelsachsen zur Zierde
der ersten Art roher Kriegshelme diente. Die im Beowulf oft genug
(305, 1044, 1300, 1342, 1463, 2167 u. s. w.) erwähnten Eberhelme
mögen ebensowohl die ursprüngliche Form der Kopfbedeckung in
Gestalt eines Eberhauptes mit seinen Hauern gewesen sein, wie ein
blos mit dem Bilde des Ebers geschmückter Helm, gleich dem zu
Monyjash in Derbyshire gefundenen Originale aus christlicher Zeit.4)
Bei den Römern, erst in den Zeiten der grossen Wanderung, lernten
die Germanen die metallene cassis und die lederne galea kennen; der
Nutzen, welchen der „heerstolze fjialm, der Hauptschirmer" gewährte,
konnte ihnen nicht unverborgen bleiben. Die Fürsten aus Wuodans
Geschlecht mögen sehr bald zur Herstellung einer der römischen ähn-
lichen Kopfwehr geschritten sein, aber als eine allgemeine Wehr jedes
Kriegers erscheint der Helm kaum vor dem 7. oder gar 8. Jahrhundert,
ja noch im 10. Jahrhundert zeigen uns Miniaturen die geringen Krieger
zu Fuss ohne Helme. Die älteste Art bestand aus einer konischen
oder wie die Spitze eines Eies gebildeten Kappe, welche hergestellt
wurde aus einzelnen gebogenen Kupferplatten, oft nur aus Horn oder
Leder; diese konische Haube erhielt ihren Halt oder grössere Widerstands-
fähigkeit erst durch die bdmeiiften oder das l)ehngefpenge, d. i. zwei
über den Scheitel laufende und dort sich kreuzende Eisenspangen,
welche unten durch eine dritte, die Stirnspange, einen um den Kopf
laufenden Reifen, zusammengehalten wurden. Diese einfache Form, die
seit dem 10. Jahrhundert häufig eine vornübergezogene Spitze zeigt und
dadurch derjenigen der phrygischen Mütze sich nähert, hat der Helm
Jahrhunderte lang beibehalten. Zwar beweist das Original Tafel VIII
Fig. 5, dass man schon im 10. Jahrhundert die Helmhaube ganz aus
zusammengeschweissten Eisenblechen ohne Gespänge herstellen konnte,
allein die Spangen oder liften sind dennoch lange Zeit beibehalten,
sei es zur Verstärkung, sei es nur als gefälliger Schmuck, sie
sind hie und da noch am Ende des 12. Jahrhunderts wahrnehm-
bar. An den fränkischen Helmen des 9. und 10. Jahrhunderts
von beinahe hutartig zu nennender Form sehen wir bisweilen
einen blattartig ausgeschnittenen Kamm auf die Scheitelspange ge-
setzt, er ist die greifbare Erinnerung an das kammartig aufge-
bundene Haar der Schaaren des wilden Chlodwig. Die Art der
Helme des 11. Jahrhunderts nach der Tapete von Bayeux zeigt

Juvenal, Seneca u. s. w.) hören wir, dass die Germanen einen
Furcht und Entsetzen erregenden Eindruck auf die alte Cultur-
welt hervorrufen konnten, wir erfahren gleichzeitig, dass dieser Eindruck
nicht zum wenigsten in dem Bestreben der nordischen Krieger lag,
durch Aufsetzen von Tierhäuptern mit daranhangendem Halsfell, durch
besondere Anordnung und Ausstattung des langen aufgebundenen Haupt-
haars sich ein ragendes, hohes und damit dräuendes Aussehen zu ver-
leihen.1) Altgermanischer Mythus lässt gar Schreckhaftes, Wildes
erkennen, das man gewissen Tieren beilegte, weiset die Furcht erregenden
Motive, welche der wilde Krieger des Nordens in der Verwendung dieser
Tiere für seine Ausstattung zum Kampfe zu finden glaubte. Der Wolf
(er spukt in der schauerlichen Sage des Werwolfes noch heute) erinnert
sogleich an den furchtbaren Fenris, eines der grässlichen Wolfskinder
des Loke, Bruder jener Ausgeburten der Unterwelt, die Jormungardschlange
und die blaue Hei in Niflheim, erinnert an des Fenris urgrimmige
Söhne, die Wölfe Sköll und Hati, welche Sonne und Mond verschlingen
sollen; so wird unschwer verständlich, dass Wolfshelme eine Rolle in
den nordischen Sagen spielen, dass solche dereinst von unseren Alt-
vordern getragen wurden. Vor Allem jedoch bot der damals hier
heimische Ur, der dem allgewaltigen Donar geheiligte Stier, in seinen
Hörnern einen gar herrlichen Hauptschmuck, ihn schauen wir noch
heute an kleinen Bronzefiguren in nordischen Museen, aus jener Zeit,
die in Skandinavien gern „Broncealderen" genannt wird.'2) Die Verwen-
dung der Adler- und Geierfedern auf dem Kopfe des Kriegers mag wohl
auf den bösen Riesen Thjasse in Adlergestalt bezogen werden, dagegen
das Geweihe des Hirschen auf den Eykthyrnir, den Sonnenhirschen
des Freyr oder Froh. Wahrscheinlich hat man auch Menschenhäupter
in roher, verzerrter Weise nachzubilden versucht und bei dem Auf-
setzen derselben auf das eigene Haupt ungeheuerliche Schwarzalben,
schreckenerregende Tursen und Jöten im Auge gehabt;:i) endlich konnte
man durch Anbringen von Zweigen der geheiligten linde nicht nur
dem Haupte ein hochragendes Aussehen verleihen, sondern darin auch
eine talismanartige Bedeutung suchen. Bei dem Anbringen des Eber-
hauptes hat man vielleicht ebenso an einen schützenden Talisman, wie
an das Schreckhafte gedacht, wenigstens könnten wohl der Sährimmer,
jener Eber des Wuodan, der alltäglich den Einheriarn als himmlische

*) Am bezeichnendsten wohl berichtet Plutarch über die Cymbern, Ed. Sintenis.
Marius 25: %q6lvi\ /uv elxaOfieva (hjoiwv (poßeoüjv %uöfiaGi xou nootofiais

ldiofioQ(poig exovtes ag mmoofxevoi ti<pots meounois eis vfos eepaivono Tafel I Fig. 2: wir sehen einen ziemlich tief nach hinten hinunter

gehenden Nackenschirm angesetzt, während vorn das durch mehrere
Jahrhunderte und noch bis gegen Ende des 12. gebräuchliche nafebant
oder Nasal erscheint; beispielsweise ist von den kämpfenden Rittern
Tafel VIII Fig. 9 nach einer Miniatur des 12. Jahrhunderts der Helm

fjLeiyovs-

2) Abbildung einer solchen Bronzefigur mit Hörnerhelm, die vielleicht den Thor
selbst vorstellen soll, in: The industrial arts of Denmark, London 1882, p. 109 Fig. 144.

8) Der im Beowulf vorkommende grimEjelm wird von Grimm als horrida cassis
übersetzt, während Ettmüller ihn als Larve (grima) erläutert. Im Karlingischen Sagenkreis
(Turpins Chronik) führt der König von Sevilla dem grossen Carl ein in Teufelsfratzen
verkapptes Heer entgegen. Man erkennet aus solchen, wie aus manchen ähnlichen Andeu-
tungen im frühen Mittelalter unschwer das altgermanische Motiv wieder, das Motiv des
Grimmigen, Furchterregenden, welches man in der Verwendung der grimf|eltne, der
Larven u. s. w. suchte.

4) Der gefundene, nur noch aus dem Gerippe der Spangen bestehende Helm trägt
bereits ein Nasonband und auf diesem ein silbernes Kreuz. Vgl. Lindenschmitt Hohonz.
Sigm. Smlg., S. 35.
 
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