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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0011
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RITTERLICHE TRUTZWAFFEN.

X>a3 f

Das grosse nordisclie Schwert, von dem schon Tacitus (Annal. XII35) J
und Vegetius (II 15) mit hoher Achtung reden, erscheint, durch
römische Kriegserfahrung auf ein massvolleres Verhältniss gebracht
und zumeist mit einer Spitze versehen, in und nach den Zeiten der
grossen Wanderung unter dem Namen Spatha: diese von der Faust
des altgermanischen Kecken mit Alles niederwerfender Kraft geschwungene
Spatha war die furchtbare, unwiderstehliche Waffe, welche in der ganzen
damals bekannten Welt einen vernichtenden Schrecken vor dem deutschen
Namen verbreitete. Der grosse Carl trug noch die Spatha, und an
seine, wie an Chlotars IL Waffe, knüpft sich die unheimliche Sage,
dass sie mit ihr die gefangenen Feinde gemessen und keinen am
Leben gelassen, der grösser gewesen, als ihr Schlachtschwert. Von
beinahe gleicher Berühmtheit ist die andere, die kurze germanische
Hiebwaffe mit 40 bis 50 Centimeter langer, oben breiter werdender
Klinge, aber langem Handgriff, das einschneidige feiles, Icmcfafys,
fctamafay, das aus Gräberfunden uns öfter zu Gesicht kommt, als die
wertvollere, von den Erben gern zurückbehaltene Spatha. Immerhin
blieb das ganze Mittelalter hindurch die Hauptwaffe deutscher Helden
der „greise, grauhelle Heerkampfstrahler" (23ßOttJlllf 1157, 2648), das
herzblutfeuchte, schmuckziere Langschwert. Wenn der bittere und
breite, der baischarfe roalfafys, der braune Kneif, mittelst Kette an
der Brünne rechter Hand getragen wurde, so hing am Hüftgürtel links
das lange und schneidige Schlachtschwert, das im Herzblut gehärtete,
hehre. Mit Entwicklung des Rittertums verschwindet die Doppelzahl
der Schwerter; die in der zweiten Hälfte des 13. Jhdts. erscheinende
kurze Stosswaffe darf man kaum mit der ehemaligen kurzen Hiebwaffe,
dem \dl}S, vergleichen. Durch die Germanen erst erhielt das Schwert
seine weitere Ausbildung und die Fülle verschiedener Gestalten, die es
im Lauf der Jahrhunderte angenommen. Wir mögen bei dieser Gelegen-
heit darauf hinweisen, dass überhaupt die deutsche Art der kriegerischen
Ausrüstung massgebend blieb bis zum Ende des 14. Jhdts., dem Zeit-
punkte nämlich, wo der italiänische Einfluss allmählig den deutschen
im Waffenwesen Westeuropas zu verdrängen begann.')

Die Freude an schönen und guten, verlässlichen Waffen, das
Streben nach dem Besitze derselben war den germanischen Völkern
eigentümlich seit jener mythischen Zeit schon, da sie mit Odin die
Urheimat in Hochasien verliessen, wo wir ja heute noch Liebe und
Lieder köstlichen Waffen gewidmet finden. Hing schon in heidnischer
Vorzeit das Schwert mit germanischem Religionscult zusammen, so
war dieses bei dem Ritter durch die Leiste oder Schirmstange zum
Kreuze geworden und diente bei Gebet und beim Eide als Stell-
vertreter des Kreuzes. In den Eddaliedern wie in der mittelhoch-

1) Bei der Bekanntschaft mit dieser historischen Thatsache ist es schwer verständlich,
weshalb deutsche Schriftsteller immer noch französischer Kunstausdrücke in Werken iiher
Waffenkunde sich bedienen. Wohl haben viele deutsche Dichter des Mittelalters aus älteren
romanischen Poesieen geschöpft und dabei manche technische Bezeichnung mit herüber-
genommen, andrerseits finden sich aber auch die rein deutschen Namen, so in den aus
deutschen Sagenkreisen entstandenen Dichtungen; warum also, da wir die deutschen kennen,
der fremden Namen sich bedienen? Bekanntermassen fand in den Kreuzzügen unter allen
daran beteiligten Nationen ein Austausch geistiger Güter statt, aber dieser Austausch war
eben ein wechselseitiger, und zahlreiche französische Bezeichnungen sind von dem Deutschen
entlehnt, nicht blos umgekehrt, wie mancher Kurzsichtige anzunehmen scheint: wir brauchen
nur an haubert, bouclier, escrime, hallebarde, gambeson, cotte (de maille) u. s. vv. zu erinnern,
die nichts anders sind, als das im französischen Munde verderbte Halsberg, Buckeler (kleiner
Faustschild), schirmen, Wamms, Helmbarte, Kutte u. s. w. Endlich hat Niemand das Recht,
französischen Ursprung und Namen jenen Dingen zu geben, deren Bezeichnungen aus spät-
lateinischen Wörtern entstanden und seinerzeit für das halbe Europa massgebend geworden
sind; die durch mittelhochdeutsche Verstümmelung bisweilen sonderbar klingenden Namen
haben in diesem Falle genau dieselbe Existenzberechtigung, wie das im französischen
Munde verderbte Latein. t

PS. 144, 1: Gelobet sei der Herr, mein Hort, der meine
j» f Hände lehrt streiten und meine Fäuste kriegen.

deutschen Poesie wird das Schwert zu einem gewissermassen belebten
Wesen, jedes hat seinen eigenen Namen,") seine besondere Geschichte:
es erscheint als fressende Flamme, als blutdürstige Schlange in der
Schlacht, die zischend aus der Scheide auf den Feind fahrt, als rechts-
kundiger Rechtsfinder im gerichtlichen Zweikampf. Die Schwerter
blicken und blinken, diezen und dozen, klagen und klingen, scheinen
und sausen, sie schroten die Ringe am Eisengewand wie den stählernen
Schildrand; der Ritter spaltet den Gegner im schwertgrimmen Tod bis
zum Sattelbogen, trennt eisenbewehrte Arme, Beine und Kopf vom
Rumpfe und bahnt sich die lere, d. i. einen Pfad hin und zurück
durch dichtgedrängte Feinde im füenlicfyen fmertftncmcl], der Funken
und Feuer lässt springen, wie aus glühendem Rauche, aus Helmen
und Ringen. Hoch in der Achtung der Zeitgenossen standen die Ver-
fertiger des gepriesenen Stahles, rühmend wird der Schmiede zu Regens-
burg (Kuol. 57 und schon im 2tttttoltet 294), zu Nördlingen (IDttL 205 1),
zu Passau und Solingen (erst im 14. Jhdt.) gedacht, die beiden letzt-
genannten haben die altberühmten Wolfsklingen geliefert, nach ihrer
Marke so genannt, In der altfranzösischen und altenglischen Litteratur
werden die AVaffen aus Cöln (c(pcyc ^e CouloncjUß) gepriesen. Das
Ideal des kunstreichen Meisters hat die Sage bekanntlich in Wieland,
dem Schmied, hingestellt.

Es lag im Geist jener Zeit, das Abzeichen des wehrhaften Mannes
in der älteren, ehrwürdigen Form als ein den Nachkommen bleibendes
Vermächtniss zu betrachten, und nicht selten war es der Fall, dass
das Schwert als köstliches Erbstück von Geschlecht zu Geschlecht ging;
dieser Umstand ist beachtenswert, insofern er an Statuen bisweilen
ältere Formen bei dem Schwerte zeigt, als bei den übrigen Waffen-
stücken. Das Schwert ist dem deutschen Ritter ein Gefährte, treu
und wert wie sein Ross, er mag von ihm sich nicht trennen und trägt
es eigentlich zu jeder Zeit; auch, wenn er im bequemen Friedenskleid
ausruhet von den Mühen des Kampfes, hat er das Schwert, wenn nicht
am Gürtel, so doch im Arm8) oder in handlicher Nähe. Das Schwert
war das Symbol der Gerichtsbarkeit, seine Überreichung das Sinnbild
übertragener Gewalt, der Gewalt über Leben und Tod; der Gaugraf
erschien nie ohne Schwert auf der Malstätte, und in den Bildern des
Sachsenspiegels hat der Richter das Schwert auf dem Schosse. Bei
einigen Stämmen, wie den Goten, fand Adoption durch das Schwert
Statt und Belehnung durch dasselbe mit Land und Gut. Nach Schwert
und Speer, den beiden recht eigentlichen ritterliehen AVaffen, benennt
die ältere Gesetzessprache Mann und Mannesstamm im Gegensatz zu
Spindel und Kunkel: finertmäc, fperittäc agnatus wird gegenüber
gestellt dem fpihnäc, Funfelmäc cognatus. Der Herzog von Sachsen
(jübje Schwertträger) trug als Erzmarschall des heiligen Reichs dem
König bei dessen Krönung das Reichssehwert und setzte dieses Zeichen
einer andere Fürsten überragenden Würde als prineeps elector an den
Ehrenplatz in seinem Schilde. Die uralt germanische Liebe zu Schwert
und Speer findet noch heute lebendigen Ausdruck in Sprache und Sitte
studentischer Jugend deutscher Hochschulen.

2) Eine Zusammenstellung alter Schwertnamen hat bereits San Marte gegeben, wir
erinnern hier an die bekannteren: Balmung des Sigfried, Freisant des Hildebrand, Gramr
des Sigfrid in der Edda, Mymyng des Wittich. Nagelrink des Heime, Schimming des Dietrich,
Schrit des Biterolf, Waske des Iring, Weisung des Dietleib, ferner aus dem Karlingischen
und Artus-Sagenkreis an: Courtain des Ogier, Durindarte des Roland, Escalibor des Artus,
Floranz des Fierrabras, Hattechlein (Hauteclair) des Olivier, Lüzebel des Haimon, Perziosa
des Paligan, Schoyuse des Willehalni u. a. m.

3) Richerius Senonens. III 11: Habebat enim, sicut moris est Theutonicorum, gladium
sub axella (citirt A. Schulz II 10: das höfische Leiten etc.).
 
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