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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0022
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RITTERLICHE SCHUTZ WAFFEN.

Jsa. 59, 17: Denn er zeucht Gerechtigkeit an wie einen
Panzer und. setzet einen Helm des Heiles auf sein
Haupt, und zeucht sich an zur Rache und kleidet
sich mit Eifer wie mit einem Rock.

T>a$ ifengetpctnt oder fyctmafcfy.

Wer noch heute keine andere Rüstung kennt, als die in Museen
aufgereiheten Werke der Plattner des 1(5. und 17. Jhdts., der
vermag auch einen Ritter des Mittelalters kaum anders sich vorzustellen,

in deren Verbindung so zu beugen verstand, dass die Rüstung den
Formen des menschlichen Körpers wie ein weiches Stoffkleid") sich
anschmiegte, die Figur des Menschen schön und [»lastisch hervortreten

als vom Scheitel bis zur Sohle in grosse und kleine geschmiedete Platten liess. Zweifellos bietet diese Erscheinung in ihrer Gesammtheit eine

Fülle künstlerisch schöner Motive, namentlich eine wohltuende Mannich-
faltigkeit von Formen, Farben und Stoffen, ja in manchen Teilen, wie
dem ragenden Helmschmuck, dem kostbaren, reich bestickten Waffen-

gehüllt, einem Riesenhummer eher, als einem Menschen, vergleichbar.
Viele Generationen haben in dieser Beziehung einer durchaus irrtüm-
lichen Anschauung gehuldigt, haben die Begriffe von Ritter und von
glänzend polirtem Stahlblech für unzertrennlich gehalten; erst das
allmählig durchbrechende culturhistorische Verständniss hat von dem
Zeitraum, wo die Krieger wirklich in blankem Stahle einherschritten,
den Löwenanteil der Renaissanceperiode, der neueren Zeit, abtreten
müssen, da nur ein Bruchteil auf den Ausgang des Mittelalters ent-
fällt, und auf den Ausgang eines Zeitraums sollte Niemand sein Urteil
über dessen Erscheinungen gründen. Die Plattenrüstung ist weder ein
Kennzeichen des Mittelalters, noch ein solches vom ächten Rittertum;
als sie zur Herrschaft gelangte, war das Rittertum nur noch ein blasses,
verschwindendes Abbild seines ehemaligen Glanzes und erstarb völlig
gerade in der Periode jener Kriegertracht, welche heute allein noch
als „Rüstung" von Manchem bezeichnet wird.

Wenn der blendende Metallglanz und die hohe technische Voll-
endung eines Prachtharnisches der Renaissance unser Urteil nicht
befangen machen, so wird man sehr bald sich gestehen müssen, dass
der Gesammteindruck des damit umhüllten Menschen kein ästhetischer,
sondern nur ein grotesker genannt wrerden kann. Mag der Harnisch
durch die Kunstfertigkeit im Treiben, Ciseliren, Tauschiren, Atzen u. s. w.
noch so reich geziert sein, es bleiben die eigentlich ununterbrochenen
harten Reflexe auf den grossen Flächen einer trotz der künstlichen
Articulirung plumpen Metallmasse, welche die allgemeinen Formen des
menschlichen Körpers zu dem Ausdrucke eines Kachelofens verzerrt
und uns vorderhand vollständig im Unklaren darüber lässt, ob ein
Stock, eine Strohpuppe oder ein lebendes Wesen in dem Dinge steckt,
denn sein Inhalt entzieht sich vollkommen unseren Blicken und unserer
Beurteilung. Haben wirklich einige schwerfällige Bewegungen von dem
Dasein eines lebendigen Kerns uns überzeugt, so vermögen wir kaum
das Gefühl des Unbehagens zu unterdrücken, welches die widernatür-
liche Belastung, Beengung und Behinderung des nach freier Beweglich-
keit dürstenden Menschen hervorruft,1) und wir weisen mit Entsetzen
das Ansinnen zurück, in jenen Haufen von zusammengefügten Schienen,
Röhren, Scheiben und sonstigen Eisenmassen dauernd gebannt zu sein,

Und doch lost sich diese Verwirrung verhaltmssmassig einfacher Art.

rock, dem blitzenden Wehrgehänge und dem matt leuchtenden Ring-
geflecht eine wahrhaft phantastische Pracht, und wir suchen zu allen
anderen Zeiten vergeblich nach einem so eigentümlichen, wirkungs-
vollen Bilde. Denken wir uns ferner diesen also gerüsteten Ritter,
mit dem schimmernden mächtigen Speer in der Rechten, mit dem
köstlichen Prunkschild am Vezzel über der Schulter, hoch auf gewal-
tigem Schlachthengst, der ingleichen von einer bildergeschmückten,
reichgestickten Decke umhüllt war, so wird kein Unbefangener
verkennen, wie diese prangende Erscheinung ganz anders der ritter-
lichen Herrlichkeit entsprach, als die durch und durch unschöne eiserne
Krebsgestalt, in die sich die Epigonen der Blütezeit aus Furcht vor
Pulver und Blei verkriechen zu müssen glaubten, um mit Aufgabe
aller Freiheit, Beweglichkeit und Schönheit einen trotzdem vergeblich
gesuchten Schirm anzustreben.

Abgesehen von dem seltener vorkommenden Horn bildete das
Eisen, welches die Germanen in den Zeiten der grossen Wanderung
schon zu bearbeiten verstanden, das wesentliche, den erstrebten Schutz
verleihende Material der mittelalterlichen Schutzwaffen, oft in Ver-
bindung mit Leder. Wie soeben schon angedeutet, kam das Eisen
stets in verhältnissmässig kleinen Stücken oder als Element eines aus
solchem kleinen Teilen zusammengesetzten Körpers zur Anwendung; in
den Formen der Elemente, mehr noch in der Art ihrer Zusammen-
setzung offenbarte sich dann eine nichl eben geringe Manniehfalligkeit,
je nach der sich steigernden Kunstfertigkeit der Handwerker, je nach
dem Bedürfniss und der Überlegung der Besteller der Schutzwaffen.
Der englische Archäologe Sir Samuel Meyrick war unsres Wissens
der Erste, der diese Mannichfaltigkeit in ein System zu bringen
suchte; seine zum Theil ziemlich willkürliche Systematisirung und
Bezeichnung (er unterscheidet : ringed, trellised, rustred, mascled, scaled,
tegulated, single chain mail, bände«! chain mail, double chain mail)
haben Andere nachgeschrieben, verschieden i'il»ersetzt und durcheinander
geworfen, dabei viele Verwirrung, wenig Klarheit in die Sache gebracht.

darin einen Teil unseres Lebens verbringen zu müssen.

Finden wir bei der Rüstung eines Ritters der Blütezeit nicht die
blendenden Triumphe des Waffenschmieds als Plattner, so macht sich
die Meisterschaft des mittelalterlichen Handwerkes in manch' anderer
Richtung geltend; wir schauen vor Allem eine der Schönheit wie
seinerzeit der Zweckmässigkeit in gleichem Masse Rechnung tragende
Technik, welche das Eisen in kleine Elementarteile zerlegte und dann

*) Man vergleiche Note 28 (Seite 18) über den Eitter des 13. Jahrhunderts mit
dem, was Dr. C. v. Weber im Archiv für Sachs. Gesell. IV S. 349 über den Turnierreiter
des IG. Jahrhunderts sagt: „Die schwere Plattenrüstung ward dem Ritter erst angelegt,
wenn er das Pferd bestiegen hatte, da selbst der Stärkste in der Rüstung sich nicht würde
haben in den Sattel schwingen können." Wir können hinzufügen, dass die meisten Platten-
rüstungen mehr als zwei Centner wogen.

sobald man die Einteilung zunächst nach der allgemeinen Form, in
welcher das einzelne Element auftritt, vornimmt und sodann nach der
Art der Verbindung der Elemente unter einander sich umschauet.
Dieses Verfahren ist um so empfehlenswerter, als es durch die zu
beobachtende chronologische Entwicklung wesentlich unterstützt wird,
nur darf man sich dadurch nicht beirren lassen, dass manche Formen
lange Zeit parallel nebeneinander herlaufen.

J) Eneit 5G37: Das ber man bar ynne was befyut

Vot aflerley umnben cju allen ben ftunben,

Unb fyer yn an bem übe trugt; fyer tr>as fcfyone mit» uefte gnug

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