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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0035
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33 iw»

des einen mit, der des anderen o/me Nasenband ausgerüstet. Den
Nutzen des Nackenschirms muss man nicht allzuhoch angeschlagen
haben, wenigstens ist derselbe an den Glockenhelmen des 12. Jahr-
hunderts nur selten vorhanden, dagegen hat ihn bei dem eigentlichen
ifenfniot die ringsum laufende Krempe ersetzt.

Als die Kreuzzüge eine nähere Bekanntschaft mit der seit Jahr-
hunderten bereits hoch entwickelten Waffenschmiedekunst des Orients
vermittelten, sollten die dadurch im Ahendlande erzielten Fortschritte
bei der Anfertigung des Helmes vielleicht am stärksten hervortreten.
Es gelang im VI. Jahrhundert, die runde, v\ie die eiförmige oder zucker-
hutarüge Haube aus einem einzigen Stücke Eisen herzustellen; eine
geradezu merkwürdige Leistung, wenn man erwägt, mit welchen Schwierig-
keiten und mit welcher Gewandtheit der Waffenschmied ein entsprechend
dickes Stück reinen Eisens mittelst schwerer Fallhämmer erst in eine
gewölbte Scheibenform bringen und diese dann mittelst der Hand-
hämmer auf dem Ambos ebenso mühevoll, wie geschickt, zur eigent-
lichen Haubenform gestalten musste. Man hatte ferner im Orient die
Erfahrung gemacht, dass die bisherigen Hehnarten keinen genügenden
Schutz gegen die mit Gewandtheit geführten Schlagwaffen gewährten,
dass man das Haupt wirksamer und deshalb mehrfach schützen müsse,
denn dorthin zielten ja vorzugsweise die Schwerthiebe und Speerstösse
des Gegners. Das Bewusstsein dieser Notwendigkeit, verbunden mit
der gesteigerten Handfertigkeit der Waffenschmiede, schuf eine grosse
Manniehfaltigkeit der Helmformen im 12. -Jahrhundert, eine Mannich-
faltigkeit, die zu einem wahren Chaos ohne jede Orientirung von den
Schriftstellern gemacht ist, welche die massgebenden Gesichtspunkte
für die Hauptverschiedenheit nicht erkannten oder aus dem Auge ver-
loren. Es ist deshalb vorauszuschicken, dass mit der Entwicklung des
Rittertums alsbald zwei wesentlich verschiedene Formen der eisernen
Kopfwehr auftreten mussten, weil der Ritter gewöhnlich zwei gleich-
zeitig, die eine über der anderen trug. Danach haben wir zu unter-
scheiden und schliesslich den nicht eben häufig, aber doch hin und
wieder getragenen eigentlichen Eisenhut in Betracht zu ziehen.

Scfje&elföpfj, plmsfjuot (fjtu&el, f?Md), später bedmtttibe,

2l'm buot unber bem belme sagt der Pfaffe (Efyuonrat im

Hliolanbesliet und giebt damit einen kurzen allgemeinen Ausdruck
für die eiserne Hirnhaube, welche gewöhnlich mit den Deminu-
tiven büetd, fyiubel bezeichnet wurde.0) Sie war mit bewunderungs-
würdiger Technik aus einem Stück Eisen so geschmiedet, dass sie sich
der Kopfform des Menschen genau anschmiegte, mithin einen keines-
wegs kreisrunden, vielmehr genau den horizontalen Querschnitt des
menschlichon Kopfes seihst zeigte. Wenn das Chron. Nonantul. die
Erfindung dieser Hirnhaube (armaturae capitis quae dicitur Cervellerium)
dem Michael Scotus, Astrologen des K. Friedrich IL, zuschreibt, so
beweisen mittelhochdeutsche Dichter, wie der eben citirte Pfaffe Conrad,
dass diese Kopfwehr bereits im 12. Jahrhundert üblich war. Die älteste
Form dieser unmittelbar auf das berftüei' gestülpten Eisenhaube, für
welche der Namen ]Ybe£vlfoplj ein ganz bezeichnender") war (ülinsbuot
hat vielleicht DÜnftniot ursprünglich gelautet), mag wohl die abgerun-

5) Ercc. 2037: 2Us er ben fy>lm abe baut,

Sin fnaben löften im baj fyüetellrt, als er erhielt folöe firt.
Lanzel. 4539: Durch, Ijelm mit öurd) bie rjfibeii fluoc eine tiefe iciiuoe tr>it

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ben flac enpfyeuc bie ftirne.
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Stricker Karl 9453: <£r färbte üf einen flinsrjuot unb einen tjclm guor.

") Mit fopr; bezeichnete man ein nahezu halbkugelförmiges Gefiiss für Flüssigkeiten,
auch den Becher, welchen später die Eenaissance meigelein nannte. Im Französischen
erinnert noch heute coupe an den mittelhochdeutschen fopt), beide sind zweifellos aus dem
lateinischen cupa oder cuppa entstanden.

dete einer einfachen Kalotte gewesen sein, wie sie noch der Lands-
knecht unter seinem grossen Filzhute trug, wie sie Tafel V Fig. 1
trägt. Im mittelalterlichen Latein wird sie coifea ferrea genannt; es
wäre deshalb möglich, dass man sie auch im Deutschen fotfe oder
CJUpfe geheissen habe, womit man allerdings häufiger die unter dem
berjhier getragene Mütze, sonst batmät genannt, bezeichnete. In den
Belegstellen der mittelhochdeutschen Dichter bleibt es wenigstens unklar,
welche der beiden Kopfbedeckungen gemeint ist, ob die gepolsterte
Mütze unter, oder die eiserne Haube über dem Hersenier.

Die jedenfalls sehr bald in Erscheinung tretende oben zugespitzte
Form verdrängte im Laufe des 13. Jahrhunderts ganz die oben abge-
rundete Hirnhaube. Dass sie aus der ehemaligen Heimform sich ent-
wickelte, ist mit Sicherheit anzunehmen, sie bewahrte hie und da sogar
die Spangen derselben, freilich wohl nur als zierende Ausstattung,
was bei Tafel VIT Fig. 1, an den als gerippt dargestellten Becken-
hauben, am schönsten hervortritt bei der Originalbeckenhaube Herzogs
Heinrich des Löwen (f 1195); diese trägt einen grossen Stirnreif und
drei grosse oben sich kreuzende Scheitels]langen aus getriebenem und
vergoldetem Kupfer.7) Solche Ausstattungen und solche dem alten
Helme entlehnte Formen sind eben erklärlich durch den Umstand,
dass der eigentliche, grosse Helm erst unmittelbar vor dem Kampfe
aufgestülpt wurde, dass manchmal sogar die untere Eisenhaube allein
als Kopfwehr dienen musste. Während in England und in Italien
Beckenhauben vorkommen, die einen kammartig aufsteigenden, von der
Stirn nach hinten in der Mittellinie laufenden Grat zeigen, sind in
Deutschland Abweichungen von der ovoiden oder oben zugespitzten
Form selten, dagegen trieb hier der Verticalismus der Gotik und die
Neigung der Waffenschmiede zu kleinen Kunststückchen in der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts die obere Spitze der Beckenhaube immer
höher, bisweilen zu einem zapfenartig zu nennenden Gebilde.

Der Namen beggdbube, beefdrmot (bacinetum) wird übrigens erst
in der zweiten Hälfte des 1)3. Jahrhunderts üblich neben den älteren
abgekürzten Bezeichnungen rjiubd, Tjüetel. Die in Rede stehende Kopf-
wehr endete mit horizontalem Abschnitt in der Stirngegend und über
den Ohren und behielt diese althergebrachte Form der Hirnhaube bis
zur Mitte des 14. Jahrhunderts, dann aber verlängerte sich der hintere
Teil von den Schläfen aus nach dem Nacken zu, und stand diese
Änderung im unmittelbaren Zusammenhange mit dem oben besprochenen
Verschwinden oder Abschneiden des berfnier. Die bafeuefte oder das
gollier aus Ringgeflecht wurde nunmehr an der Beckenhaube befestigt,
deren unterer Saum zu diesem Ende mit durchlöcherten Knöpfen
besetzt war, während an der fyalsüefte sich ein Ansatz von Blech mit
Löchern befand, durch welche jene Knöpfe gesteckt und dann aussen
mit einer Art von Draht oder Eisenband durchzogen wurden, vergl.
Tafel IV Fig. 4 die Darstellung einer Originalbeckenhaube, manchmal
finden wir diese Anknüpfung mit einer reich ornamental gestalteten
Einfassung umzogen (Tafel VII Fig. 4). Gleichfalls erwähnt haben
wir schon den bandartigen Streifen von Ringgeflecht, der als Ersatz
des ehemals üblichen nafebemt bezw. der üintäle dienen sollte, der für
gewöhnlich bartartig herabhing, bei der Bereitschaft zum Kampf jedoch
oberhalb der Stirn an der Beckenhaube, oder wie Tafel III Fig. 3 in
England an einem Stirnbande des Herseniers angeriegelt wurde. Ein
nach der Nasenform getriebenes Blechstück, die Nasenbandschliesse
(breteche), in Verbindung mit jenem Streifen aus Ringgeflecht scheint
in Italien, nicht in Deutschland üblich gewesen zu sein. Uberhaupt
findet sich die ganze Einrichtung keineswegs allgemein in Deutschland
und nur kurz vor und kurz nach Mitte des 14. Jahrhunderts, sie mag
wohl nicht als genügender oder bequemer Schutz erachtet sein.

') Die kostbare Erinnerung an den deutschen Helden des Mittelalters erwarb der
Freiherr von Zurhein aus dem Nachlasse der Herzogin von Berry, und von den Erben des
Erstgenannten hat vor nicht langer Zeit der Herzog von Cumberland zu Gmunden die schöne
Reliquie seines ruhmreichen Ahnherrn erstanden. Bei der ungemeinen Seltenheit von Helmen
des 12. Jahrhunderts ist ein historisch beglaubigter Originalhelm vom höchsten archäolo-
gischen Wert, ganz abgesehen von der Bedeutung, dass ihn der Vetter des Kotbart, der
Schwager des Lövvcnherz einst auf dem Haupte getragen. Dürftige Abbildungen dieses
schönen Helmes bei Demnün: Kriegswaffen S. 206 und bei W. Boehoim: Waffenkunde S. 27.
 
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