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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0036
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■wS 34

Weit zweckmässiger war eine bereits am Ende des 13. Jahr-
hunderts auftauchende, bis dahin aber völlig unbekannte Erscheinung,
eine wesentliche Verbesserung Dessen, was man bei dem fyelmrx^ als
barbel, barbiere oder Gesichtsschutz bezeichnete, was später erst Visier
hiess, zunächst aber hie und da auch murale (in England und Frank-
reich: aventaile) genannt zu sein scheint, wie alle Einrichtungen an der
Kopfwehr, welche als Gesichtsschutz dienen und jene oben besprochene,
ziemlich mangelhafte Einrichtung am Hersenier ersetzen sollten. Dieses
Visier war ebenfalls aus einem Stücke Eisen sehr kunstvoll gearbeitet;
die zur Erleichterung des Atmens ausgeführte starke Vortreibung zeigte
im Profile die Vorsprünge der Augenbrauen, Nase, Oberlippe, allerdings
in so übertriebener Form, dass der Name Hundsschnauze kein unge-
rechtfertigter war, wie denn die ganze also ausgerüstete Beckenhaube
nicht selten ffund.sgugel genannt wurde. Das mit Augenschlitzen und
Luftlöchern versehene Visier war ein aufschlächtiges, die Drehung nach
oben fand entweder um ein oberhalb der Stirne angebrachtes einzelnes
Charnier Statt (Tafel IV Fig. 4), oder wurde durch zwei rechts und
links in der Schläfengegend befindliche Nietstifte bewerkstelligt, welche
durch Löcher in lappenartigen Vorsprängen des Visiers gingen (vergl.
Tafel V Fig. 3, wo oben der Ritter in Beckenhaube mit aufgeschlagenem
Visier, unten im Medaillon die Beckenhaube mit herabgesehlagenem
Visier dargestellt wurden).

Eine Reihe feiner Löchelchen, welche wir am Rande der wenigen,
noch erhaltenen Original-Beckenbauben entdecken, diente zur Befestigung
der inneren Auspolsterung oder des Helmfutters. Bisweilen gewahrt
man auf plastischen Darstellungen, aussen am unteren Rande der Haube,
strebepfeilerartige Ansätze, welche ebensowohl das unbehinderte Gleiten
des über die Haube gestürzten belmuaj erleichtern, wie auch zum
Auflager desselben dienen sollten. In der Regel mochte wrohl die
Haube aussen mit einer umlaufenden gepolsterten Lederwulst umgeben
sein, darauf das belmtXT) ruhete; einzelne Grabdenkmale zeigen, wie
die Kunst solche Wulst in reichen decorativen Formen zu gestalten
wusste.8) Es liegt auf der Hand, dass dort, wo keine; solche Wulst
um die Haube lief, jedenfalls im Inneren des grossen Helmes eine
starke Polsterung sich befinden musste, welche sowohl das Auflager,
wie eine weiche, elastische Verbindung mit der Haube zu vermitteln
hatte. Endlich ist hinsichtlich des Äusseren noch erwähnenswert,
dass bisweilen die obere Spitze der Beckenhaube in eine Art von
Hülse auslief, darin ein Federschmuck anzubringen war.

Selbstverständlich musste das Visier abgesteckt und entfernt werden,
wenn das grosse belmt>a5 über die Haube gestürzt werden sollte. In
dieser Beziehung ist sehr bemerkenswert, dass die also ausgerüstete
Beckenhaube nunmehr im Stande war, den grossen Helm vom Gebrauche
im Felde allmählig zu verdrängen und ihm in der zweiten Hälfte des
14. .Jahrhunderts den Charakter eines nur noch zu Kampfspielen ver-
wendeten Stechhelmes zu verleihen; eine Bezeichnung, die, beiläufig
bemerkt, für die vorhergehende Zeit nicht gerechtfertigt scheint. Die
mit Visier ausgerüstete, im Eisen verstärkte Beckenhaube wurde von
dem genannten Zeitpunkte an zu der .eigentlichen, für den Krieg, die
Feldschlacht, bestimmten Kopfwehr des Ritters: Sie gestattete freiere
Bewegung von Kopf und Hals, war in unmittelbare, starke Verbindung
mit der Halsveste gebracht und konnte deshalb nicht durch auftreffende
Stösse oder Hiebe vom Haupte gestreift werden, wie manchmal bei
dem grossen, eigentlich nur durch leicht zerstörbare Riemen befestigten
Helme geschah. Ihr zwar unschönes, alter praktisches Visier hinderte
den freien Ausblick und Zutritt frischer Luft im bei weitem geringeren
Masse, als der grosse Helm mit dem schmalen Sehspalt und dem näher
vor dem Gesichte befindlichen barbel. Diese Vorteile haben die Becken-
haube lange im Gehrauche erhalten, ihre Ausläufer sind bis in das
16. Jahrhundert zu verfolgen. Im Allgemeinen jedoch wurde sie im
Laufe des 15. Jahrhunderts verdrängt, teils durch den mit barbel ver-
bundenen faltet oder Schaller, teils durch den sich allmählich ent-
wickelnden geschlossenen Visierhelm.

8) Vcrgl. die Teile eines ritterlichen Grabdenkmales in Worcestershirt bei Planche"
1. c I. Plate III Fig. 7 and 8.

Da^ fyelmva$, \tafyelva$ (elmus, cassis).

Wenn der Eisenwehr des Hauptes die erforderliche weiche Unter-
lage mit der gepolsterten Bdttpät gegeben, darüber das rjerfttier aus
Ringgeflecht gezogen und auf dieses das eiserne rjüetelüt oder die
beggelbube gesetzt war, so gab schliesslich das Aufstülpen des grossen
ritterlichen Helmes dem dreifachen Eisenschutz seinen Abschluss. Nur
diese oberste Kopfbedeckung aus Stahl oder Eisen wird im strengen
Sinne rjelm genannt, nur sie stellt die eigentliche ritterliche Kopfwehr
dar, die kein Knappe, kein Fussknecht zu tragen berechtigt war.
Geradeso, wie man von einem Fähnlein, einer Gleve sprach, um damit
drei, vier, sogar sechs Mann zu bezeichnen, d. h. einen Ritter, der mit
zwei, drei, sogar fünf reisigen Knechten hinter sich aufritt, so sprach
man von einem Helme, wie es zur stehenden Ausdruckswreise wurde:
es seien so und soviele edle Helme zum Turnier geritten, Helme in
Dienst genommen, deren jeder „selbdritt mit dreien Pferden fahren
soll". Wie die Schwerter und Streitrosse, so hatten auch die Helme
berühmter Recken ihren Namen und ihre Geschichte, die mittelhoch-
deutsche Poesie nennt Orte, die wegen Fertigung trefflicher Helme
bekannt waren.

Drei Hauptformen des Helmes treten uns noch in den Bildern und
Bildwerken des 12. Jahrhunderts entgegen, im 13. nur eine, weil das l]ehn-
va$ die anderen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts verdrängte.
Die ältere konische oder eiförmige Gestalt, welche durch ihre nach vorn-
über gezogene Spitze der phrygischen Mütze ähnelt, gewahren wir an
dem Bildniss in Grubenschmelz Tafel VIII Fig. 11 und in genauerer,
klarerer Darstellung bei der vom Beschauer links stehenden Krieger-
figur in der Gruppe Tafel III Fig. 1, welch' letztere Figur am Helme
noch die Stirnspange und eine stark vortretende Scheitels]tange mit
Nasenband zeigt. Die zweite, im 12. Jahrhundert häufiger, als die
spitze, vorkommende Form ist die des sogenannten Glockenhelmes, die
man genauer als cylindrisch mit halbkugelförmiger oberer Abrundung
bezeichnen muss. Die rechts vom Beschauer stehende Kriegerfigur in
der Gruppe Tafel III Fig. 1 trägt einen solchen Helm, ohne Nasen-
band, statt dessen bereits ein barbel mit penftern als Gesichtsschutz,
und die Figur auf dem Siegel Tafel II Fig. 4 ist in ganz ähnlicher
Weise ausgerüstet. Die Illustrationen des um 1175 geschriebenen 2\UO-
langes liet (lithographirt in der Ausgabe von W. Grimm, Göttingen
1838) zeigen die Ritter ausnahmslos im Glockenhelm, aber noch mit
Nasenband. In Nordfrankreich, Flandern und England waren die
Glockenhelme von einer schier unbegreiflichen Höhe, sie lassen beinahe
die Vermutung zu, dass dort bereits hohe und spitze Beckenhauben
unter den Helmen getragen seien; leider fehlen darüber zeitgenössische
Berichte. Obwohl nun diese beiden Formen, die spitze und die glocken-
artige, auf den Bildern des 12. Jahrb.unders ziemlich häufig vertreten
sind, so sind sie doch am Ende des Jahrhunderts als eine veraltete
Mode zu bezeichnen,") die vielleicht als Erbstück oder ihrer Leichtig-
keit wegen hie und da noch getragen wurde; jedenfalls stellen sie nicht
die gegen Mitte desselben Jahrhunderts sich anbahnende Form des
eigentlichen Ritterhelmes vor Augen, wie einige ob ihrer Seltenheit
ungemein schätzbare Originale in Verbindung mit- zeitgenössischen
1 ieschreibungei i darlegei i.

Das älteste bekannte Original, welches Tafel IV Fig. 1 a und 1 b
wiedergiebt, wurde in England in der alten Abteikirche zu Faversham
entdeckt, von den Franzosen jedoch ausgeführt und wird jetzt im Musee
de l'Artillerie zu Paris bewahrt; sein Ursprung muss, wie der Archäologe
Planche (Cycl. of cost. I p. 280) mit Sicherheit glaubt nachweisen zu
können, zwischen den Jahren 1135 und 1154 liegen. Das für die

fl) Athis und Protilias (W. Grimm 1840). am Ende des 12. Jahrhunderts nach
einem französischen Epos in deutschen Keimen bearbeitot, nennt.spitze Helme als solche
nach alter Sitte.

E. 102 : Sin beim bniulütir, ftAlin

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