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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0061
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Pas 3ctet?cn, bcr

Durch das hoch in die Lüfte erhobene 5CTCI7CU einen Mittelpunkt
oder Vereinigungspunkt, einen Ausgangspunkt für Befehle, über-
haupt einen wichtigen Punkt im Heere weithin sichtbar zu machen, war
der Hauptzweck einer Kriegsfahne, fturinDanen; überdies sollten die
verschiedenen Arten der Feldzeichen, jede an ihrem Teil, gewisse Abtei-
lungen, zusammengehörende grössere oder kleinere Heerkörper kenn-
zeichnen. Die Fahne ist deshalb im grauen Altertume schon zum
Sinnbilde der zu ihr gehörenden Vereinigung von Kämpfern geworden,
ihre moralische Bedeutung ist seit Jahrtausenden unter allen Völkern
gewürdigt. Wie ihre Verteidigung allzeit höchste Ehrenpflicht war, so galt
und gilt noch heute als köstlichste Trophäe ein dem Feinde genommenes
Feldzeichen.1)

Unsere germanischen Altvorderen haben Bilder göttergeweiheter
Tiere, vorzugsweise wohl Drachen und anderes Fabelgetier, zu Feld-
zeichen genommen2); die Bilder wurden in heiligen Hainen bewahrt,
bei Ausbruch des Krieges feierlich abgeholt, als Erkennungs- und
Sammelzeichen in den Kampf getragen. Man hat sich dieselben im
Stile des an der Trajanssäule dargestellten Nationalzeichens der Daken
zu denken: Von verschiedenfarbigen Zeugen ist eine Schlange (nntrm,
träfe) mit weitgeöffnetem Bachen gebildet und auf einer langen Stange
befestigt, so scheint sie, vom Winde aufgeblasen, sich in drohenden
Windungen einer lebendigen Schlange gleich zu bewegen. Der Drachen
oder die Flügelschlange hat sich in plastischer Bildung Jahrhunderte
lang als Feldzeichen behauptet; wir rinden ihn als Reiterstandarte im
Psalterium aureum des achten Jahrhunderts zu St, Gallen, Angelsachsen
tragen ihn noch bei Hastings, wie die Tapete von Bayeux zeigt, ja noch
Kaiser Otto IV., der Niedersachse, hat bei Bouvines 1214 auf dem
Mastbaum seines Heerwagens Adler und Drachen geführt. Der Drachen
war überhaupt das Sinnbild der am längsten dem alten Götterglauben
treuen Niedersachsen, wie uns schon Widukind (Res gest. Saxonum III)
im zehnten Jahrhundert berichtet.

Über Formen und Arten der altdeutschen ebunbfano, cuinfano im
frühen Mittelalter sind wir sehr dürftig unterrichtet, auch die spätere
Zeit lässt Vieles noch unsicher, schon deshalb, weil man in der Bezeich-
nung der verschiedenen Arten nicht immer consequent verfuhr, daher
die Begriffe nicht scharf genug umgränzt erscheinen :!). Eine allen Arten
gemeinschaftliche Benennung war jeteben, sie bezog sich aber in der
Regel nur auf das Fahnentuch, jenes im Winde flatternde Zeugstück,
welches man gewöhnlich erst kurz vor Beginn des Kampfes mit dem
Schafte (Stange) durch Ringe und Schleifen verband. Eine allgemeinere
Bezeichnung ist noch bei* Dünen und zwar ber fturinDanen für Kriegs-
fahne, ein engerer Begriff knüpft sich an bie bautere oder ba^ banter,
in der Regel Benennung für besondere Rangzeichen, ferner kommen
ftenbbart, r/erDanen, leitüanen, rennDanen vor, kurz, um einigermassen
Übersicht in die Verschiedenheiten zu bringen, hat man sie in's Auge

J) Tacitus nennt die römischen Legionsadlcr, welche seit den Kämpfen des Marius
gegen die Cymbern alle übrigen Zeichen verdrängt hatten, propria legionum numina. Der
Kirchenvater Tertullian behauptet sogar in seinem Apologeticus cap. IG: Religio Romanornm
signa omnibus diis praeponit.

2) Tacitus, Genn. cap. VI; bei den Cymhern nennt Plutarch, Marius 23 27, einen
Stier als Feldzeichen, dagegen erzählt Amm. Marceil. XVI, 10 7 von Drachenbildern aus
Purpurgewebc, und Sidon. Apoll, beschreibt poetisch Carm. II, 231 232 V, 402 den Drachen
der Vandalen.

8) Die ursprüngliche Bedeutung von Danen, van war, wie die von nrjvog und
Tirivrj, lateinisch pannus, ein Stück Zeug,' Tuch, eine Binde; im Althochdeutschen kannte
man noch babfauo, lentifano (lumbare), froeijfano (sudarium) u. s. w. Dieselbe etymo-
logische Quelle haben das deutsche banier (daraus später Banner) und das französische
pennon. Eigentümlicherweise haben sich die verschiedenen Bezeichnungen der Fahnenarten
bei dem Übergange in das Neuhochdeutsche dem Sinne nach stark verändert. Während
ftenbart oder ftanbart im Mittelalter die grösste Fahne, extendarium vexillum, die dos
Eeiches war, wird jetzt die kleine Reiterfahne der Cavallerieregimenter als Standarte
bezeichnet, andrerseits versteht man heute unter Banner insgemein sehr grosse Hauptfahnen,
im Mittelalter dagegen war baniere eine kleinere Keiterfahnc.

Danen, bie baniere.

Num. 217: Und wie sie sich lagern, so sollen sie auch

- ziehen, ein Jeglicher an seinem Ort unter seinem

Panier.

| zu fassen vom Standpunkte der Verwendung je nach der Bedeutung
Desjenigen, der den Danen tragen zu lassen berechtigt war. Die innige
Beziehung zwischen Fahne und Schild, der wir schon gedachten, gestattet
dabei die Einteilung nach den sieben Heerschilden als massgebend zu
betrachten. Sie, wie die der Fahnen, beruhte auf des Heeres Gliede-
rung, auf dieser im kriegerischen Mittelalter die Gliederung aller Stände,
denn der Lehnsverband, welcher ein im Grund und Boden wurzelndes
Verhältniss schuf, wurde massgebend ebensowohl für die Kriegsverfassung,
wie für jedes bürgerliche Verhältniss.

Der fturmüanen oder die Kriegsfahne war das Symbol der beruart,
mit ihrer oder des Hutes Aufrichtung wurde das Volk aufgeboten und
versammelt. Der Lehnsträger (vassus oder vasallus, miles) erschien,
nachdem er sechs Wochen und drei Tage vorher zur berDart gemahnt,
mit der gesetzlich bestimmten Mannschaft auf dem ihm anberaumten
Sammelplatze, vollständig gerüstet und für die erste Dauer der Unter-
nehmung selbst mit Lebensmitteln versehen. Auf den Sammelplätzen
nun erhob der rjerjOcte des Stammes (der lantoürfte) seinen r/erDanen,
unter ihm der Höchstfreie (nobilis, ingenuus) und der Reichsvasall (vas-
sus maior, miles imperii) den lettücinen seines Gaues oder Gebietes, der
Mittelfreie (vassus minor, Daffäl, miles primus) als Bannerherr seine
baniere, endlich der ritterbürtige Dienstmann (oafjal, miles gregarius
oder miles schlechthin) seinen eigenen Speer mit daran flatterndem
zierlichen temiDanen. Die unter diesen Fahnen gesammelte ritterbürtige
Mannschaft bildete den Kern des Heeres und focht ausschliesslich zu
Pferde, seitdem der nur. durch Bemittelte zu leistende Reiterdienst in
Aufnahme gekommen und jeder Edle, obwohl seine Ahnen bis zum
zehnten Jahrhundert gewöhnlich zu Fusse gefochten, es als ein Vorrecht
betrachtete, sich zu Rosse zu setzen.

Auf der oart selbst wurden die 3etcben oder Fahnentücher in der
Regel abgenommen und erst wieder an die Schäfte gebunden, wenn es
zum fturmftrit, zur Schlacht ging, daher bedeutete der fliegende jturut-
Danen stets kriegerische, feindliche Absichten des unter oder mit dem-
selben ziehenden Heerhaufens. Der Schaft der Fahne war im Allge-
meinen wie der eines Speeres gestaltet, indess bisweilen mit scharfen
Nägeln beschlagen, um dem Feinde das Ergreifen zu verleiden4). Der

uanaere oder Denre (vexillifer) musste ein ausgesucht tapferer Ritter sein,

f

der den Fahnenschaft im Schlachtgewühl hoch und fest zu tragen ver-
mochte, ihn nicht selten mit seinem Sattel in feste Verbindung brachte.
Für die Fahnenspitze hat sich im Mittelalter keine bestimmte Form
herausgebildet, man findet dafür die verschiedenartigsten Speereisen-
formen, auf der Reichsfahne und auf den leitoatteu der Pfaffenfürsten
nicht selten ein Kreuz.

Den ersten Heerschild hatte der roemtfeb funec, und er führte
bej riebes Danen, Regni sive Imperii vexillum, extendarium vexillum,
d. i. den grossen ftenbart oder die Rciehsstandarte. Ihre älteste Forin
zeigt ein längliches Stück Zeug, ähnlich dem antiken vexillum und dem
labarum des Kaisers Constantin, welches mit der schmalen Seite an
einem Querstabe befestigt war; dieser Querstal) wurde wieder durch
Schnüre oder Kettchen am grossen Fahnenstabe gehalten. Noch im
neunten Jahrhundert scheint diese Form üblich gewesen zu sein, wenn-
gleich wir schon am Ende des achten Jahrhunderts eine andere Art der
Befestigung wahrnehmen, welche die erste Form allmählig verdrängte
und sich bis heute in unserem Jahrtausend behauptet hat mit unwesent-
lichen Änderungen. Das Fahnentuch von ansehnlicher Länge wurde an

4) Lohengr. 5G35: 211(6 er nü getu öem Danen mit Freften fOrt,
Den an betn fatet mit ifen wart gebouroen,
eZr begreif in mit ber tjant unt molt in niber luvten,
Da tearen al barin gefmit

Xtagel, bie im irmnben gaben burd; ber benbe lit.
, Hü liej er in, bü er in fus fuube ftedjen.
 
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