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Matthaei, Friedrich Anton Levin
Hellenikos mythologisch-malerische Reisen durch Griechenland, den Archipelagos, Sicilien und Unter-Italien, mit steter Rücksicht auf Wissenschaft, Kunst und Sitte der ältern und neuern Zeit: Enthaltend die Sagen der Vorzeit der Griechen und Römer, nach den Gegenden erzählt und erklärt, welche der Schauplatz derselben waren, nebst einer Nachricht von den dadurch veranlaßten Werken der Bildhauerei und Malerei ... ; Mit Kupfern und Holzschnitten der vorzüglichsten Künstler Deutschlands und Englands — Leipzig, 1835

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https://doi.org/10.11588/diglit.4567#0489
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Eridanus, wohin fle gegangen waren, das Unglück ihres Bruders zu
beweinen.
Die Verwandlung der Heliaden wird nicht immer auf gleiche Weise
erzählt. Virgil laßt in einer seiner Eklogen den Silen sagen, daß sie
zu Erlen geworden.
„D'rauf die Phaethontiden in MooS und bittere Rinde
„Kleidet er, daß sie dem Grund', hochwipflichte Erlen, entsteigen."
(Ekloge VI, 62. 63.)

Zn der Aeneis erzählt er aber, daß Cyknus seine Tage hingebracht,
den Verlust seines geliebten Phaethons in dem Schatten der Pappel-
bäume zu beweinen, in welche die Schwestern des unglücklichen Phae-
thon verwandelt worden.
„Denn man erzählt, daß CyknuS, um Phaethon traurend, den Liebling,
,,Unter umgrünendem Pappelgesproß, und dem Schatten der Schwestern,
„Während er sang, durch Lieder den Gram zu trösten der Sehnsucht,
„Silbergrau sein Alter mit weichem Klaume beschleunigt,
„Und, von der Erd' auffiiegend, mit Klang die Gestirne verfolget.^
(AeneiS X, 189—193.)
Diese Verwandlung der Heliaden in Pappelbäume wird gewöhnlich
angenommen.
Die Thränen der Heliaden, erzählen die Dichter, sind in Bernstein
verwandelt worden. Von den Pappelbäumen tröpfelt eine Art von
Harz herab, das dem Bernstein ziemlich gleich kömmt.
Vielleicht bezieht sich diese ganze Fabel auf mehr nördlich gelegene
Länder. Man hat daher den Fluß Eridanus in den Gegenden gesucht,
wo der Bernstein gefunden wird, weil dieser von den Thränen der
Schwestern des Phaethon entstanden seyn soll. Hier hat man ihn in
dem kleinen Flusse Radaune bei Danzig angetroffen, welcher in die
Weichsel fällt, und sich damit in das baltische Meer ergießt. An seinen
Ufern findet man eine unzählige Menge von Pappelbäumen und von
Schwänen, welche im Frühlinge dahin kommen, um dort zu brüten.
Die Gegend, wo dies Gewässer sich Ln's Meer ergießt, ist wegen des
braunen Bernsteins berühmt, der daselbst gefunden wird, und dem Kö-
nige von Preußen sehr viel einträgt. Man findet den Bernstein nir-
gends als in diesem Lande, keineswegs aber an dem Po, der in ältern
Zeiten Eridanus hies. Jedoch ist es nicht zu verwundern, daß das,
was die Sage von dem Flusse Radaune erzählte, dem Eridanus zuge-
schrieben wurde, da diese beiden Namen einander so ähnlich sind, und
eine Verwechselung leicht möglich war.
Lucian^) spottet über die fortdauernde Säge, daß Cyknus, um
Phaethon trauernd, in einen singenden Schwan sei verwandelt worden.
 
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