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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 19.1976

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Nr. 1
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Bericht über die Arbeit des Ausschusses "Lernzieltaxonomie" des DAV
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https://doi.org/10.11588/diglit.33071#0020

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4.1 Der Schüler diskutiert die Berechtigung der Plebejer zu ihrer secessio unter den von Livius
geschilderten Bedingungen und nimmt Stellung. Es erregt Erstaunen, daß die Konfrontation
der Einstellungen durch die bloße Erzählung einer Fabel abgebaut werden konnte. Zwei
Bewertungen sind möglich:
Fabel: a) Die Fabel erscheint als die bildliche Aussage für die höhere Einheit des
Gemeinwesens, das über allen Gruppeninteressen stehen soll;
b) Hinter dem Appell an die concordia kann sich die Aufforderung zum
Festhalten an einer vermeintlich naturgegebenen Ordnung verbergen.
Bild: a) Die bildhafte Darstellung konnte im Interesse des Gemeinwesens zur
Erhellung wichtiger politischer Zusammenhänge dienen;
b) sie konnte zur Verschleierung von Machtverhältnissen dienen.
Agrippa: a) Menenius Agrippa erscheint als Politiker mit Integrationsfähigkeit und
Autorität;
b) er erscheint im anderen Falle als Vertreter von verschleierten Machtan-
sprüchen.
4.2 Der Schüler vertritt eine Stellungnahme, indem er aus seinem historischen Verständnis und
aus seiner Reflexion über aktuelle Konfliktsituationen seine Auffassung begründet.
4.3 Er ist bereit, in der Diskussion entgegengesetzte Wertungen zu tolerieren und gegebenenfalls
bei neuen Einsichten seine Meinung zu korrigieren.
P. Kroh

III 4. Affektive Lernziele in der Inhaltsklasse H
1.1 Der Schüler liest im Lektüreunterricht die Kapitel von der Ermordung des Alkibiades
(Nepos, Ale. 9.10).
Nepos schildert in der Vita des Alkibiades, wie dieser sich in Persien bereits wieder eine
gewisse Macht verschafft hat. Nun setzt aber eine Gegenbewegung ein: Die 30 Tyrannen in
Athen setzen Lysander unter Druck, dieser wieder den Pharnabazos. Dieser seinerseits
sendet zwei Abgesandte, die Alkibiades töten sollen. Aber auch diese Männer gehen nicht
direkt vor, sondern zwingen Leute aus der dortigen Gegend, Alkibiades zu töten. So ergibt
sich eine ganze Kette von Befehlsempfängern. Alkibiades, dessen Unterkunft in Brand
gesetzt wird, entkommt geistesgegenwärtig dem Feuer, wird aber dann aus der Ferne
getötet. Eine Frau, die bei ihm war, bedeckt ihn mit ihrem Gewand und verbrennt die
Leiche. - Die Stelle wird demnächst in der Zeitschrift „Anregung“ interpretiert werden.
1.2 Bei der Lektüre wird er darauf aufmerksam, daß hier eine Art von „Befehlskette“ vorliegt:
Die „Dreißig“ —» Lysander —» Pharnabazos —» dessen Untergebenen —» die „Nachbar-
schaft“ des Alkibiades. - Auffällig auch die Treue seiner Gefährtin.
1.3 Durch diese Aspekte wird der Schüler aufgeschlossen für die Interpretation, weil ein fast
unlösbares Problem vorliegt: Eine Kette von Mordbefehlen, denen sich der jeweilige Adres-
sat nicht oder kaum entziehen kann. Hinzu tritt die Feigheit der Nachbarn, die den offenen
Kampf scheuen. Erwähnenswert die rasche Reaktion des Alkibiades, die mutige Tat seiner
Begleiterin, die es wagt, die Leiche zu verbrennen, wo doch Alkibiades auf „Höheren
Befehl“ hin getötet wurde.
2.1 Der Schüler soll versuchen, folgende zwei Hauptfragen zu erfassen: Liegt hier wirklich ein
Mord vor, und wer ist verantwortlich? Welche Verhaltensweisen zeigen die auftretenden
Personen?
2.2 Der Schüler sucht, die in den Fragen enthaltenen Probleme zu analysieren, indem er das
Handeln der einzelnen Menschen beschreibt und vorläufig qualifiziert.
2.3 Im Unterricht werden zu diesem Kapitel Fragen gestellt; betroffen von der Problematik wird
sich der Schüler an deren Beantwortung beteiligen.

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