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Meder, Joseph [Hrsg.]; Dürer, Albrecht [Hrsg.]; Graphische Sammlung Albertina [Hrsg.]
Dürers Grüne Passion in der Albertina — Druck /​ Gesellschaft für Zeichnende Künste, Band 3: München: Recht, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.53165#0022
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Die GLnwertung
Der Ruk der Grünen Paküon - und wir meinen hier nicht ihr historisches Renommee —
beruht heute nicht allein in der angenehmen Verkeilung, daß wir die Leidensgeschichte
such in einer Teichnungenlerie vor uns haben, sondern in der Erkenntnis ihrer kortlchritt-
lichen Lompolltionsweike, der Harmonie von Handlung und Bewegung, in der Aulammen-
kassung aller zeitlichen Erkahrungen, kurz in der Kundgebung einer neuen Stilwende,
wie üe üch seit 1500—1504 hersusgebildet hatte. Dürer war ein anderer geworden. Alle
übernommenen Anschauungen über Form und Raum erlebten darin einen berkeinerten
Wandel und einekrsktbolle Äußerung seines überleit und Umgebung htnausgewachlenen
Intellektes. Die noch lebendig wirkenden Eindrücke der erken italienischen Rette ver-
dichteten üch mit den durch rsülotes Studium errungenen Resultaten der letzten Jahre zu
kreieren und kür die deutsche Kunü noch ungewohnten Äusdruckskormen. Der Getü, der
aus den grotzen Holzschnitten sprach, begann schon um 1500 zu verblassen und wir Wundern
uns nach der Betrachtung der Grünen Pasüon nicht mehr, wenn Dürer die bis auk Leben
Blatt vollendete Folge der geschnittenen Pasüon zunächk liegen lietz.
Es hietze Dürers Bekrebungen in ihrer Gesamtheit beeinträchtigen» wollte man, wie es
in den letzten Jahren wiederholt geschah, nur von den vier echten Vorarbeiten ausgehen und
daraus allein Schlüsse ziehen, die suügekührten Blätter aber trotz ihrer auktchlietzenden Um-
geksltung als verdächtige Arbeiten auk die Seite schieben. Gerade die dort angeschlagenen,
hier weitergekührten Motive beleuchten die künstlerischen Äbüchten und Kellen die einzelnen
Höhepunkte des biüdahin Erreichten ineinbesonderesLicht.Dürer gingmitüchtbaremGiker
daraus los, leine Kompolltionügedanken immer klarer, schärker und einheitlicher zu lassen
und ihnen Umrisse zu verleihen, die den neuen Kormen kür symmetrische Gebildeentsprechen
sollten. Ein derartiger Rhythmus des Ausbaues, wie z. B. die Geißelung Ehriki in Tat. IV
verkündet, des bewußt gekührten LLnienüusses zu beiden Seiten der Säule, oben zukammen-
geksßt durch den Doppelbogen mußte kür Deutschland ein Kobum bedeuten, inlokern üch
hier alle gärenden Empündungen schon renaissancemäßig auslöken. Die echt quattro-
centische, übermäßig betonte Symmetrie der Italiener ündet auch in der Kreuzabnahme
ihren Ausdruck, wobei die Erweiterung der Komposition nach abwärts in der Auskührung
gegenüber dem Gntwurke noch besonders herborgehoben werden mutz (Dak. S und X).
Die Darkellung selbst, die Handlung, wird nicht mehr Lm Sinne der alten natura-
listischen Motive weitergekührt, sondern sachlich und seelisch verliest. Nnd wenn auch
Einzelnes aus der älteren deutschen Kunst oder gar von Mantegna übernommen wurde,
to Kellen üch die Läuterungen von selbst ein. Ehrikus wird vor allem anderen immer
mehr zum edlen, seiner Sendung bewußten Dulder. Der Ausdruck seines Antlitzes und
die Haltung seines Körpers kühren zu einem kortlaukenden Äukkieg, von der großen

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