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Herzog Rudolph’s IY. Scliriftdenkmale.
Von Dr. Franz Kürschner.
(Mit zwei Tafeln und 4 Holzschnitten.)
Bei einer eingehenden Untersuchung des Urkundenwesens Herzog Rudolph’s IV. boten sich
mir verschiedene Momente dar, welche über den Rahmen speeifisch diplomatischer Betrachtung
hinausreichen und bereits in das nahverwandte Gebiet der Alterthumsforschung hintibergreifen,
wesshalb eine kurze Besprechung der hier in Betracht kommenden Punkte in diesen Blättern
ihren rechten Platz finden wird.
Wenn sich je die Individualität eines Fürsten in den von ihm ausgestellten Urkunden zu
erkennen geben kann, so ist diess vor allen Andern gewiss bei Rudolph der Fall, dessen Ge-
schichte daher auch mit Recht als eine im eigentlichen Sinne des Wortes diplomatische betrach-
tet werden kann. Das lebendige Bewusstsein seiner Fürstenwürde, das sein ganzes Wesen erfüllte,
brachte es mit sich, dass er allem, was von ihm ausging, eine gewisse Wichtigkeit beilegte.
Daraus, sowie aus dem sichtlichen Streben, überall persönlich einzugreifen, ist es wohl auch zu
erklären, dass er dem Schrift- und Urkundenwesen die eingehendste Aufmerksamkeit widmete.
Eine sorgfältigere Erziehung hatte ihn im Gegensätze zu den Fürstensöhnen seiner Zeit mit der
Kunst des Schreibens vertraut gemacht; — einmal in dieser Richtung angeregt, liess er es bei
der gebräuchlichen Schrift nicht bewenden, sondern einem Zuge seiner Natur, der Vorliebe für
das Mysteriöse folgend erfand er eine eigenthümliche Zeichen- und Geheimschrift, deren er sich
bei verschiedenen Anlässen bediente und die ihm den Ehrennamen des Sinnreichen (lat. Inge-
niosus) verschaffte.
Was nun die Urkunden Rudolph’s betrifft, so möge gleich im vorhinein bemerkt werden,
dass für unsere Frage wold die meisten der von ihm ausgestellten Schriftstücke in Betracht
kommen, nicht aber jene unächten sogenannten österreichischen Haus-Privilegien, obwohl deren
Fälschung dem Herzoge, und zwar nach dem heutigen Stande der Forschung, mit Recht
zugeschrieben wird. Er war der erste österreichische Fürst, der mit denselben hervortrat
und sie zur Geltung zu bringen suchte. Als es ihm jedoch nicht gelang, die Bestätigung des
Kaisers zu erlangen, nahm er gegen denselben sofort eine widersetzliche Haltung ein, die zum
offenen Bruche führte, um so mehr, als der Herzog die ganz in seinem Sinne lautenden Bestim-
mungen dieser Freibriefe praktisch durchzuführen suchte, wie diess nicht nur aus seiner zwei-
deutigen Stellung zum Kaiser nur zu deutlich hervorgeht, sondern auch schon aus der ganzen
Beschaffenheit der von ihm ausgestellten Urkunden zu ersehen ist.
Herzog Rudolph’s IY. Scliriftdenkmale.
Von Dr. Franz Kürschner.
(Mit zwei Tafeln und 4 Holzschnitten.)
Bei einer eingehenden Untersuchung des Urkundenwesens Herzog Rudolph’s IV. boten sich
mir verschiedene Momente dar, welche über den Rahmen speeifisch diplomatischer Betrachtung
hinausreichen und bereits in das nahverwandte Gebiet der Alterthumsforschung hintibergreifen,
wesshalb eine kurze Besprechung der hier in Betracht kommenden Punkte in diesen Blättern
ihren rechten Platz finden wird.
Wenn sich je die Individualität eines Fürsten in den von ihm ausgestellten Urkunden zu
erkennen geben kann, so ist diess vor allen Andern gewiss bei Rudolph der Fall, dessen Ge-
schichte daher auch mit Recht als eine im eigentlichen Sinne des Wortes diplomatische betrach-
tet werden kann. Das lebendige Bewusstsein seiner Fürstenwürde, das sein ganzes Wesen erfüllte,
brachte es mit sich, dass er allem, was von ihm ausging, eine gewisse Wichtigkeit beilegte.
Daraus, sowie aus dem sichtlichen Streben, überall persönlich einzugreifen, ist es wohl auch zu
erklären, dass er dem Schrift- und Urkundenwesen die eingehendste Aufmerksamkeit widmete.
Eine sorgfältigere Erziehung hatte ihn im Gegensätze zu den Fürstensöhnen seiner Zeit mit der
Kunst des Schreibens vertraut gemacht; — einmal in dieser Richtung angeregt, liess er es bei
der gebräuchlichen Schrift nicht bewenden, sondern einem Zuge seiner Natur, der Vorliebe für
das Mysteriöse folgend erfand er eine eigenthümliche Zeichen- und Geheimschrift, deren er sich
bei verschiedenen Anlässen bediente und die ihm den Ehrennamen des Sinnreichen (lat. Inge-
niosus) verschaffte.
Was nun die Urkunden Rudolph’s betrifft, so möge gleich im vorhinein bemerkt werden,
dass für unsere Frage wold die meisten der von ihm ausgestellten Schriftstücke in Betracht
kommen, nicht aber jene unächten sogenannten österreichischen Haus-Privilegien, obwohl deren
Fälschung dem Herzoge, und zwar nach dem heutigen Stande der Forschung, mit Recht
zugeschrieben wird. Er war der erste österreichische Fürst, der mit denselben hervortrat
und sie zur Geltung zu bringen suchte. Als es ihm jedoch nicht gelang, die Bestätigung des
Kaisers zu erlangen, nahm er gegen denselben sofort eine widersetzliche Haltung ein, die zum
offenen Bruche führte, um so mehr, als der Herzog die ganz in seinem Sinne lautenden Bestim-
mungen dieser Freibriefe praktisch durchzuführen suchte, wie diess nicht nur aus seiner zwei-
deutigen Stellung zum Kaiser nur zu deutlich hervorgeht, sondern auch schon aus der ganzen
Beschaffenheit der von ihm ausgestellten Urkunden zu ersehen ist.