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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0034
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Meggendorfers Huinoristische Blätter


niaiiches Mißvergnügen. Sie hörten die Gattin und Mutter
mohl vicl von ihren Schätzen „singen und sagen", ihr eigenes
Sachverständigenurteil abzugeben, mcnn es jener gelungen war,
wiedcr eininal eine ganz besondere Delikatesse anzufertigen,
dazu kainen sie nur selten. Es kränkte sie das nnd man kann
ihncn nicht unrecht geben, wenn sie zuin tausendstenmale ihr
gegcnüber den stichhaltigen Grund vorbrachten, daß so eine
Ivurst doch nicht zuin anschauen allein geinacht sei l

Es gab ja Moincnte, wo sie weichherziger war und cin
j)aar ihrer Lieblingc auf den Mittag- oder Abendtisch legte, es
waren jedoch solcher Moinente zn wenige. 5o stund den Fünf
diese wurstkaninier inimcr wie ein sagenhastes Ding gegennber,
das sie gerne eininal gründlich erforscht hätten; an Tapfcrkeit,
das heißt dein nötigen Axpetit dazu, fehlte es ihnen wahrlich
nicht; die gesunde Lnst und Bemegung im Freien stärkten ihren
Lßmut in unglaublicher Weise — wehe, wenn sich da einmal
der Tchatten ciner Gelegenheit bot, ihn in die That uinznsetzen l

Die Frau Gntsbesitzer wußte das auch und lsiitetc daher
den Schlüssel zu ihrein Raritätenkabinett wic ihren 2lugapfel.
Aber eines Tages war er doch fort. Aian kann sich denkon,
anf wen sich der vcrdacht dcr schwer geängstigten Frau sofort
richtete: das war ihr cigenes Fleisch und Blut, oder, noch schliin-
iner, der cigene Gattcl Bald aber schmand dieser Derdacht,
denn Gattcn und Söhno hatten augcnscheinlich noch tiefercs Akiß-
bchagen als sonst schon, das heißt vor Abgang des Schlüsscls
crgriffcn. Sonst hatte inan doch wenigstens lsie und da eininal
ctwas aus der UAirstkaminer bekommen, jetzt erschien aber gar
nichts mehr.

Die Frau Gntsbesitzer hatte, wie schon gesagt, ein gntcs
kferz. Dieses gab ihr cin, auf Mittel und wege zu sinnen, ihren
Angehörigcn in angeinesscnen Pausen doch wieder zu ihrein
Lieblingsgcrichte zu verhelfen und es fand sich ein Ausweg.
Da wird nnn inanchcr Leser denken: Ganz einfach; der Schlosser
sperrt auf nnd dann niacht er einen neuen Schlüssell Ganz
recht — nur war das Gut eine Linöde und die Frau Guts-
besitzer sehr sparsani. Lhe nicht inehr zu reparicron war, kam
da kein Fachinann ins kfaus; da mußte es auch so gehen, und
es ging auch. Linos Abends kanion, getragen von der alten
Snse, unter vorantritt der Frau Gntsbesitzer, ein paar kolossale
Salami auf den Tisch. Freude und Lrstaunen maren selbst-
redend grenzcnlos. vatcr nnd Söhno bestürniten sie init Fragen,
wie sie denn plötzlich wieder in die tVurstkaininer gekoininen
sei und ob sich nnn cndlich der Schlüssel wicder gefunden habe?

Dieses letztere vorneinte sie senfzcnd. Dagegen erzählte sie
niit vielein Behagen, wie sie durch langes Nachdenkcn darauf

gekoninion sei, sich aus cineni Lisenstabchen einen-Dietrich

zn niachen.

Die fünf Atänncr hörten ihr mit vielein Interesse zu und
die Zvürste schinolzen dabei dalsin, rasch und bald.--

In dor letzten tvoche war es pressant anf doni Gnte ge-
wescn. Die Droschinaschine war gekoininen, Taglöhner eingestcllt
worden u. s. w.; es gab so viel zu thnn, daß die gnte Frau
nicht einnial dazu kain, ihrc vielgeliebte Murstkaininer zn be-
siichen. Ietzt jedoch war der Trubel vorüber. Ihre fünf An°
gehörigen hatten sich schon zur Ruhe gelegt, sie selbst saß noch,
für alle sorgend, vor ihrcin Mirtschaftsbnche. Nun klappte sie
cs zu. Sie wolltc niit einein freundlichen Lindrnck zn Bette
gehen, zündete ein Licht an, kramte sich ihren Dietrich aus der
ihr znr Seite hängenden Geldtasche und ging den langen Uor-
ridor hinab, um dessen allerletztc Thüre, die Thüre zu ihren
Schätzen, zu öffnen. Gehorsam spielte das Schloß — ein Blick,

ein Aufschrei, so wild wie ihn die Löwin ausstößt, der man
während ihrer Abwesenheit die Inngen geraubt, und beinahe
hätte die starke Frau eine Ghnmacht umfangen — die erste in
ihrcm Lebenl

Eilig watschelte die alte Suse auf den Alarmruf der Gc-
bieterin herbei. Line stninme Geste mit der lhand ließ sie sofort
verstehen: die Mnrstkainmer mies bedenkliche Lücken auf.

Suse nickte trübe mit dem kfaupte.

„Was ist's, wie kam das, Suse?I"

Suse nahm ihre lferrin bei der lfand und sührte sie ein
Stück den Aorridor wieder zurück und zwar an den großen
langen Aleiderrechen, an dem dio Anzüge des Gatten und der
vier Söhne des Ausklopfens und Ausbürstens harrten.

„Gnädige Frau," sagte die Alte, „Sie hätten vor-
sichtiger sein sollen, als Sie damals erklärten, wie
Sie das Schloß öfsneten" — hier sonkte sich die lfand der
tronen Dienerin nach und nach in die fünf Rocktaschcn der
Männer und brachte die gleichen Gegcnstände, krummgebogone
Eisenstäbchen, hervor — „ich hab's schon lange gemerkt,

mir aber nichts zn sagen getraut-—: sie haben

jetzt alle fünf anch Dietrichell" Th M.

Vcch.

Trinker: „Ich hab' ein pech, jcdesmal wenn ich Lust
znni arbeiten krieg, wird frisch angezapftl"

Nedaktion: Rsiax Schreiber. Druck und Derlag vou F. 5chreiber, bcide iu Lßliugeu bei chtuttgart.

Geschüftsstrllv iu München: Corneliusstralze 19.
 
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