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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0044
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

Der Murillo.

Zllschtiueii schien sie sich heilte gar Nlcht. Sie merkte offenbar
nicht, daß cr liintcr ihr saß, oder kannte ihn mcchrschoinlich gar
nicht wieder. Das letztere mar am ivatzrschcinlichsten. Nur
elmas rötere tvangen schien sie unsereiii Lieutcnant heute zu
ßaben. Gestern scch sie ein menig blaß aus, bevor sie den großen
Schreeken bekoliiliien hatte.

Ligcntlich ärgerte es chn doch, daß sie chn so gar nicht
bemerkte. Bb sie sich viellcicht nur so stellte?

Lieiitenants sind schlan und erfaßren in solchcn Dingen.
Lr brach also anf nnd verließ den 5aal init etmas nnchr Gc-
räusch, als geradc nnbedingt notivcndig gcmescn märc. Dabci
tßat cr, als ob die jnngc Dame vollständig Luft fiir il;n märc.
Kcinen Llick marf cr hinnber. Als er aber die Schwellc ziim
Nebcnsaal schon iiberschritten tzatte, drehte er sich ganz nnvcr-
miitet noch oinmal nm, rasch genng, iim noch einc blitzschnelle
Lcmegung des hiibschon Aöpfchcns der Malerin zu seßcn. Sie
hatte ißn also doch bemerkt.

von niin an kam er tciglich in die alte Pinakothek. Aber
er schlüpftc immer ganz schen, ohne sich iimznblieken, so schnell
als möglich durch die anderen Säle, mie mcnn er ein böses
Gewissen ßätte. Ls kam isim vor, als ob ihm dic alten Bildcr
mit den Blicken folgtcn. Dic vier Lvangclistcn schienen itzin
ißrc mciten Gemändcr aus dcm Rcchmen herans entgegcnzii-
strecken, dainit cr den miindervollcn Farbenmnrf besser siche, die
siißen kNadonnon- und Lngelsköpfchcn schiencn isim bittend zu-
znminkcn: „Bleibe doch cinen Angenblick auch bci nns, du
moderner Lrdcnscchn; mas sindest du dcnn so Lchönes an den
bosen spanischen Gasscnjiingcn?"

Und gar erst dic entsohlichen Tenfelsgestalten auf dem
„Rubciis" dort l

U)ic isire Llickc ihin ins lscrz drangen. Lr hörte sic förm-
lich mit einander zischeln: „Den iverden mir anch bald holen.
Dieser Siinder komnit nicht wegen der Gemälde tzierher. Der
hat cinen anderen Anzichnngspiinkt l"

Ia, es war wirklich entsetzlichl

Fritz befand sich nberhaupt in einem außergewöhnlichen
Znstand. Lr dachte an nichts mesir, als don
„Mnrillo."

kvar er nicht zu lfanse beim Lsscn, das ihm
troh allem noch recht gnt schineckte, so war er
cntmeder bei seinen Gemcilden zn finden, oder in
einer gewissen hiibschen ötraße, mo er stnnden-
lang cinf nnd ab lief, uin in einem gewisscn
hiibschen lsans nach ciner gemissen hiibschen
jnngen Damc aiisznschauen, allerdings ohne sie
jcmals zn Gesicht zn bekominen. In deni be-
wiißten lsause mohnte nämlich „sie". Lr war
ihr eininal gefolgt und hatte sie hier vcrschmin-
den sehcn.

Das war jodoch nicht seine ärgste Misscthat.

Lr hatte sie sogar schon angedichtct. Ganz heim-
lich natiirlich. Abcr ein Lieiitonant und dichtenl
Melche Bchmachl

Zum Gliick war es auch nichts gemorden.

Lr hatte keinen Reim auf „Nnrillo" findcn
können, anßer: „lhalt still, oh l" und das hatte
ihm nicht recht gepaßt.

Gesprochcn hattc er iininer noch nichts mit
dein „wesen zn rcin für diese kvelt," wie das
mißglnckte Gedicht begonnen hatte. Aber so oft
er kam und ging, begegnetcn sich fiir oincn knrzen

Augcnblick ihrc Augen nnd dann murden beide Gesichter jcdes-
mal etmas rot.

lfente saß Fritz auch mieder auf dein polster und schauto
scheinbar eifrig nach allen Gemälden, nnr nicht nach dem
gewissen kNnrillo.

Plötzlich horte er etwas auf den Boden fallen. Ls war
„ihr" Pinsel. lvie ein hungriger Löwe anf seine Lente, stnrztc
der Lieutenant anf denselben zu, noch früh genng, iim ihn vor
seiner kserrin zn erreichcn. Nur ihre ksände hatten sich ein
wonig gestroift und Fritz mar darüber so in vermirrung ge-
raten, daß er bloß hervorstottcrn konnte:

„Mein Fränlein . . . ganz entzückt . . . Ihr pinsel."

lvoranf das Fräulein glutübergossen und noch verlegencr
antwortete: „Freut niich sehr."

Dainit mar dcr Bann gebrochen. Fritz zog sich zufrieden
auf sein Sofa zuriick nnd die Besitzerin des jdinsels nialte
eifrig wcitcr.

Plötzlich zögerte sie, stand anf, trat etwas zuriick, um ihr
Geinälde ans der Lntfernung anzuschanen, setzte sich mieder,
schüttelte den Uopf und seufzte.

Das mar eine Gelegcnhcit für Fritz, auf die er schon langc
gclanert hatte. Ietzt konnte er seine lvissenschaft an den
Dkann oder vielinehr in dicsem Fallc an die Dame bringen.

Lr trat also neben sie hin und sagte:

„Gnädigos Fräulein iverdcn gütigst entschnldigen, wenn
ich auf eincn klcinen Fehlcr in der sonst so vortrofflichen Aopie
anfnierksam inache. bsier diesos Augc isr zu meit geöffnet.
lvonn Sie es etwas mehr geschlossen malen mollten, mehr „ge-
schlitzt," uin mich so auszndrücken, dann mürdo nach meiner,
allerdings nnmaßgeblichcn Aieinung, das Alutwillige in diesem
prächtigen Gasscnjungengesicht mehr zum Ansdruck koininen."

tSchluß folgl.)

Kchnell' gchoffen.

5 onntagsrelter hder in die Auslnge eines Gulanteriewaren-Geschnfls kineingeworfen wird):

„Lntschuldigen, haben Sie Reitpeitschen zu verkaufen?"

Nedaktisn: Nsax Schreiber. Druck und verlag von I. F. lSchreiber, beide in Lßlingen bei Stnttaart.

Geschäsisltelle in Münrlien: Lornclinsltralie 19.
 
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