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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0053
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Meggendorfers Humoristische Blätter.


Ingeniöser (Linsall.

Der Murillo. kLortsetzung vo„ Seite --7.)

„Aber Sie l;abe» ciitschieden auch Interesse sür »ndere
Henres, nicht nnr siir Soldnten?" srcigte dic 'Nalerin har,nlc>s
weiter.

„Gh und wie l" xlcitzte er senria Iieraus nnd wars ibr da-
bei einen ganz begeistcrten Llick z». „Sonst wäre ich dc>ch nicht
so oft gerade hier in dieseni Saal."

„Findcn Sie die alten Schlachtengeinälde in der jdinakothek
"icht wnndervoll?"

„Gewisjl" antwortete gedehnt der Lientenant. „?ie Laktik,
die nian daraus angewandt sieht, ist natnrlich ganz veraltet,
Bei nnsercn inodernen Fcucrwaffcn ..." Lsier nnterbrach er
>ich rasch. Fast hättc cr einen niilitärischen vortrag gehaltenl

„tsaben Sie anch gedicnt?" srng niin die Daine.

„Ia wcchl, es ist noch gar nicht langc her, daß ich die
Uniforni auszog."

„Können Sie die Gsstziere leiden? Ich nichtl Ich kann
sie nicht ausstebcn l"

Dein verineintlichen Malprofcssor cntfiilir niir cin schinerz-
üches „Gh," während die jnngc Oaine fortfnhr:

„Und das ist eigcntlich »lerkiviirdig, wo doch jdapa selbst
General istl"

„Äh," niachte da plöglich cine Stininie nnd der Lientenant
stel vor Lntsetzen beinahe anf das Sofa znriick.

„Uni Gotteswillen, was haben Sic denn?" frng das Gene-
ralstöchtcrlein erschrockcn »nd der Lientenant wußte in seincr
Derlegenheit nichts anderes zn sagen als:

„Lichts! Ls niiiß niich einc Bicne gestochen habenl"

„Aber hier giebt 'es doch keine Bienenl" war die erstannte
Antwort.

„Ia, dann wird es wohl eine cslicge gcwesen sein. Aber,
gnädiges Fräulein, bitte sagcn Sie niir doch, ist Ihr Berr Papa
noch i,n Dienst?"

„Nein, schon längst nicht mehr."

F-

Der Murillo.

Dcr Lientenant scufztc crleichtcrt anf. Das Fräiilcin abcr
schiekte sich zuin Aiifbrnch an, nachdein sie ihm das Dersprechcn
abgenomnien hattc, ihr doch bei ihrem Bilde etwas zn hclfcn.
In acht Tagcn hätte Ukama Gebnrtstag nnd bis dahin müssc
es fertig sein. Fritz versprach auch bereitwilligst, ihr seine liunst
zur verfngung zn stellen, „soweit es in scinen Aräften stiinde."
Dann nahmen sie Abschied von einander wie zwei alte Bekannte.

von nun ab sprachen sie täglich miteinander. Anna hieß
sic. Das hatte er auch erfahren und ihren Papa, den alten
General, hatte er sich auch schon betrachtet. Bei einer sciner
gewöhnlichen Fensterparadcn sab er ihn einmal am Fenster
stehen.

Lr fand ihn gar nicht so übel „und" dachtc er bei sich,
„wenn meinc angebetete Anna nicmals sich sehen läßt, so widnie
ich dem „Alten" nicine Fensterparaden. U?er weiß, wie bald
ich vielleicht etwas mit ihm zu thun bekomme. Dann bin ich
wenigstens an scinen Anblick gewöhnt."

„Seine" Anna sah ihn ja jeden Ukorgen. !vas branchte
er da mchrl Tr schwamm förmlich in Glückscligkeit. Lincs
nnr machte ihm Sorgen. Anna wnrdc täglich blasser nnd
trauriger.

Auch heutc saß sie wieder senfzcnd vor ihrcm Bilde nnd
starrte bctrübt vor sich hin.

Plötzlich sprang sie anf nnd sah ihren vermeintlichen Aollcgen
mit Thräiken in den Augen an.

„Ach kserr Profcssor," sprach sie, „ich bin nnglücklich. Ich
habe mir diese Aopie leichter vorgestellt. Aber ich bringe sie
nicht zu stande. U?as wird Uiama sagcn, ivenn sie von mir
gar nichts zum Geburtstag bekommtl Befter kserr jdrofessor,
wollen Sie mir das Bild nicht vollenden, für Sie ist das ja
cine Aleinigkeit. G, bitte, sagen Sic nicht „nein!"

„Nein" sagte nun allerdings unser Lientcnant nicht. Lr
sagtc überhaupt nichts, so war ihm der Schreck in die Glieder
gesahren. Lr sollte ein Gomäldc vollenden, er, der noch nic
in seineni Leben eincn fdinsel in der ksand gehabt hatte, außer
in jener Stunde, wo cr sein reizendes Abenlencr bcgonnen hatie.

Lndlich kam er ivieder etwas zn sich und versprach mii
zögernder Stiinme, am nächsten Tag init seincr Aiinst zu bc-
ginnen. ksente sei cs ihm nnmöglich. Lr habe plötzlich rasendc
Aopsschnicrzen bekommen und inüsse sich sofort nach kiansc bc»
geben.

„Sie Armcr" sprach das harmlose jnnge kNädchcn u»d sab
dem schändlichen ksenchlcr ganz ängstliä> nnd besorgt nach, als
er sich schlenniast entfcrnte.

Dem Lientenant war cs in der That so nnwohl ivie noch
nie, wcnn die Schmerzen sich auch mehr in seincin Gewissen als
in seinein Aopf äußerten. Die ganze Nacht schloß er kein Ange,
so quälte ihn die Rene über seinen leichtsinnigen Streich
kvaruin hatte cr nicht gleich gcsagt, daß cr Bfstzier sei I Seinen
Lltern stel es am andern Ulorgen auf, wie blaß und vcrstört
er aussah.

Fritz hatte sonst keine allzn üppige phantasie. Abcr diesen
Ulorgen konnte er sich ganz gcnan in die Lage cines zuin Tode
vernrtcilten hineindenken. kvas mußtc der Tag bringcn >

Nicht hingehen I — Das wäre das Linfachste gewcsen.
Aber vor der Gefahr zn sliehen, daran dachte Fritz gar nicht.
Dazu war er zu sehr Bsfizier. kVas sollte er aber sonst machen?
Rasch noch malen lernenl Das ging wohl anch nicht gut.

Linen Brief schrciben, alles gestehen und um Lntschnl-
digung bittcn l — Nein, das wäre gerade so feig gewesen, wic
ganz wegzubleiben.

Lndlich fand scine dentsche Soldatennatur das Richtige:
„Du hast Dir die Supxe selbst eingebrockt. Also einfach draus
los! Das kveitere wird sich schon stnden."
 
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