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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0054
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50

Meggendorfers Humoristische Blätter.

Der Murillo.

Das lserz klopfto ihm ganz gewaltig, als er der jungen
'Nalerin die lsand zur Bcgrüßnng reichte.

„Was jetzt wohl kommen mochtel"

Auna sah jetzt reizender aus als je. Jhre Augen strahl-
ten. Der lserr „jdrofessor" hatte itzr ja die Sorgen, die sie in
letzter Zeit quälten, vom lscrzen genommeu dnrch soin vcr-
sprechen, das Bild vollenden zu wollen.

Fritz mußte seine Angcbeteto immer und immer ivieder
ausetzen. Ein solches Mesen hatte er hintergehen könnenl

„Menu mir doch jemand helfen wolltel" seufzte er bei sich.
„Ein Rönigreich fiir cine Idee!"

Da nätzerten sich vom Bebensaale her feste regelmäßige
Schrilto und ein großer, alter Lserr mit mächtigem weißem
Schnurrbart stand unter der Thiir.

„Freut mich schr, kserr Profcssor, bitte, ruhig weiter machen.
Meinc Tochter tzat mir schon sehr viel von Ihnen erzählt.
lvird Sie hoffentlich nicht stören, wenn ich ein wenig zusehc."

Dcr Lieutenant sprang entsetzt von seinem Stnhl empor
uud stand still ivie cine Maner, die ksände vorschriftsmäßig an
die bsosennaht gcdriickt.

„Frcut mich, daß so militärischc lsaltung bewahrt habeu.
>vo gedieut?" sprach der General weitcr.

„F. Rrremeut, lserr Gcneral," erwiderte der Gffizier und
richtcte sich univillkiirlich noch strammer iu die Lsöhc.

„Reserveoffizier?" —

„Zu bcfehlen, nein, lsorr General."

Dcr Geucral runzelte die Stirue. „Scheiuen demnach besscrer
Maler als Soldat zu sein?" —

Da mußte der lserr „Professor" doch ein wenig lächcln
trotz seiner verlegenheit. „Bei aller Bcscheidenheit, lserr
Gcneral," aniwortetc cr, „glaube ich doch, daß ich bis jetzt als
Soldat bedoutend mehr leistete wie
als Aiinstlcr"-

„was? — Ia wie wurden
Sie aber dann „jdrofessor der Mal-
kunst?"

Da blitzte cs hell auf in den
Augon des Lieutenants. Gffeubar
hatte er seiuc „Idce" gefunden.

„lserr General," sagte er,

„das möchtc ich Ihncu lieber untor
vier Augeu im Rcbensaa! erzählcn,
wenn es Sie intcressicrt. Das ist
nämlich eiu Geheimnis."

Mährend die beiden lserrn
im Rebeusaal vcrschwaudon, der
des früheu lNorgeus wegcn uoch
ganz lecr von Besuchern war, saß
Anna mit klopfendem lserzen vor
ihrer llialerei uud lauschte, ob sic
nicht auch ctwas von dem Gcheim-
nis erfahren könne. verstehen
kounte sie aber nichts. Nur ciu
schallendos Gelächter von seiten
ihres jdapas drang zu ihr hercin
und dann die schrecklichen lvorte:

„Sagen Sie es ihr nur selbst und
nutorstehcn Sie sich ja nicht, das
arme Kind noch ciumal beim Malen
zu stören."

Gleich darauf kam der „Professor" mit stark gerötctcm Ge-
sicht und sehr verlegener lliieue wieder allcin zu ihr hcrein.

„Gnädiges Fräulein," sagte er stockend, „ich . . . ich mochie
. . . ich wollte . . . ich sollte . . ., o Fräulein Anna, wenn Sic
wüßten, wie . . ., ich soll es Ihnen selbst sagen, aber . . ."

Dabei sah er Anna so hilflos an und noch etwas andcres
lag in seincm Blick, etwas Rätsclhaftes, Unbcschreibliches.

Anna aber senfzte tief auf uud sprach: „Die lsauptsache
habe ich wohl gehört. Sie sollen nicht mchr hierher kommeu.
— Nie mehr!" — Dabei rolltcn langsam zwei Thräuen über
ihrc lvangen.

Das war zu viel fnr unsern Lieutenant.

„Nein," rief er jubclnd, „die lsauptsache habcn Sie nichi
gchört." Dann faßte er Anna an beiden lsänden und flüsterte
ihr etwas ins Ghr.

Ls mußte etwas Furchtbarcs geivesen sein, denn ein eigeu-
tümlicher Schauer schien ihren Körper zu durchbeben und ihre
lsändc zitterteu in den seineu.

Lr sprach lange zu ihr und als sie cndlich zusammen deu
Saal vorlicßen, da leuchtete aus beider Augcu cin Glück, wie
es den llienschen in gar wenigen Augcnblicken ihres Lobens
gegeben ist.

lvas sie mit cinander zu sprechcn hatten, können wir nicht
sagen. Abcr daß Anna, sich iiberglücklich an den Arm ihres
Bräutigams schmiegcnd, der lNama ihrc Glückwünsche zum
Geburtstag darbrachte nnd daß mitten unter dcn Gebnrtstags-
Geschenken die unvollcudete Aopic des lllurillo lag, von eincm
Blumenkranz umgeben, das wissen wir geuau; deun das habeu
wir sclbst gcsohen.

Ärllcr Äcbankc.

Redaltiou: lllax Schreiber. Druck uud verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßliugeu bei Stuttgari.

Grl'chäftsstellr in Miinchrn: Cvrneliu»Itrn>so 19.
 
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