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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0058
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TITeggendorfer-, L) u in o ri st i s ch e Bläller.



zu Stambul. Aber hier erregto seiu geheimuisvolles Treibcu
verdacht. Die Zaptiehs oder Sicherheitsbeamten nahmcn ihn
gcfangen und führtcn ihn vor den Äadi.

„Nun, Muley Lsafis?" fragte der Aadi streng, „zu welchem
Zwccke trcibst Dn Dich in Stambul umhcr, und was hast T>u
in Dcine Büchcr zu schreiben?"

Lächelnd verncigte sich Muley: „Allah ist Allah, Lserr, ich
studierc die Menschen, meinc Brüder; in das rotc Buch schreibe
ich dic Namcn derjenigen, melche ich wcise, in das gclbe dic
Namcn dcrjenigen, die ich thöricht gefunden habe."

T>a lachte der Aadi und ließ Mulcy laufen. Lr konnte
indessen den sonderbaren TNann nicht vergessen und erzählte
bald danach dcm Ianitscharen-Seraskicr von seinem Thun.
Durch diescn erfuhr der Großvezier von dem komischen Aauz,
und durch den Großvozier endlich auch der Padischah selbor.

„T>cn Mann will ich kennen lernen," gebot der Beherrscher
dcr Gläubigen, „man suche ihn anf und führc ihn zu mirl"

wenige Stunden später stand Muley Tfafis vor dcm
Großherrn.

„Ich höre sonderbare Dinge über T>ich, Muley Tfafis",
redete der Padischah ihu an, „T>u studierst die Menschen, sagt
man mir, und schreibst in das eine Ociner Bücher die Namen
der weisen, in das andere diejenigon der Narren. Zn welches
Buch würdest T>n meinen Namen schreiben?"

„Großmächtiger Padischah, orhabener Gebieter, mägc das
Licht Deiner Augen leuchten bis an das Ende dcr welt und !

Dein Bdem gepriesen werden bis zum jüngsten Tage. Aber
wie kann Dein Sklavc wissen, in welches Buch or Deinen Namen
schreiben wird, bcvor cr Dich studiert hat?"

„wohlan, o Muley lfafis, so studiere michl Ocin Plag
sei fortan in meiuer Nähe und nichts sei Dir von meinem Thun
verborgcn l"

Der Derwisch mußle an Stolle seiner zerschlissenen Mönchs-
kleider kostbare Gewänder anlegen, er mußte an dem Mahle
dcs Padischah teilnehnicn und wurdc gleich dcn höchsten
tvürdenträgern des Reichcs von ihm geehrt, sowie mit Güte
und Wohlwollen überhäuft.

Am drillen Tage wurden dem jdadischah zwei arabische
jdferdehändler gcmeldet, welche ihm einigo lfengstc zum Tiaufe
anbieten wolltcn, deren Abstammung unzweifclhaft auf die
Züchtungon dcs Propheten zurückzuführen war. Sie hatten die
Ticre allcrdings nicht mit sich, sondcrn in Brussa; aber sio
machten so viel Rühmens von dcr Schönheit und Rcinheit der
Pferde, daß sich der Padischah entschloß, dic lfengste zu kanfen
und, damit ihm niemaud anders zuvorkomiue, dcn Tsändlern
den ungeheuren Preis für die Tiere zahlen ließ, ohne die-
selben gcsehen zu haben.

Da schlug Muley Tsafis sein gelbes Buch auf, zog sein Tintcn-
zeng aus dem Gürtel und schickte sich zum schreiben an.

„was begiunst Du dort, o wackerer Muley?" fragte der
Padischah gütig.

„Dein Sklave schreibt den Namen seines erhabenen Ge-
 
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