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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0084
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INeggendorfers Huinoristische Blälter.

(KaffhLUisgespräch.

Äie Wäsche der atlen ^uberin.

rMißen in eincr dcr nciicn Straßcn der vcrstadt
zoichnete sich cin Isans dnrch scine nette, geschinackvollc
Fassade ganz besanders var dcn nbrigcn, wclchc dnrch-
weg in dein bekannlon Mietskasernenstilc gehalten ivarcn, vor-
teilhaft ans. Ls gehörte dcin friihercn Ukaiirernieistcr nnd
jctzigon Rcnticr tsaseninaier. Durch billigen Grunderwerb und
solide Gcschäftsfnhrung hatte cr sich ein hübschcs verinögen
erworben, dessen Zinson es ihni orlaubten, seinc Tage in der
angenehinsten wcisc zn verbringen; er bewohntc den ersten Stock.

Lr war, trotz sciner jetzigcn wohlhabenheit, eine etwas
knorrige Arbeiternatur gcblicben und ivcnn es allein nach ihm
gegangen märe, so hätte seine, nebenbei benierkt, auffallend
hübsche Tochter Anna nicht die Lrziehung bekommen, welche
sie jetzt aufwies. Oon einein „außer kjaus geben" seines
„Dirndels" hatte cr absolut nichts wissen wollen. T>ie bessere
Linsicht seincr Frau hatte cs jedoch dahin zu bringen gewußt,
daß Anna, dic einstige Lrbin eines zienilich bedentenden ver-
inögens, in ein Institnt kain. Sie war nun wicder zu bjause
uud hatte bcreits ihren Sinn für inoderneu Uoinfort gcltend
zn inachen gewußt. Nicht eines der von ihrcn Llteru ererbten
altehrwürdigen Stückc ans dcr Zeit „als der Großvatcr die Groß-
uiutter nahin", hattc sic vcrurtcilt an nngünstigein jdlatze steheu
zu »ilisscu, durch aufpolieren aber und teilwcise, dein vater niit
ihrer nnividerstehlichen Art abgeschincichclte Neuanschaffiingen,
hattc sie, unterstützt von ihrein natürlichcn Geschinack, die
kvohnnng ganz allerliebst iiinzugcstalten gewußt. Lrsr hatte dcr
vater srcilich gebrninnit, als abcr Besuche kainen und ob der
vorteilhaften veränderung uicht geung kvorte fiudeu konnten,
hatte ihni das doch sehr gefallcn und er innßte sich gestchen,
daß eine augcnehine Ningebung doch etwas nicht zu vcrachtcn-
des sei. !Ue kNutter abcr einpsand entschiedcnen 5tolz, daß sie
verslandcn hatte, ihrein Augapfel die kvege zu bahnen, uin init
ihrer Bildnug dic Lltern glcichsain auf eine höhere Stufe einpor-
zuziehcn.

Ls wärc somit alles iin schönsten und besten Geleise ge-
wesen, wciin nicht ... . «

AIs Ihaseninaier das Grundstück crworben hatte, auf dein
jetzt sein stattliches Isaus stand, war dasselbe ein Garten ge-

wesen, in deui ein kleines kjäuschen, mie sie cben in der vor-
stadt gang und gäbe marcu, das lsciin cines Musikers bildetc.
Dieser letztere nun hatte seinen Grund und Boden, dcr auch
hintor deni lsäuschcn noch ein gutes Stück weiter giug, nur
unter der Bedingung überlasscn, daß besagtes Gebäudo als Rück-
gebäude des neu zu erbauenden lsauses bestehcn bliebe und
nach seineni Tode, der bei sciuein Loidcn nicht in allzuweite
Fcrne gerückt war, seiner Fran und scinein Ainde auf Lebens-
dauer zur Bewohnung überlassen blicbe.

Da der Aanf cin iiberaus vorteilhaftcr sür lsascnmaier
war, so hattc er diese Bcdingungen cingcgangcn, jctzt freilich
uannte cr scinen dainaligcn Lntschlnß dcn diiiuinstcn Streich
seines Lebens.

Das „Aind" näinlich der iin Rückgebäude lebcnden lvitwe
ivar cin fast crwachscner 5ohn, dcr wie sein vatcr den lliusik-
beruf crwählt hattc und der, ob seines bcdeutendcn Talentes,
einen Frciplatz iin Aonscrvatoriuni gcnoß.

l>as ivarc nun an und für sich kcin Gruud zu irgend cincin
Aergcrnis gemesen. Daß der jnngc „Grasaff" abor sich untcr-
stand, scinein „Dirndl" verliebte Augen, nnd sie mit seinein
„vermünschtcn Gedudel uud Gekliinpcr" verrückt zu inachen, das
ging dcni ljerrn „Rcntier" über die ljutschnnr — so ein windigcr
llkiisikänt nnd ljnngcrleidor — das wäro das lvahrel

Aber es half ihin allcr Zorn nichts mehr, seine Sache stand
bcreits trostlos. Die beiden jnngen Lente hatten sich gcsehcn
und das „lknglück" war fertig. Ls hattc noch kcinc Lrklärnng
zwischen den beiden stattgefunden, daß sie sich liebten nnd nie
und niininer von einandcr lassen wollten, das wußten sie ohnc
einc solche anch. Nun maren sie sich heute in die ljände ge-
lanfen, ohnc daß es eines von ihnen vermuten kounte, denn
von seiten der Lltcrn Annas sowohl, als anch von Seiteu der
llkuttcr Lugcns, welcher ljerr ljasenmaier „auf die Bndc gesticgen"
mar und dcm erschrockenen lveibloin dcn „Standpunkt klar
gemacht" hatte, war alles geschehcn, um Begegnungen zu ver-
hindcrn.

ljcnte Abend aber hatte Lugen, vom Aonservatorinm kom-
mend, gerade die Thüre des vorderhauses aufgemacht, um in
das Rückgebäude zu gelegen, als Anna mit dem Schlüsselbnndc
die Treppc herab kam, um in den Aeller zu gehen. Das ljaus-
weson hatte ihr die praktischc llkutter schon ganz in die ljände
gelcgt und Anna wirtschaftetc, daß es eine Frende war . . . .,
da war es wie ein Taiimcl iibcr beide gckommen. Sie
hielt sich zitternd am Treppengeländer und er sprang die
Stnson zu ihr empor, nahm ihre l^and und gcstand dem bald
rot, bald blaß wcrdenden llkcidchen seinc hciße Liebc und bat
sie, auch ihm zu scigen, ob sie ihm gut sei — ach Gott, da
wurde die ljausthüre anfgerissen, ein bekanntes Schnauben er-
töntc, und Anua flüstcrte erschrockcu: „lkm allos der vater!"
Im nächsteu Augenblicke mnßtc er sie erblicken, noch ein paar
Schritte, uud er bog um das Anie, wclches der ljauseingaug
machtc, und mußtc direkt vor ihnen stehen. Da faßte Lugcn
einen heroischen Lntschlnß, er wollto Anna jede lknannchmlich-
keit ersparen. lkkit raschcm Schwnngc sprang er über das
Treppengcländer, um schnell noch den Ausgang nach dem Riick-
gebäude zu gewinnon. Leider hatte cr nicht mit den Steiu-
treppcn gerechnct, auf die er springen mußte, er sprang aus eine
Aantc und fiel mit einem lvehlant zu Boden, cr hatte sich den
linkon Fuß verrcnkt.

kjasenmaier war über dicses vorkommnis wütcnd, so
hatte ihn seine Frau seit Iahren nicht gesehen, und sie
sand os daher geraten nach seinem lvillen zu handcln: nämlich
am gleichen Abend noch dcr Tochter einen großen Reisekoffer
 
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