Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 25.1896 (Nr. 275-287)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16563#0105
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Meggendorfers Hun, oristische Blätter.

Unsere Dienstt'otcn.

Frau: „Sie wollen ins Ti,eater?"

Dienstmädchcn: „Ial Ick jehe ins parterrel koffentlich
sehe ick Sie ufs der ^alleriel"

D, öiese Reisenöen!

hurnoreske von I. ssargner.

lle lvege sühren nach Roin, aber unter all diesen lvegen
ist sicher der angenehmste der, xer Eilzug hinzudainpfen
nach dein sonnigen Italien init dein ewig blauen
.lHininel. Ich hatte diesen lveg gewählt, vielinehr nicht ich
allcin, sondern auch niein junges tveibchen. — Ach, wie oft
schwärmte ich ilir, als ich noch auf Freiersfußen uin sic liernm-
schlich, von Italien vor, obzwar ich es nicht kannte, sondern
nur als von piazza Grande in Triest aus seßnsuchtsvoll nach
der Richtung, wo die Schiffe nach venedig fahren, ßinseufzte.
Und wie war sie begeistertl

ljeute war der Tag gekommenl lvie ein Traum kam es
mir vor, als ich mit ineinem jnngen lveibchcn, selbstredend frisch
getraut, und mit der unvermeidlichen Schwiegermutter sehn-
suchtsvoll auf den Zug harrte, der uns sorttragen sollte in
die Fernel Ich sah schon im Geiste die herrlichen Fluren,
durch die wir sausen, die Berge und die Tunnels, durch die wir
lluschen werden. B, wie freute ich mich auf letztere. Ich hatte
im Geiste gezätzlt Tunnels ä mindestens zs Aüsse macht. . .

Lndlich brauste der heißersehnte Zug ein. Meine Frau
schlüpft graziös in das LoupS, ich folge ihr, die Schwieger-
mutter stellt sich noch ein wenig auf die plattform und kramt
noch allerlei mütterliche Mallnungen aus. Das zweite Läuten.
vie Louxötl>ür wird geschlossen. Gegenseitiges Uüffen, ksände-


V, diese Reisendenl

drücken, die Schiviegcrmntter nimmt ihr Taschentnch herans,
es läutet, ein pfiff, psauchen und der Zug setzt sich in Bewegung.
lvir winken noch mit nnseren Taschentüchern Abschied zu. Der
Zug sährt lmmer rascher.

„Lndlich alleinl" seufze ich und rücke näher zu meinem lveib-
chen. Ls war in der That eine tvohlthat, endlich so wcit
zu sein. Lanter aufregende Tage lagen hintcr mir. Der
polterabend, die Lsochzeit, und so schön auch das Schmausen,
Plandern und pokulieren war, so war ich doch sroh, es über-
standen zu haben. Der Zug rast weiter, er pfeift, es kommt
eine Station. Lr hält. Lilfertig springt der Aondnkteur nm-
her, er öffnet, o Schrecken, unsere Thüre und herein klcttert
ein korpulenter, pustender tserr, dem man den Berufsreisenden
sofort ansah. Der ljoteldicner überreicht ihm eine kegion päck-
chen, Aöfferchen, plaids, Stöcke. Der Zug hat scine normalc
Aufenthaltszeit überschritten, der Rcisende hat noch nicht alles.
Lndlich ertönt der erlüsende Pfiff, es geht weiter. lvir mustern
uns, wie gebräuchlich, gegenseitig.

Der lNann müßte kein Reisender gewesen sein, wenn es
ihm nicht gelungen wäre, alsbald ein Gespräch zu entwickeln.
Ich fand ihn ganz angenehm, da ich nicht ahnen konnte, was
der lNann für mich noch zu bedeuten haben würde. Lr war in
allem informiert, ihm war nichts fremd. Lr kannte fast jedcs
ljotel, wußte, wo man die besten „Frankfurter", die stärkstcn
„lsummern" und das „echte pilsner" bekommt. Ich behauptc
der lNann hätte ein gastronomischcs Adreßbuch frei aus dem
Gedächtniffe recitieren könncn.

Ich bemerkte mit erkünstelter Gleichgiltigkeit, daß wir jetzt
bald durch Tunncls fahren werdcn. Der lNann that, als ob er
sein Lebtag stets nur allein durch Tunnels gefahren wäre; ich
zweifclte, daß cr ein lscrz im Leibe habe und wiffe was ein Auß sei.

Als ich abermals von den kommenden Tunnels zu sprechen
begann, meinte er gleichgiltig, indem er eine Zeitung aus der
Tasche nahm: „Ach, was genieren mich Tunnels, durch so was
laffe ich mich nicht stören, ich werde meine Zeitung lesen und
möge es so sinster werden, wie es war, ehe das lvort: „Ls
werde Lichtl" gesprochen wurde." Bei diesen lvorten nahm
er seinen Stock, machte einige Griffe und im Nu war eine
kleine Laterne aus dem Anopfe des Stockes sichtbar; dann zündcte
er gelassen das Licht in der Laterne an. Ich meinte zu zerbersten.
Mein lveibchen und ich sahen uns an, wir verstanden uns.

lsuschl Der Zug sauste durch den erstenTnnnel, — in unserem
Loupö blieb es hell.

Der Reisende schaute, nachdcm wir den ersten Tunnel
passiert, uns ruhig an und meinte: „Nun, ist das nicht
eine herrliche Lrfindung?"

Ich ivimmerte ein „Ja" herans. Am liebsten hättc ich
diese Stocklaterne genommen und nnter die Räder des Zuges
geworfen; leider war sie nicht mein Ligentum.

Ich rutschte auf meinem Sitz heriim wie ein verbrecher,
der sich der Lrregung bemeistert, ehe er sich auf sein Bpfer
stürzt.

Ietzt schoß mir ein guter Gedanke durch den Aopf, während
wir in den zwciten Tunnel einfuhren. Ich richtete mich an den
Reisenden. „lllein lscrr," begann ich mit verstellter Rühle,
„ich bin ganz von der Lrfindung entzücktl lllein sehnlichster
lvunsch wäre es, diescn Stock mit Laterne zu besitzenl lvollten
Sie mir ihn nicht verkaufen?"

Der Reisende blickte mich gleichgiltig an und meinte: „Ze
nun, wenn Sie sich dessen Besitz so sehnlichst wünschen,
so steht er Ihnen zu Dienstenl"

„lvas kostet er?"

„Fünfundzwanzig lNarkl"

„Fünfundzwanzig Mark?" frug ich erstaunt, der preis schien
mir hoch, suchte aber schon mein portemonnaie und im Nu hatte ich
 
Annotationen