L. Neggendorfers Humoristische Blätter.
hsarlequins Lrben.
„Sprichst Tu wahr?" poltert Tomassini. „Per
Bacco, wenn es die Seute sagen, muß vielleicht doch
etwas wahres daran sein. Und doch," sährt er
fort dabei die einzelnen IZlieder streckend, „der Arm
pulsiert, das Bein vibriert, der Aopf mauövriert;
meine liebe Aerline, ich lebe noch, lebe leibhastig!"
„V wie glücklich bin ich! — Aber welche Aeber-
raschung für die Anderen!"
„Mr welche Anderen?"
„Hür Lure lieben vettern, die Luch auch ge-
storben glaubten, sich seit gestern hier einquartiert
haben, alles aufschreiben und unter sich teilen wollen."
„wer? Die teueren Vettern, die mir stets ihre
volle Verachtung bezeigten? Kürchten sie nicht die
ewige Verdammnis, wenn sie das Haus eincs Hauk-
lers, eines Possenreißers betreten? Tenn so lauteten
ihre Lhrentitel für mich."
„Gleich dem Keuer reinigt der Cod, sreilich aber
nur die Lrbschaften."
„Vie meinige haben sie noch nicht. — Diese
Lgoisten und kurzsichtigen Herren, die mir verboten
haben, den Aamen meiner Väter „Vi-
centini" zu sühren, weil ich ihn, wie
sie sagten, entehre. Liebe Aerline,
welch' ein Unterschied dagegen der
ungeheure Lrfolg, den ich in Paris
errungen. T>ie größten Herren haben
mich gefeiert, ausgesucht und zu Tische
geladen. Selbst jetzt auf der Reise
hierher, diese Lhre! — Sährt eine
mit vier Pferden bespannte Postchaise
an meinen Wagen an .—"
„Heilige Iungfrau, Sie habeu
doch keinen Schaden genommen?" —
„Ia, eine Achse war gebrochen.
— Ter Harlequin sprang aber durch
das Wagenfenster auf die andere Seite,
schlug eine Pirouette und stand vor
dem Ligentümer des Viergespannes,
vor dem neuen Gouverneur von Ber-
gamo in höchsteigener Person. Als
dieser erfuhr, wer ich sei, nötigte er
mich, bei ihm Platz zu nehmen; auf
der nächsten Station frühstückten wir
zusammen und beim Scheiden hier
versprach er, mich zu besuchen. Was
werden die liebenVettern dazusagen?"
Ierline ist bekanntlich auf diese
sehr schlecht zu sprechen, am meisten verhaßt ist ihr
jedoch der podesta, weil er ihrem Tarlo verboten hat,
sie zu lieben. Lie leert daher auch ohne Aögern die
Schale ihres Aornes über dessen Haupt und klagt
dem lieben, wiedererstandenen Vormund alle ihre
Leiden; . aber auch die Standhaftigkeit ihres Seliebten
teilt sie-ihm freudig mit.
Bei Comassini's lebhaftem Cemperament erbittert
ihn das abweisende Benehmen des ^)odesta auf's
höchste und er finnt, wie es nur möglich fei, sich für
alle diese Anverschämtheiten zu rächen. Schließlich
kommt ihm der Eedanke, die jetzt so günstige Gelegen-
heit, nämlich die Anwefenheit der Vettern in seinem
Hause auszunützen. Ueber das „wie" ist er mit
sich felbst noch nicht im Alaren, empfiehlt daher
Zerlinchen, vorläufig nichts zu verraten, gegen die
Cousin's nach wie vor recht sreundlich zu sein und
ihnen mitzuteilen, es sei jemand von Paris gekommen,
der den letzten Willen des verstorbenen Harlequiu
überbrächte; außerdem solle sie sich über uichts
wundern, was auch geschehen möge.
Cie zur Besichtigung ihres Lrbteiles ausge-
wanderten drei Vettern kehren von dieser Lxkursion
nicht in so friedlicher Harmonie zurück, als sie beim
Abmarsch bekundeteu. Cer Ctreit ivegen einzelner
Cbjekte lodert in hellen Klammen; auf diesen Brand
gießt Zerline als Beruhignngsöl die Nitteilung von
dem aus Paris angelangten Hremden mit dem Ce-
stainente. Nun kennt der Iorn dieser drei ehren-
werten Herren keine Srenzen; sie wünschen ihm alles
mögliche 8ute in wenig sreundschaftlicher Weise.
Ciesen Verwünschungen entreißt sie sehr bald
Comassini, welcher sich ihnen, bis zur Ankenntlichkeit
verkleidet, italienisch radebrechend vorstellt:
»Luluto, mioi Lignorh oon pormissiono stoll sio
vor il vostro äovotissiino Iliugio ÜLinbillaräo, Loulllour
äolla oowsäis. italiana aus ?uris.<-
Cann sährt er weiter sort:
»II oolsbro loinassini, inoins mnioo ubon nur
gsliobt äsr Aukin s non pooo äsr Nuoouroni; povsro
ÜAing.ssini, sr ubsn gslisbt soggstto u trusporti äsr
ing.eos.roni, psr la sbsn inusssn ssin äsr Opksr von
sssinsr psssions.«
Auf die Hrage nach der Veran-
lassung des so plötzlichen Todes des
verstorbenen erzählt der falsche Biagio
mit Thränen in den Augen:
»Oon psrinissions, Lignori, sinsr
Isoriwa kür äis povsro uinioo. — Osr
IstAsn 26. Oktodsr sr spislsn »?krlo-
okino nslls luna«, sinsr Ltuok, rvgs
sr siok springsn in äsr kVoIIcon. —
blsok äsr ll'sstro sr mir sinluäsn 7.u
äsr soupsr in sinsr klsinsn rsstau-
r87ions, vo äsr inaooaroni ssin a
prsksrsn78 — ak, Zignori inioi — äivino
äsr in8008roni — uurino 'cvis sinsr
Ltrgkl von äsr Lonns unä cv88 7isksn
sis, ^isksn sis unä vss Icoininsn von
ikin sslbsr sinoroso in äsr Nunä psr
Is aäoroso s oonkortunts; äsr IkinAsr
niusssn Isolcsn bis an äsr oubito,«
dabei zeigte er aus die Lllbogcu,
»vsnn ssin la äsntro äsr Luttsr s
buono korinaggio.«
Aach mancherlei Uuterbrechungen
der vor Angeduld stampfeuden Iu-
hörer gelingt es ihm, mit uner-
schütterlicher Ruhe den Haden seiner
Lrzählung weiter zu spinnen:
»Rinioo 'koinassini bsstsllsn äsr inaoosroni psr
visrs, cvis äsr oräinurio — in sinsr ininuto äsr ssin
sparits; ll'owussini bsstsllsn psr glcts — äsr inaooaroni
vsnito s spurito cvis sinsr okinosisoksn 8okuttsn. —
Disssr iVbsnä äer maooaroni vgron äskoatissims, s
'l'omassini bsstsllsn psr /uvölks — cvir ssssn .— psr
altro il povsro 'l'omgssini rvgrsn sis slslct.« —
„Uud darau ist er gestorben?" frägt der Herr
Aotar. —
»8i, si;« antwortet Biagio — »non por sukito
— sr abon nolr Zskukt äsr 2sit 7u rsgulisrsn ssinsr
8alcsn. — Lr ubsn goin«.Ict un tsstumsnto, il povsro
— un tsstgmsnto, in cvsllcsr sr 8don vormglrt il tutto
ssinsr lisbsn ärsi parsnts. — Ilc ssin äor manänto
unä absn äor prooura por ogni.«
Cieser Anndgebung folgten die höflichsten Be-
stürmungen des tzcrrn Liagio, „doch gefälligst Platz
zu nehmen, ob keine Lrfrischungen oder ein Hrühstück
gefällig u. s. w."
Hortsetzung folgt.
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hsarlequins Lrben.
„Sprichst Tu wahr?" poltert Tomassini. „Per
Bacco, wenn es die Seute sagen, muß vielleicht doch
etwas wahres daran sein. Und doch," sährt er
fort dabei die einzelnen IZlieder streckend, „der Arm
pulsiert, das Bein vibriert, der Aopf mauövriert;
meine liebe Aerline, ich lebe noch, lebe leibhastig!"
„V wie glücklich bin ich! — Aber welche Aeber-
raschung für die Anderen!"
„Mr welche Anderen?"
„Hür Lure lieben vettern, die Luch auch ge-
storben glaubten, sich seit gestern hier einquartiert
haben, alles aufschreiben und unter sich teilen wollen."
„wer? Die teueren Vettern, die mir stets ihre
volle Verachtung bezeigten? Kürchten sie nicht die
ewige Verdammnis, wenn sie das Haus eincs Hauk-
lers, eines Possenreißers betreten? Tenn so lauteten
ihre Lhrentitel für mich."
„Gleich dem Keuer reinigt der Cod, sreilich aber
nur die Lrbschaften."
„Vie meinige haben sie noch nicht. — Diese
Lgoisten und kurzsichtigen Herren, die mir verboten
haben, den Aamen meiner Väter „Vi-
centini" zu sühren, weil ich ihn, wie
sie sagten, entehre. Liebe Aerline,
welch' ein Unterschied dagegen der
ungeheure Lrfolg, den ich in Paris
errungen. T>ie größten Herren haben
mich gefeiert, ausgesucht und zu Tische
geladen. Selbst jetzt auf der Reise
hierher, diese Lhre! — Sährt eine
mit vier Pferden bespannte Postchaise
an meinen Wagen an .—"
„Heilige Iungfrau, Sie habeu
doch keinen Schaden genommen?" —
„Ia, eine Achse war gebrochen.
— Ter Harlequin sprang aber durch
das Wagenfenster auf die andere Seite,
schlug eine Pirouette und stand vor
dem Ligentümer des Viergespannes,
vor dem neuen Gouverneur von Ber-
gamo in höchsteigener Person. Als
dieser erfuhr, wer ich sei, nötigte er
mich, bei ihm Platz zu nehmen; auf
der nächsten Station frühstückten wir
zusammen und beim Scheiden hier
versprach er, mich zu besuchen. Was
werden die liebenVettern dazusagen?"
Ierline ist bekanntlich auf diese
sehr schlecht zu sprechen, am meisten verhaßt ist ihr
jedoch der podesta, weil er ihrem Tarlo verboten hat,
sie zu lieben. Lie leert daher auch ohne Aögern die
Schale ihres Aornes über dessen Haupt und klagt
dem lieben, wiedererstandenen Vormund alle ihre
Leiden; . aber auch die Standhaftigkeit ihres Seliebten
teilt sie-ihm freudig mit.
Bei Comassini's lebhaftem Cemperament erbittert
ihn das abweisende Benehmen des ^)odesta auf's
höchste und er finnt, wie es nur möglich fei, sich für
alle diese Anverschämtheiten zu rächen. Schließlich
kommt ihm der Eedanke, die jetzt so günstige Gelegen-
heit, nämlich die Anwefenheit der Vettern in seinem
Hause auszunützen. Ueber das „wie" ist er mit
sich felbst noch nicht im Alaren, empfiehlt daher
Zerlinchen, vorläufig nichts zu verraten, gegen die
Cousin's nach wie vor recht sreundlich zu sein und
ihnen mitzuteilen, es sei jemand von Paris gekommen,
der den letzten Willen des verstorbenen Harlequiu
überbrächte; außerdem solle sie sich über uichts
wundern, was auch geschehen möge.
Cie zur Besichtigung ihres Lrbteiles ausge-
wanderten drei Vettern kehren von dieser Lxkursion
nicht in so friedlicher Harmonie zurück, als sie beim
Abmarsch bekundeteu. Cer Ctreit ivegen einzelner
Cbjekte lodert in hellen Klammen; auf diesen Brand
gießt Zerline als Beruhignngsöl die Nitteilung von
dem aus Paris angelangten Hremden mit dem Ce-
stainente. Nun kennt der Iorn dieser drei ehren-
werten Herren keine Srenzen; sie wünschen ihm alles
mögliche 8ute in wenig sreundschaftlicher Weise.
Ciesen Verwünschungen entreißt sie sehr bald
Comassini, welcher sich ihnen, bis zur Ankenntlichkeit
verkleidet, italienisch radebrechend vorstellt:
»Luluto, mioi Lignorh oon pormissiono stoll sio
vor il vostro äovotissiino Iliugio ÜLinbillaräo, Loulllour
äolla oowsäis. italiana aus ?uris.<-
Cann sährt er weiter sort:
»II oolsbro loinassini, inoins mnioo ubon nur
gsliobt äsr Aukin s non pooo äsr Nuoouroni; povsro
ÜAing.ssini, sr ubsn gslisbt soggstto u trusporti äsr
ing.eos.roni, psr la sbsn inusssn ssin äsr Opksr von
sssinsr psssions.«
Auf die Hrage nach der Veran-
lassung des so plötzlichen Todes des
verstorbenen erzählt der falsche Biagio
mit Thränen in den Augen:
»Oon psrinissions, Lignori, sinsr
Isoriwa kür äis povsro uinioo. — Osr
IstAsn 26. Oktodsr sr spislsn »?krlo-
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sr siok springsn in äsr kVoIIcon. —
blsok äsr ll'sstro sr mir sinluäsn 7.u
äsr soupsr in sinsr klsinsn rsstau-
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äsr in8008roni — uurino 'cvis sinsr
Ltrgkl von äsr Lonns unä cv88 7isksn
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niusssn Isolcsn bis an äsr oubito,«
dabei zeigte er aus die Lllbogcu,
»vsnn ssin la äsntro äsr Luttsr s
buono korinaggio.«
Aach mancherlei Uuterbrechungen
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hörer gelingt es ihm, mit uner-
schütterlicher Ruhe den Haden seiner
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»Rinioo 'koinassini bsstsllsn äsr inaoosroni psr
visrs, cvis äsr oräinurio — in sinsr ininuto äsr ssin
sparits; ll'owussini bsstsllsn psr glcts — äsr inaooaroni
vsnito s spurito cvis sinsr okinosisoksn 8okuttsn. —
Disssr iVbsnä äer maooaroni vgron äskoatissims, s
'l'omassini bsstsllsn psr /uvölks — cvir ssssn .— psr
altro il povsro 'l'omgssini rvgrsn sis slslct.« —
„Uud darau ist er gestorben?" frägt der Herr
Aotar. —
»8i, si;« antwortet Biagio — »non por sukito
— sr abon nolr Zskukt äsr 2sit 7u rsgulisrsn ssinsr
8alcsn. — Lr ubsn goin«.Ict un tsstumsnto, il povsro
— un tsstgmsnto, in cvsllcsr sr 8don vormglrt il tutto
ssinsr lisbsn ärsi parsnts. — Ilc ssin äor manänto
unä absn äor prooura por ogni.«
Cieser Anndgebung folgten die höflichsten Be-
stürmungen des tzcrrn Liagio, „doch gefälligst Platz
zu nehmen, ob keine Lrfrischungen oder ein Hrühstück
gefällig u. s. w."
Hortsetzung folgt.
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