Kapitel I.
Bie geschiclitsphilosophische Bewegung am Ende des
18. Jahrhunderts.
Schellings Geschichtsphilosophie ist in einer Reihe von
Werken niedergelegt, deren früheste in den neunziger Jahren
des 18. Jahrhunderts, deren letzte um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts verfasst sind. In ihrer ursprünglichen Form steht
sie noch unter dem unmittelbar fortwirkenden Einfluss des
kritischen Zeitalters, mit ihren letzten Gestaltungen ragt sie
weit in die Epoche der Restauration hinein. Schon aus
diesem Grunde fehlt ihr die Geschlossenheit und Einheitlich-
keit, welche die Geschichtsphilosophie Hegels auszeichnet,
in der die historische Weltanschauung einer bestimmten
Epoche ihren monumentalen Ausdruck gefunden hat. Hegels
Geschichtsphilosophie gehört seinen reifen Mannesjahren an
und trägt die Spuren der Reife und der Vollendung, sie war
gefordert und klar vorgezeichnet in dem grossen Zusammen-
hang seines Systems. Schellings Geschichtsphilosophie ist
nicht das Produkt einer bestimmten Schaffensperiode, sondern
das Problem eines Denkerlebens, dem die endgiltige Lösung
fehlt. Auch erscheint das Problem der Geschichtsphilosophie
niemals in reiner Gestalt, sondern immer umrankt von
fremdem Beiwerk und zwar besonders auf das innigste ver-
schlungen mit dem Problem der Kunst- und Religionsphilo-
sophie. Diese Tatsache und die verstreute Form, in welcher
manche wertvolle Gedanken der Geschichtsphilosophie Schel-
lings erscheinen, erklärt es zur Genüge, dass ihnen die wohl-
verdiente Beachtung lange Zeit nicht zuteil geworden ist.
Die Verschlingung aller Wertgebiete ist charakteristisch
für die Bliiteperiode des romantischen Zeitalters, in welcher
die Geschichtsphilosophie Schellings ihren eigentümlichen
Ausdruck gefunden hat. Seine geschichtsphilosophischen Ge-
dankengänge haben die Romantik in ihrer ganzen Entwicke-
lung begleitet bis in jene trübe Zeit hinein, wo die ursprüng-
liche Frische und grosse Entdeckertätigkeit der deutschen
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Bie geschiclitsphilosophische Bewegung am Ende des
18. Jahrhunderts.
Schellings Geschichtsphilosophie ist in einer Reihe von
Werken niedergelegt, deren früheste in den neunziger Jahren
des 18. Jahrhunderts, deren letzte um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts verfasst sind. In ihrer ursprünglichen Form steht
sie noch unter dem unmittelbar fortwirkenden Einfluss des
kritischen Zeitalters, mit ihren letzten Gestaltungen ragt sie
weit in die Epoche der Restauration hinein. Schon aus
diesem Grunde fehlt ihr die Geschlossenheit und Einheitlich-
keit, welche die Geschichtsphilosophie Hegels auszeichnet,
in der die historische Weltanschauung einer bestimmten
Epoche ihren monumentalen Ausdruck gefunden hat. Hegels
Geschichtsphilosophie gehört seinen reifen Mannesjahren an
und trägt die Spuren der Reife und der Vollendung, sie war
gefordert und klar vorgezeichnet in dem grossen Zusammen-
hang seines Systems. Schellings Geschichtsphilosophie ist
nicht das Produkt einer bestimmten Schaffensperiode, sondern
das Problem eines Denkerlebens, dem die endgiltige Lösung
fehlt. Auch erscheint das Problem der Geschichtsphilosophie
niemals in reiner Gestalt, sondern immer umrankt von
fremdem Beiwerk und zwar besonders auf das innigste ver-
schlungen mit dem Problem der Kunst- und Religionsphilo-
sophie. Diese Tatsache und die verstreute Form, in welcher
manche wertvolle Gedanken der Geschichtsphilosophie Schel-
lings erscheinen, erklärt es zur Genüge, dass ihnen die wohl-
verdiente Beachtung lange Zeit nicht zuteil geworden ist.
Die Verschlingung aller Wertgebiete ist charakteristisch
für die Bliiteperiode des romantischen Zeitalters, in welcher
die Geschichtsphilosophie Schellings ihren eigentümlichen
Ausdruck gefunden hat. Seine geschichtsphilosophischen Ge-
dankengänge haben die Romantik in ihrer ganzen Entwicke-
lung begleitet bis in jene trübe Zeit hinein, wo die ursprüng-
liche Frische und grosse Entdeckertätigkeit der deutschen
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